VwGH 2003/06/0084

VwGH2003/06/008430.3.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde der A GmbH in I, vertreten durch Tramposch & Partner, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Franz-Fischer-Straße 17a, gegen den Bescheid des Stadtsenates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 8. April 2003, Zl. II-AL- 0045e/2003, betreffend die Untersagung des Aufstellens von Werbetafeln, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 1998 §45 Abs3;
LStG Tir 1989 §49 idF 2002/068;
BauO Tir 1998 §45 Abs3;
LStG Tir 1989 §49 idF 2002/068;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Landeshauptstadt Innsbruck hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bauanzeige vom 30. April 2001 (eingelangt am 2. Mai 2001) zeigte die Beschwerdeführerin die beabsichtigte Errichtung von insgesamt fünf Werbetafeln in Innsbruck in der E-Straße an. Beigelegt wurde unter anderem eine Zustimmungserklärung der österreichischen Bundesbahnen als Eigentümerin des Grundstückes, auf welchem die Tafeln aufgestellt werden sollten.

In einer behördeninternen Stellungnahme des "Stadtplanungsamtes" vom 17. Mai 2001 heißt es, das Grundstück sei gemäß dem "Plan" Nr. 80/ej (in Kraft seit 17. Dezember 1980) als Bahngrund gekennzeichnet "(= Widmung als Freiland)". Es gebe keinen Bebauungsplan. Der Stellungnahme ist weiters zu entnehmen, dass es sich bei der E-Straße um eine Landesstraße handelt.

Weiters heißt es, die Tafeln sollten laut telefonischer Auskunft direkt auf die ca. 2 m hohe Stützmauer der Bahnböschung aufgesetzt werden. Der Maschendrahtzaun werde in die Konstruktion integriert. Der Standort liege an einer imageprägenden Stadtein- und -ausfahrt mit gestalterisch hochwertigen Gebäuden auf der gegenüberliegenden Straßenseite (es folgen Beispiele). Er entspreche nicht "den vorgesehenen Standorten der Plakatwändestudie für diese Tafelgröße". Die Böschung sei als ununterbrochener Grünzug im Orts- und Straßenbild deutlich wahrnehmbar und präge dessen Qualität entscheidend. Durch die Anordnung der Tafeln werde dieser Grünzug optisch in Teile zerlegt und unterbrochen. Aus den genannten Gründen stimme die Stadtplanung diesem Ansuchen nicht zu.

Es sei für den gleich gelagerten Fall eines näher bezeichneten Unternehmens ein Ortsbildgutachten erstellt worden, welches diesem Akt beigeschlossen sei.

Hierauf wurde mit dem erstinstanzlichen Bescheid vom 31. Mai 2001 (welcher den Akten zu Folge noch am selben Tag zugestellt wurde) das beabsichtigte Aufstellen der angezeigten Werbeeinrichtungen gemäß § 22 Abs. 3 der Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998) in Verbindung mit § 49 Tiroler Straßengesetz (kurz: TStG) untersagt.

Der Begründung ist zu entnehmen, dass die Behörde dabei einerseits auf Grund der Beurteilung "der Stadtplanung" vom 17. Mai 2001 zur Auffassung gelangte, dass die Tafeln im Sinne des § 16 Abs. 3 TBO 1998 das Orts- und Straßenbild beeinträchtigen würden. Überdies heißt es, nach § 49 TStG gelte für die Abstände baulicher Anlagen von den Straßen im Bereich des Baulandes sowie der Sonderflächen und Vorbehaltsflächen, für die ein Bebauungsplan bestehe, die Tiroler Bauordnung. Außerhalb dieses Bereiches müssten nach § 49 Abs. 2 lit. a bzw. Abs. 3 TStG oberirdische bauliche Anlagen mit Ausnahme der Einfriedungen von Landesstraßen mindestens 10 m, von den übrigen Straßen mindestens 5 m entfernt sein. Da die E-Straße im Bereich des beabsichtigten Aufstellungsortes (südlich der Straße) "bebauungsplanmäßig nicht erfasst" sei, finde "die vorgeschriebene Gesetzesstelle auf den Anlassfall Anwendung", womit die geplanten Werbeeinrichtungen den gesetzlich vorgesehenen Mindestabstand zum Straßengrund nicht einhielten. Das Vorhaben sei daher auch aus diesem Grund zu untersagen gewesen.

Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung, in welcher sie die Unrichtigkeit der Stellungnahme vom 17. Mai 2001 behauptete und in weiterer Folge ein von ihr in Auftrag gegebenes Privatgutachten (zur Stützung ihres Standpunktes) vorlegte.

Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde die Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG iVm § 22 Abs. 3 und § 45 Abs. 3 TBO 2001 und § 49 Abs. 1 bis 3 TStG als unbegründet abgewiesen und die bekämpfte erstinstanzliche Entscheidung bestätigt.

Nach Hinweis auf die erstinstanzliche Entscheidung und Wiedergabe der Berufung und Rechtsausführungen wurde die Entscheidung damit begründet, im Beschwerdefall lägen einerseits das von der Beschwerdeführerin vorgelegte Privatgutachten, wie auch ein Gutachten des Amtssachverständigen des Stadtplanungsamtes vom 17. Mai 2001 sowie desselben Amtes vom 9. Jänner 2001 vor, die sich in der Befundaufnahme weitestgehend inhaltlich deckten, jedoch zu diametral entgegengesetzten Schlussfolgerungen kämen. Nach Ausführungen zum Inhalt des Gutachtens vom 9. Jänner 2000 (welchen zu entnehmen ist, dass diesem - nicht aktenkundigen - Gutachten eine Fotodokumentation angeschlossen sein soll), gelangte die Behörde zusammengefasst zum Ergebnis, die Beschwerdeführerin könne mit dem Privatgutachten die sachlich begründeten und schlüssigen Darlegungen im Gutachten vom 9. Jänner "2001" (richtig wohl: 2000) nicht auf gleicher fachlicher Ebene entkräften, sodass sich die belangte Behörde dem Amtsgutachten anschließe. Es sei daher davon auszugehen, dass durch das Vorhaben das Orts- und Straßenbild erheblich nachteilig beeinträchtigt wäre.

Unabhängig davon stehe (auf Grund der Stellungnahme vom 17. Mai 2001) fest, dass im maßgeblichen Flächenwidmungsplan das Areal als Bahngrund in der Widmung "Freiland" ausgewiesen sei sowie ein Bebauungsplan, in welchem allenfalls Abstände zur Straße geregelt sein könnten, für den fraglichen Bereich nicht bestehe. Damit hielten die Plakattafeln an ihrem vorgesehenen Standort nicht den nach § 49 TStG erforderlichen Abstand zur Straße ein. Auch aus diesem Grund sei das Vorhaben zu untersagen gewesen.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Zum Zeitpunkt der Einbringung der Bauanzeige galt die Tiroler Bauordnung 1998 (TBO 1998), LGBl. Nr. 15 in der Fassung LGBl. Nr. 79/2000.

§ 45 TBO 1998 lautete damals auszugsweise (Stammfassung):

"§ 45

Werbeeinrichtungen, Zulässigkeit und Verfahren

(1) Die Errichtung, Aufstellung und Änderung von frei stehenden Werbeeinrichtungen innerhalb geschlossener Ortschaften ist der Behörde schriftlich anzuzeigen. Der Anzeige sind die Unterlagen nach § 21 Abs. 2 lit. a, ein Lageplan, eine Beschreibung der technischen Ausführung und eine planliche Darstellung der betreffenden Werbeeinrichtung in zweifacher Ausfertigung anzuschließen. § 22 Abs. 2 zweiter und dritter Satz gilt sinngemäß.

(2) ...

(3) Die Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer anzeigepflichtigen Werbeeinrichtung ist unzulässig, wenn durch die Materialbeschaffenheit, Größe, Form, Farbe oder Lichtwirkung der Werbeeinrichtung das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigt würde.

(4) Die Behörde hat die angezeigte Errichtung, Aufstellung oder Änderung einer Werbeeinrichtung zu prüfen. Ergibt sich dabei, dass das angezeigte Vorhaben nach Abs. 3 unzulässig ist, so hat die Behörde dessen Ausführung innerhalb eines Monats nach Vorliegen der vollständigen Anzeige mit schriftlichem Bescheid zu untersagen. Sind zur Wahrung der nach Abs. 3 geschützten Interessen Auflagen, Bedingungen oder eine Befristung notwendig, so hat die Behörde innerhalb derselben Frist die Zustimmung zur Ausführung des angezeigten Vorhabens mit schriftlichem Bescheid unter entsprechenden Auflagen oder Bedingungen zu erteilen.

