VwGH 2003/21/0209

VwGH2003/21/020926.2.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Robl, Dr. Pelant, Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, in der Beschwerdesache des S, vertreten durch Dr. Michael Bereis, Rechtsanwalt in 1050 Wien, Pilgramgasse 22/7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 2. September 2003, Zl. Fr 2820/03, betreffend Ausweisung, den Beschluss gefasst:

Normen

11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
61999CJ0459 MRAX VORAB;
AVG §38;
EURallg;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §62 Abs1;
11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
61999CJ0459 MRAX VORAB;
AVG §38;
EURallg;
FrG 1997 §49 Abs1;
VwGG §62 Abs1;

 

Spruch:

Das Beschwerdeverfahren wird bis zur Vorabentscheidung des in den hg. Beschwerdesachen Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.

Begründung

Mit dem beim Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 2. September 2003 wurde der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer (nach Ausweis des in den Verwaltungsakten befindlichen Rückscheines) am 18. November 2003 zugestellt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof brachte der Beschwerdeführer vor, er sei (schon) seit 29. September 2003 mit einer österreichischen Staatsbürgerin verheiratet. Dieser Behauptung ist die belangte Behörde, die von der Erstattung einer Gegenschrift Abstand genommen hat, nicht entgegengetreten. Die Tatsache der Verehelichung wird auch durch die vorgelegte Heiratsurkunde und die österreichische Staatsangehörigkeit der Ehefrau des Beschwerdeführers durch eine Auskunft der Niederlassungsbehörde bestätigt.

Mit hg. Beschluss vom 18. März 2003, Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 (EU 2003/0001 und 0002), wurde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (unter anderem) folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:

"Sind die Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (RL), dahin auszulegen, dass die Verwaltungsbehörden - ungeachtet des Bestehens eines innerbehördlichen Instanzenzuges - die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ohne Erhalt der Stellungnahme einer (in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen) zuständigen Stelle nach Art. 9 Abs. 1 der RL - außer in dringenden Fällen - dann nicht treffen dürfen, wenn gegen ihre Entscheidung bloß die Erhebung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit nachgenannten Einschränkungen zulässig ist: Diesen Beschwerden kommt nicht von vornherein eine aufschiebende Wirkung zu, den Gerichtshöfen ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung verwehrt und sie können den angefochtenen Bescheid nur aufheben; weiters ist der eine Gerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) im Bereich der Tatsachenfeststellungen auf eine Schlüssigkeitsprüfung, der andere Gerichtshof (Verfassungsgerichtshof) darüber hinaus auf die Prüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschränkt?"

Aufgrund seiner im Bescheiderlassungszeitpunkt bereits geschlossen gewesenen Ehe mit einer österreichischen Staatsangehörigen - die Geltendmachung dieses (bezogen auf die Einhaltung der erwähnten Rechtsschutzgarantien der RL verfahrensrechtlich relevanten und von Amts wegen zu beachtenden) Umstandes unterliegt nicht dem Neuerungsverbot im verwaltungsgerichtlichen Verfahren - gelten für den Beschwerdeführer nach § 49 Abs. 1 FrG grundsätzlich die Bestimmungen für "begünstigte Drittstaatsangehörige". Ausgehend von der mit der genannten Regelung zum Ausdruck gebrachten Absicht des Gesetzgebers, Angehörige von Österreichern und Angehörige von EWR-Bürgern, die Staatsangehörige eines Drittstaates sind, gleich zu behandeln, bildet die wiedergegebene Frage auch im gegenständlichen Fall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären und sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist (zur Anwendbarkeit der Art. 8 und 9 der RL auf "begünstigte Drittstaatsangehörige" siehe das Urteil des EuGH vom 25. Juli 2002, Rechtssache C-459/99 , "MRAX", Randnr. 101 ff).

Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Verfahrens vorzugehen war (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/21/0164).

Wien, am 26. Februar 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte