VwGH 2003/18/0274

VwGH2003/18/027431.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des R, geboren 1975, vertreten durch Advokatur Draxl & Kornberger, 6176 Völs, Gießenweg 1, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 14. August 2003, Zl. 137.156/2-III/4/03, betreffend Versagung einer Niederlassungsbewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwRallg;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
FrG 1997 §8 Abs4;
EMRK Art8;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit Bescheid vom 14. August 2003 hat der Bundesminister für Inneres (die belangte Behörde) - als Berufungsbehörde gegenüber der im Devolutionsweg zuständig gewordenen Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol - den Antrag des Beschwerdeführers, eines türkischen Staatsangehörigen, vom 23. März 2001 auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft mit Österreicher" gemäß § 49 Abs. 1, § 47 Abs. 2 und § 8 Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei am 29. Dezember 2000 mit einem von 22. Dezember 2000 bis 21. März 2001 gültigen Visum C nach Deutschland gereist und in der Folge in Österreich eingereist. Am 22. Jänner 2001 habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet. Am 20. Februar 2001 sei er aus der gemeinsamen Wohnung ausgezogen. Seine Gattin habe am 12. August 2002 eine Scheidungsklage erhoben. Die Gattin habe nach ihren eigenen Angaben kein Interesse an der Fortführung der Ehe.

In seiner Berufung habe der Beschwerdeführer im Wesentlichen ausgeführt, dass er sich um die Versöhnung mit seiner Gattin bemühen würde und seine Ehe trotz des Scheidungsverfahrens noch Zukunft hätte.

Fest stehe, dass der Beschwerdeführer den gegenständlichen Antrag zwei Monate nach der Trennung von seiner Ehegattin gestellt habe. Seine Gattin habe kein Interesse, die Ehe weiterzuführen. Auf Grund dieses Sachverhalts bestehe kein gemeinsames Familienleben, weshalb sich der Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 FrG für die Erteilung des angestrebten Aufenthaltstitels nicht auf die Ehe berufen könne. Die Bestimmungen des FrG für begünstigte Drittstaatsangehörige seien daher nicht auf den Beschwerdeführer anwendbar.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 47 Abs. 2 iVm § 49 Abs. 1 und § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG genießen Gatten von österreichischen Staatsbürgern Niederlassungsfreiheit; ihnen ist eine Niederlassungsbewilligung auszustellen, wenn ihr Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet. Sie können Anträge auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung im Inland stellen.

Nach der hg. Judikatur schränkt § 8 Abs. 4 FrG in Bezug auf die Erteilung von Aufenthaltstiteln die Sonderbestimmungen für Angehörige von EWR-Bürgern und Österreichern dahin ein, dass Ehegatten, die ein gemeinsames Familienleben im Sinn des Art. 8 EMRK nicht führen, sich für die Erteilung und Beibehaltung von Aufenthaltstiteln nicht auf die Ehe berufen dürfen (vgl. das Erkenntnis vom 24. April 2002, Zlen. 2002/18/0039, 0040).

2.1. Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde die Ansicht vertreten, die Sonderbestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige seien (schon deshalb) auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden, weil er mit seiner österreichischen Gattin nicht mehr zusammen wohne und die Gattin kein Interesse an der Weiterführung der Ehe habe.

2.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 24. November 2000, Zl. 2000/19/0126, ausgeführt, aus § 8 Abs. 4 FrG gehe nicht hervor, dass ein gemeinsames Familienleben im Sinn dieser Bestimmung nur dann vorliege, wenn ein gemeinsamer Haushalt geführt werde oder ein gemeinsamer Wohnsitz existiere. Auch eine Erfolgsvoraussetzung des Vorliegens einer Absicht des Fremden, einen gemeinsamen Haushalt zu begründen, sei § 8 Abs. 4 FrG nicht zu entnehmen. Diese Bestimmung stelle auf die Verhinderung von Scheinehen ab und beabsichtigte, solche Ehen, die nur zur Erlangung fremdenrechtlicher oder ausländerbeschäftigungsrechtlicher Vorteile geschlossen worden seien, als Grundlage für die Erteilung eines Aufenthaltstitels auszuschließen. Letzteres könnte auch für Ehen gelten, in denen die Absicht des Antragstellers auf das Führen eines gemeinsamen Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK zwar im Zeitpunkt der Eheschließung gegeben gewesen sei, jedoch in der Folge weggefallen sei, ohne dass die Ehe aufgelöst worden wäre. Alle anderen Ehen sollten demgegenüber unter den Schutz der zur niederlassungsrechtlichen Umsetzung des Art. 8 EMRK geschaffenen Normen des FrG, also auch des § 49 Abs. 1 leg. cit., fallen.

2.3. Vor dem Hintergrund dieser Judikatur wären die Sonderbestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige nur dann auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden, wenn er die Ehe nur zum Schein geschlossen hätte oder seine im Zeitpunkt der Eheschließung zunächst gegebene Absicht, ein gemeinsames Familienleben zu führen, nachträglich weggefallen wäre.

Derartiges hat die belangte Behörde jedoch nicht festgestellt. Insbesondere hat sie nicht festgestellt, dass der Beschwerdeführer - entgegen seinem Vorbringen im Verwaltungsverfahren - nicht die Absicht habe, mit seiner Gattin (wieder) ein gemeinsames Familienleben zu führen. Die belangte Behörde hat vielmehr lediglich festgestellt, dass die Gattin eine derartige Absicht nicht mehr habe.

3. Da die Ansicht der belangten Behörde, die Sonderbestimmungen für begünstigte Drittstaatsangehörige seien auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden, daher auf einer Verkennung der Rechtslage beruht, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf den §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 31. März 2004

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte