VwGH 2004/04/0036

VwGH2004/04/003624.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Bayjones und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache der Gemeinde M, vertreten durch Dr. Michael Kreuz, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Herrengasse 6-8/3/1, gegen den Bescheid des Umweltsenates vom 26. Jänner 2004, Zl. US 9A/2003/19-30, betreffend Feststellung gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §8;
B-VG Art11 Abs7;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
UVPG 2000 §19 Abs3;
UVPG 2000 §20;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;
AVG §8;
B-VG Art11 Abs7;
B-VG Art131 Abs1 Z1;
B-VG Art131 Abs2;
UVPG 2000 §19 Abs3;
UVPG 2000 §20;
UVPG 2000 §3 Abs7;
VwGG §28 Abs1 Z4;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 26. Jänner 2004 hat der Umweltsenat gemäß § 3 Abs. 7 Umweltverträglichkeitsprüfungsgesetz 2000, BGBl. I 89/2000 (UVP-G) festgestellt, dass für den geplanten Diabasabbau der H.-GesmbH in M keine Umweltverträglichkeitsprüfung durchzuführen ist.

Die dieser Entscheidung zu Grunde liegenden Sachverhaltsfeststellungen stützte die belangte Behörde auf die bereits von der Erstbehörde eingeholten Sachverständigengutachten und auf die Ergebnisse eines Lokalaugenscheins, an dem auch die Beschwerdeführerin teilgenommen hat.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde der Standortgemeinde des in Frage stehenden Abbaus.

Zu ihrer Beschwerdelegitimation bringt die Beschwerdeführerin vor, dass in § 3 Abs. 7 UVP-G die Parteistellung der Gemeinde ohne jede Einschränkung normiert werde. Der Beschwerdeführerin komme auch die Stellung einer "mitwirkenden Behörde" zu, der ebenfalls Parteistellung eingeräumt sei. Anders als dem wasserwirtschaftlichen Planungsorgan komme der Standortgemeinde nicht nur ein Anhörungsrecht, sondern volle Parteistellung zu. Beim umfassenden Umweltschutz handle es sich nach den Bestimmungen des UVP-G um ein allgemeines Rechtsgut, das von der Gemeinde geltend gemacht werden könne. Die Gemeinde sei von derartigen Großprojekten in subjektiven öffentlichen Rechten betroffen, welche sie auch vor dem Verwaltungsgerichtshof geltend machen könne. Dafür spreche auch der Umstand, dass nach § 3 Abs. 7 UVP-G nunmehr auszuführen ist, welcher Tatbestand des Anhanges 1 durch das Vorhaben verwirklicht werde. Das volle Beschwerderecht ergebe sich auch aus Art. 11 Abs. 7 B-VG. Jedenfalls sei die Beschwerdeführerin jedoch als Formalpartei berechtigt, eine Verletzung ihrer prozessualen Rechte geltend zu machen.

Unter dem Titel "Beschwerdepunkte" enthält die Beschwerde folgende Ausführungen:

"Wir erachten uns durch den Bescheid in unserem Recht auf Feststellung, dass für den geplanten Diabas-Abbau eine (volle) Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000, Zi. 26 a des Anhanges 1 durchzuführen ist verletzt;

in eventu ebenso in unserem Recht verletzt, auf Feststellung, dass infolge einer wesentlichen Beeinträchtigung des Schutzzweckes des Landschaftsschutzgebietes Lahntal eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 im vereinfachten Verfahren durchzuführen ist, gleichwie in unserem Recht auf Feststellung nach dem UVP-G 2000, dass aufgrund einer Kumulierung der Auswirkungen mit anderen Vorhaben mit erheblich schädlichen belästigenden oder belastenden Auswirkungen auf die Umwelt zu rechnen ist und demgemäß eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach dem UVP-G 2000 im vereinfachten Verfahren auch aufgrund einer solchen Kumulierung durchzuführen ist;

Des weiteren erachten wir uns in unserem Recht auf Umweltschutz (auch nach der Gesamtintention des UVP-G 2000, hier insbesondre abgeleitet aus den Verpflichtungen nach § 1, § 3 Absätze 1, 2, 4 u. 7, § 17 (2) iVm Zi 26/a, Zi 26/c des Anhanges 1) verletzt, ebenso in unserem Recht auf Gebrauch des Ermessens im Sinne des Gesetzes nach der Sinnhaftigkeit dieser Bestimmungen.