(5) Wird die Ausführung des angezeigten Vorhabens nicht innerhalb der im Abs. 4 zweiter Satz genannten Frist untersagt oder stimmt die Behörde der Ausführung des angezeigten Vorhabens ausdrücklich zu, so darf es ausgeführt werden. In diesen Fällen hat die Behörde dem zur Ausführung des Vorhabens Berechtigten eine mit einem entsprechenden Vermerk versehene Ausfertigung der eingereichten Unterlagen auszuhändigen.

(6) Im Übrigen gelten § 29 Abs. 1 erster Satz, § 31, § 32 Abs. 1 und 2, § 38 Abs. 1 zweiter Satz, 2, 4 und 5 sowie § 39 Abs. 2 sinngemäß."

§ 22 Abs. 2 TBO 1998 lautete damals (Stammfassung):

"(2) Der Bauanzeige sind die Planunterlagen (§ 23) in zweifacher Ausfertigung anzuschließen. Ist die Bauanzeige unvollständig, so hat die Behörde dem Bauwerber unter Setzung einer höchstens zweiwöchigen Frist die Behebung dieses Mangels aufzutragen. Wird diesem Auftrag nicht entsprochen, so ist die Bauanzeige mit schriftlichem Bescheid zurückzuweisen."

Mit 1. Juni 2001 trat die im Beschwerdefall nicht relevante Novelle LGBl. Nr. 42/2001 in Kraft.

Mit 1. Oktober 2001 trat die 4. Bauordnungsnovelle, LGBl. Nr. 74/2001, in Kraft. Nach Art. II Abs. 3 dieser Novelle sind zum Zeitpunkt des In-Kraft-Tretens der Novelle anhängige Verfahren (ua.) auf Grund von Bauanzeigen (mit im Beschwerdefall nicht relevanten Ausnahmen) nach den bisherigen Vorschriften weiterzuführen, im Beschwerdefall daher gemäß § 45 TBO 1998 in der Stammfassung (und nicht gemäß § 45 TBO 2001, wie im angefochtenen Bescheid irrig zitiert).

§ 49 des Tiroler Straßengesetzes, LGBl. Nr 13/1989, trifft nähere Regelungen zu baulichen Anlagen an Straßen (im Beschwerdefall zunächst in der Fassung gemäß LGBl. Nr. 8/1998, im Zuge des Berufungsverfahrens geändert durch die Novelle LGBl. Nr. 68/2002).

Die belangte Behörde hat die Unzulässigkeit des Vorhabens zunächst damit begründet, dass das Vorhaben das Orts- oder Straßenbild erheblich beeinträchtigen würde, und hat sich dabei maßgeblich auf ein Gutachten vom 9. Jänner 2000 gestützt. Abgesehen davon, dass dieses Gutachten den vorgelegten (ungeordneten) Verwaltungsakten nicht angeschlossen ist, verweist die Beschwerdeführerin zutreffend darauf, dass ihr dieses Gutachten im Verwaltungsverfahren nie zur Kenntnis gebracht wurde, sie somit keine Gelegenheit hatte, dazu Stellung zu nehmen (das gilt im Übrigen gleichermaßen für das in der Gegenschrift genannte, zwar aktenkundige Gutachten vom 14. November 2002, welches aber dem angefochtenen Bescheid nicht zugrundegelegt wurde), wie die Beschwerdeführerin zutreffend rügt. Diese Unterlassung stellt einen wesentlichen Verfahrensmangel (im Sinne des § 42 Abs. 2 Z 3 lit.c VwGG) dar, sodass sich die belangte Behörde nicht mit Erfolg auf diese Argumentation zur Versagung des Vorhabens stützen konnte.

Die belangte Behörde hat allerdings (ebenso wie die erstinstanzliche Behörde) die Unzulässigkeit des Vorhabens auch damit begründet, dass es die nach § 49 TStG erforderlichen Abstände zu dieser Straße (Landesstraße) nicht einhalte. Sie hat dabei aber verkannt, dass nach § 45 Abs. 3 TBO 1998 im Anzeigeverfahren die Übereinstimmung des Vorhabens mit straßenrechtlichen Vorschriften nicht zu prüfen ist (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2003/06/0061). Die allfällige Unzulässigkeit des Vorhabens aus straßenrechtlicher Sicht vermag daher eine Untersagung der Bauanzeige nicht zu begründen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 30. März 2004

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