VwGH 2003/11/0209

VwGH2003/11/020927.2.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Pallitsch, Dr. Schick und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des M in G, vertreten durch Mag. Wolfgang Jantscher, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 5. Juni 2003, Zl. UVS 42.8-1/2003-17, betreffend Einschränkung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §14;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;
FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §3 Abs1 Z3;
FSG-GV 1997 §14;
VwGG §42 Abs2 Z3 litb;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach einer Anzeige der kriminalpolizeilichen Abteilung der Bundespolizeidirektion Graz vom 19. August 2002, wonach der Beschwerdeführer am 31. Juli 2002 Cannabiskraut in Form von Joints konsumiert habe und suchtgiftabhängig sei, leitete die Bundespolizeidirektion Graz am 29. September 2002 ein Verfahren zur Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers ein.

Gestützt auf einen gerichtsärztlichen Befund vom 11. Oktober 2002, demzufolge eine Untersuchung am 10. Oktober 2002 gewonnenen Harns des Beschwerdeführers ein positives Ergebnis auf Cannabinoide ergeben habe, hielt der ärztliche Sachverständige der Bundespolizeidirektion Graz den Beschwerdeführer in seinem Gutachten vom 5. November 2002 zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht geeignet.

Mit Bescheid vom 15. Jänner 2003 entzog daraufhin die Bundespolizeidirektion Graz dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 des Führerscheingesetzes (FSG) die Lenkberechtigung der Klassen AL und B mangels der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen und sprach gleichzeitig gemäß § 25 Abs. 2 FSG aus, dass dem Beschwerdeführer vor Wiedererlangung der gesundheitlichen Eignung keine neue Lenkberechtigung erteilt werden dürfe. Unter einem wurde die aufschiebende Wirkung einer allfälligen Berufung gemäß § 64 Abs. 2 AVG ausgeschlossen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er insbesondere vorbrachte, dass sich aus dem gesamten Akteninhalt kein einziger Anhaltspunkt für seine Suchtmittelabhängigkeit ergebe. Er sei auch nicht zu seinem vermeintlichen Suchtgiftkonsum geständig gewesen. Zwar seien anlässlich eines gerichtlichen Exekutionsvollzuges am 31. Juli 2002 bei ihm Hanfpflanzen vorgefunden worden, welche er angebaut habe, um sie weiterzugeben. Er selbst habe aber kein Cannabis geraucht. Die Erstbehörde sei auf die von ihm vorgelegte Stellungnahme Dris. S vom 25. November 2002, wonach bei einer Untersuchung am selben Tag kein Rauschgiftkonsum habe festgestellt werden können, nicht eingegangen.

Über Ersuchen des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark (UVS) erstattete Dr. W. von der Fachabteilung 8B des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung ein ärztliches Gutachten über die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen. In ihrer Zusammenfassung führte die ärztliche Sachverständige aus, zum behaupteten (bloßen) Schnelltest am Institut für Gerichtsmedizin (gemeint: die oben erwähnte Harnuntersuchung am 10. Oktober 2002) sei zu sagen, dass dort mit Sicherheit kein solcher gemacht worden sei und dem Beschwerdeführer auch keinerlei Ergebnisse, wie oben behauptet, mitgeteilt worden seien. Für die ärztliche Sachverständige sei der oben genannte Harntest definitiv als positiv hinsichtlich Cannabinoide zu bewerten. Wenn der Beschwerdeführer der Meinung sei, es hätte eine Referenzanalyse gemacht werden müssen, so habe es ihm jederzeit frei gestanden, diese machen zu lassen und das Ergebnis der Behörde zu übermitteln. Wenn schon der Polizeiärztin die Kompetenz abgesprochen werde, so stelle sich die Frage, wodurch ein Arzt für Allgemeinmedizin befähigt sein sollte festzustellen, dass dezidiert kein Rauschgiftkonsum vorliege. Ein einziger, handschriftlicher Satz sei wohl keinesfalls geeignet, ein Fachgutachten zu ersetzen. Bei der Untersuchung am 24. April 2003 habe zwar keine Beeinträchtigung festgestellt werden können, doch habe es der Beschwerdeführer abgelehnt, einen aktuellen Harntest beizubringen. Es liege derzeit kein Befund vor, der Auskunft über das aktuelle Konsumverhalten gebe. Allerdings sei der Beschwerdeführer mittlerweile beruflich wieder integriert und zeige auch die nötige Einsicht betreffend seiner Vorgeschichte. Nach telefonischer Übereinkunft mit dem zuständigen

Mitglied des UVS werde Folgendes vorgeschlagen:

"Herr W(...) ist zum Lenken von Kfz der Klassen A und B

befristet geeignet

Auflagen:

  1. 1) Nachuntersuchung beim Amts- Polizeiarzt in einem Jahr
  2. 2) Vorlage von Harnuntersuchungen im Abstand von 3 Monaten viermal ab Erlassung des Bescheides am Institut für Gerichtsmedizin auf Cannabinoide, Kokain, Opiate, Benzodiazepine und Amphetamine."

    In der Begründung führte der UVS aus, der Beschwerdeführer sei Inhaber der Lenkberechtigung für die Klassen AL und B vom 31. Oktober 1991. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens, des Inhalts der Berufung, der Wiedergabe einschlägiger Rechtsvorschriften sowie des Inhalts des Sachverständigengutachtens Dris. W. führte der UVS aus, § 14 Abs. 5 FSG-GV biete selbst bei gehäuftem Suchtmittelmissbrauch keine Grundlage für die Befristung einer Lenkberechtigung. Die Behörde dürfe nach § 14 Abs. 5 FSG-GV die Lenkberechtigung nicht befristen, sondern nur unter Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen gemäß dieser Verordnungsstelle "wieder bzw. erteilen". Die Vorschreibung einer Nachuntersuchung beim Amts-Polizeiarzt binnen Jahresfrist verbunden mit der dreimonatigen Vorlage eines entsprechenden Harnbefundes sei jedoch erforderlich, um überprüfen zu können, ob der Beschwerdeführer weiterhin auf Suchtgift verzichte und im Falle von Frust oder ähnlichem nicht - mehr - Suchtgift als Problemlöser heranziehe, sondern andere Problemlösungsstrategien entwickelt habe und es sohin für die Zukunft in einem ausreichendem Ausmaß gewährleistet erscheine, dass bei ihm die notwendige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit angenommen werden könne und er sohin als verkehrszuverlässig anzusehen sein werde. Eine mögliche Suchtgiftabhängigkeit bzw. eine mangelnde Kontrolle bei der Konsumation von Suchtgiften sei ein rein medizinisch zu beurteilendes Problem, sodass ungeachtet der Harnuntersuchungen lediglich ein hiezu berufener Arzt nach einer durchgeführten Untersuchung und eingehender Befragung des Probanden dies beurteilen könne.

    Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

    Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. In Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 23. Juni 2003) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 129/2002 maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die :

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z. 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

  1. 1. die Lenkberechtigung zu entziehen, oder
  2. 2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

    ..."

1.2. Die einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV lauten in der Fassung der Novelle BGBl. II Nr. 427/2002 (auszugsweise):

"Alkohol, Sucht- und Arzneimittel

§ 14. (1) Personen, die von Alkohol, einem Sucht- oder Arzneimittel abhängig sind oder den Konsum dieser Mittel nicht soweit einschränken können, dass sie beim Lenken eines Kraftfahrzeuges nicht beeinträchtigt sind, darf, so weit nicht Abs. 4 anzuwenden ist, eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden. Personen, bei denen der Verdacht einer Alkohol-, Suchtmittel- oder Arzneimittelabhängigkeit besteht, haben eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme beizubringen.

...

(3) Personen, die ohne abhängig zu sein in einem durch Sucht- oder Arzneimittel beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt haben, darf eine Lenkberechtigung weder erteilt noch belassen werden, es sei denn, sie haben ihre Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische und eine fachärztliche Stellungnahme nachgewiesen.

...

(5) Personen, die alkohol-, suchtmittel- oder arzneimittelabhängig waren oder damit gehäuften Missbrauch begangen haben, ist nach einer befürwortenden fachärztlichen Stellungnahme und unter der Auflage ärztlicher Kontrolluntersuchungen eine Lenkberechtigung der Gruppe 1 zu erteilen oder wieder zu erteilen."

2.1. Vorauszuschicken ist zunächst, dass der erstbehördliche Bescheid vom 15. Jänner 2003 unzweifelhaft eine Entziehung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung (gemeint auf die Dauer der gesundheitlichen Nichteignung) zum Inhalt hatte. Vor diesem Hintergrund und angesichts des Umstands, dass im Zweifel nicht angenommen werden kann, dass die belangte Behörde mit dem Spruch des angefochtenen Bescheides über die Sache des Berufungsverfahrens hinaus gehen wollte, ist der sich als Stattgebung der Berufung verstehende Spruch des angefochtenen Bescheides, wie auch die Erwähnung des § 24 Abs. 1 Z. 2 FSG zeigt, so zu verstehen, dass die belangte Behörde anstelle einer Entziehung der Lenkberechtigung eine Einschränkung derselben durch Vorschreibung von zwei Auflagen ausgesprochen hat. Die Stattgebung bezieht sich allerdings nur auf die Lenkberechtigung für die Klasse B, woraus e contrario zu schließen ist, dass die belangte Behörde den Ausspruch der Erstbehörde hinsichtlich der Klasse AL - im Sinne einer Abweisung - bestätigt hat.

2.2. Die Beschwerde ist begründet:

Der angefochtene Bescheid enthält weder Feststellungen zu einer Suchtmittelabhängigkeit des Beschwerdeführers noch zu einer früheren Abhängigkeit noch zu einem früheren gehäuften Missbrauch von Suchtmitteln. Solche Feststellungen sind auch dem von der belangten Behörde dem angefochtenen Bescheid zugrunde gelegten amtsärztlichen Sachverständigengutachten Dris. W. vom 24. April 2003 nicht zu entnehmen. Schon aus diesen Erwägungen ist nicht nachvollziehbar, wie eine Einschränkung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klasse B in dem von der belangten Behörde umschriebenen Umfang auf § 14 FSG-GV gestützt werden sollte. In diesem Zusammenhang ist erneut darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2002/11/0209, mwN) ein nur gelegentlicher Konsum von Cannabis die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen nicht beeinträchtigt. Hinsichtlich der von der belangten Behörde gar nicht erwähnten Lenkberechtigung für die Klasse AL enthält der angefochtene Bescheid nicht einmal ansatzweise eine Begründung.

Der angefochtene Bescheid war aus diesen Erwägungen zur Gänze gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c aufzuheben.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des gestellten Begehrens - auf §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 27. Februar 2004

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