Ebenso erachten wir uns in unserem Recht auf Begründung des Bescheides nach § 60 AVG, § 58 (2) AVG hinsichtlich aller entscheidungsrelevanter Punkte verletzt

dem Recht auf lückenlose und vollständige Feststellung des Sachverhaltes, ohne Ergänzungsbedürftigkeit desselben in wesentlichen Punkten und ohne Aktenwidrigkeit, in allen wesentlichen Punkten,

in unserem Recht auf gesetzliches Parteiengehör, welches auch das Recht auf Gehör/Eingehen auf entscheidungsrelevantes Vorbringen betrifft.

Der Bescheid leidet daher sowohl an Rechtswidrigkeit des Inhaltes als auch an Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften leidet."

Die hier maßgeblichen Bestimmungen des UVP-G haben folgenden Wortlaut:

"§ 3. (1) Vorhaben, die im Anhang 1 angeführt sind sowie Änderungen dieser Vorhaben sind nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen einer Umweltverträglichkeitsprüfung zu unterziehen. ...

(7) Die Behörde hat auf Antrag des Projektwerbers / der Projektwerberin, einer mitwirkenden Behörde oder des Umweltanwaltes festzustellen, ob für ein Vorhaben eine Umweltverträglichkeitsprüfung nach diesem Bundesgesetz durchzuführen ist und welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird. Diese Feststellung kann auch von Amts wegen erfolgen. Die Entscheidung ist in erster und zweiter Instanz jeweils innerhalb von sechs Wochen mit Bescheid zu treffen. Parteistellung haben der Projektwerber, die Projektwerberin, die mitwirkenden Behörden, der Umweltanwalt und die Standortgemeinde. Vor der Entscheidung ist das wasserwirtschaftliche Planungsorgan zu hören. Der wesentliche Inhalt der Entscheidung einschließlich der wesentlichen Entscheidungsgründe sind von der Behörde in geeigneter Form kundzumachen oder zur öffentlichen Einsichtnahme aufzulegen.

...

§ 19. ...

(3) Der Umweltanwalt, das wasserwirtschaftliche Planungsorgan sowie die Standortgemeinde und die an diese unmittelbar angrenzenden österreichischen Gemeinden, die von wesentlichen negativen Auswirkungen des Vorhabens auf die Umwelt betroffen sein können, haben im Genehmigungsverfahren und im Verfahren nach § 20 Parteistellung. Sie sind berechtigt, die Einhaltung von Rechtsvorschriften, die dem Schutz der Umwelt oder der von ihnen wahrzunehmenden öffentlichen Interessen dienen, als subjektives Recht im Verfahren geltend zu machen, Rechtsmittel zu ergreifen und Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder den Verfassungsgerichtshof zu erheben. Die Parteistellung und Beschwerdebefugnis des wasserwirtschaftlichen Planungsorgans dient der Wahrnehmung wasserwirtschaftlicher Interessen.

..."

§ 3 Abs. 7 UVP-G regelt die Parteistellung in einem Feststellungsverfahren betreffend das Erfordernis einer Umweltverträglichkeitsprüfung, während § 19 Abs. 3 UVP-G eine solche Regelung für Genehmigungsverfahren nach dem UVP-G und Abnahmeprüfungsverfahren gemäß § 20 leg. cit. trifft. Während in § 19 Abs. 3 UVP-G für die Standortgemeinde auch die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof bzw. Verfassungsgerichtshof ausdrücklich vorgesehen ist, räumt § 3 Abs. 7 leg. cit. diese Berechtigung im Feststellungsverfahren nicht ein. Aus der letztgenannten Bestimmung ergibt sich vielmehr, dass der Standortgemeinde - und einer "mitwirkenden Behörde" - im Feststellungsverfahren nur die Stellung einer Formalpartei zukommt (vgl. das hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 2003, Zl. 2003/03/0087, mwN).

Die geltend gemachten Umstände, dass das wasserwirtschaftliche Planungsorgan im Feststellungsverfahren nur anzuhören ist und dass gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G auch festzustellen ist, welcher Tatbestand des Anhanges 1 oder des § 3a Abs. 1 bis 3 durch das Vorhaben verwirklicht wird, können zu keiner anderen Sichtweise führen. Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann weder aus den Bestimmungen des UVP-G in ihrem Zusammenhang noch aus Art. 11 Abs. 7 B-VG abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführerin im Feststellungsverfahren gemäß § 3 Abs. 7 UVP-G eine über die Stellung als Formalpartei hinausgehende Rechtsstellung zukommt.

Die Begründung der Parteistellung durch Gesetz vermittelt aber für sich allein nicht die Berechtigung zur Erhebung einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG an den Verwaltungsgerichtshof. Voraussetzung für die Erhebung einer Beschwerde nach dieser Bestimmung ist grundsätzlich die Möglichkeit, dass die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in einem subjektiven Recht berührt wird und damit in einem solchen Recht verletzt sein kann. Vor allem sogenannten Amts- oder Formalparteien, denen die Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren ausdrücklich gesetzlich eingeräumt sein muss, kommt nicht ohne weiteres die Beschwerdeberechtigung zu. Ihre Aufgabe im Verwaltungsverfahren ist es nicht, eigene subjektive Rechte zu vertreten, sondern die Wahrung der objektiven Rechtmäßigkeit des das Verfahren abschließenden Bescheides bzw. die Wahrnehmung bestimmter öffentlicher Interessen in diesem Zusammenhang. Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss eines verstärkten Senats vom 2. Juli 1981, Slg. NF. Nr. 10.511/A, ausgesprochen hat, können Beschwerden nach Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG grundsätzlich nur unter Berufung auf eine eigene, gegen den Staat als Träger der Hoheitsgewalt gerichtete Interessenssphäre des Beschwerdeführers erhoben werden. Fehlt es an der Behauptung, in der eigenen Interessenssphäre verletzt zu sein, oder überhaupt an der Möglichkeit einer derartigen Verletzung, dann bedarf es zur Beschwerdeerhebung, außer in den bundesverfassungsgesetzlich vorgesehenen Fällen (vgl. insbesondere Art. 131 Abs. 1 Z. 2 und Z. 3 B-VG), einer ausdrücklichen gesetzlichen Ermächtigung. Der Verwaltungsgerichtshof hat in Fällen, in denen einer Organpartei keine eigene, gegen den Staat gerichtete Interessenssphäre zukam, dieser aber insoweit die Beschwerdelegitimation zuerkannt, als es zur Durchsetzung der aus der Parteistellung folgenden prozessualen Befugnisse erforderlich ist. Nur die sich aus einer ausdrücklich eingeräumten Parteistellung ergebenden prozessualen Rechte (u.a. Recht auf Bescheid, auf Akteneinsicht, auf Berufung, auf Parteiengehör, auf Ladung zur öffentlichen Verhandlung) stellen danach subjektive öffentliche Rechte der Organpartei dar, deren Verletzung in einer Beschwerde gemäß Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG geltend gemacht werden kann (vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 30. Juni 1999, Zl. 97/04/0230, dem die Beschwerde einer dem Verfahren nicht beigezogenen Organpartei zu Grunde lag, mit ausführlichen weiteren Nachweisen).

Eine Verletzung in den dargestellten prozessualen Rechten wird aber mit der vorliegenden Beschwerde nicht geltend gemacht. Als Beschwerdepunkt macht die Beschwerdeführerin zwar u.a. geltend, im "Recht auf gesetzliches Parteiengehör, welches auch das Recht auf Gehör/Eingehen auf entscheidungsrelevantes Vorbringen betrifft" verletzt worden zu sein, dazu führt sie in den Beschwerdegründen jedoch nur aus, dass das von ihr als Partei erstattete Vorbringen von der belangten Behörde nicht ausreichend berücksichtigt worden sei. Sie bringt hingegen nicht konkret vor, dass ihr keine Gelegenheit geboten worden sei, zu den Beweisergebnissen, insbesondere zu den bereits von der Erstbehörde eingeholten Sachverständigengutachten (auf die die belangte Behörde u.a. ihre Feststellung über die "Vorbelastung durch Lärm" gestützt hat), Stellung zu nehmen.

Die Beschwerde war daher mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG - in einem gemäß § 12 Abs. 3 leg. cit. gebildeten Senat - zurückzuweisen.

Wien, am 24. März 2004

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