VwGH 2003/05/0020

VwGH2003/05/002027.4.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail, Dr. Pallitsch, Dr. Waldstätten und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde 1. der Elfriede Glattau und 2. des Dkfm. Walter Glattau, beide in Wien, beide vertreten durch Dr. Franz Terp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Bösendorferstraße 7, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 4. Dezember 2002, Zl. BOB - 233/02, betreffend Versagung einer Baubewilligung, zu Recht erkannt:

Normen

BauO Wr §71;
BauRallg;
BauO Wr §71;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführer haben je zur Hälfte der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführer beantragten mit Schreiben vom 27. Juni 1998 die nachträgliche Baubewilligung gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) auf jederzeitigen Widerruf für das auf der Liegenschaft in 1190 Wien, Langackergasse 29, errichtete Einfamilienhaus.

Aus den Verwaltungsakten geht hervor, dass die Beschwerdeführer mit Schreiben vom 26. April 1999 für die gegenständliche Baulichkeit außerdem gemäß § 71 BO eine auf ein Jahr befristete Baubewilligung beantragten. Der bestehende Antrag auf Widerrufsbewilligung wurde gleichzeitig aufrecht erhalten.

Mit erstinstanzlichem Bescheid des Magistrats der Stadt Wien vom 25. Juli 2002 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 71 BO die nachträgliche Bewilligung für das auf Grund älterer Bescheide befristet bewilligt gewesene gegenständliche Einfamilienhaus versagt. Begründend führte die erstinstanzliche Behörde im Wesentlichen aus, dass den Beschwerdeführern bzw. deren bevollmächtigten Vertretern die Verpflichtung zur Durchführung von Abtretungen und Erwerbungen im Zuge der erforderlichen Bauplatzschaffung seit mehr als zehn Jahren bekannt sei. Die Erteilung der angestrebten Bewilligung auf jederzeitigen Widerruf wäre eine unzulässige Umgehung der BO.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer Berufung. Darin brachten sie zusammengefasst vor, dass trotz ständigem Kontakt mit den "zuständigen Behörden" MA 64 bzw. MA 69 diese, obwohl sie über alle Informationen verfügt hätten, keinen korrekten Vertragsentwurf zur Realisierung vorgelegt hätten, der es den Beschwerdeführern ermöglicht hätte, die Bauplatzschaffung gesetzeskonform abzuschließen. Die Voraussetzungen gemäß § 71 BO seien gegeben. Es liege ein temporärer Ausnahmefall vor, weil der Baugrund aus sachlichen Gegebenheiten noch nicht voll entspreche. Infolge der Abhängigkeit von anderen Behörden sei die Festsetzung einer bestimmten Dauer nicht zielführend, sondern sei die Bewilligung auf Widerruf sachgemäß, wobei ohne weiteres eine relative Fristbindung (nämlich ab dem Zeitpunkt des Vorliegens der Behördenvorleistung z.B. ein Jahr) zur Durchführung der grundbücherlichen Baulandfertigstellung fixiert werden könnte. Eine Versagung der Baubewilligung nach so vielen Jahren und aus Gründen, die nicht von den Beschwerdeführern zu vertreten seien, stelle eine unbillige Härte dar und könne nicht im Sinne der BO oder im öffentlichen Interesse liegen. Überdies lägen auch die Voraussetzungen des § 71b BO vor.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung keine Folge und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid, wobei der Spruch wie folgt präzisiert wurde:

"Gemäß § 71 der Bauordnung für Wien (BO) wird die nachträgliche Bewilligung für das zuletzt mit Bescheid vom 30. März 1998, Zahl MA 37/19 - Langackergasse 29/4315/97, befristet bis 30. April 1999 bewilligte Kleinhaus auf der im Betreff genannten Liegenschaft versagt."

Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus, dass nach der Bekanntgabe der Bebauungsbestimmungen für die verfahrensgegenständliche Liegenschaft vom 4. August 1998 die Widmung Bauland - Wohngebiet, Bauklasse I (eins) sowie die offene Bauweise festgesetzt worden seien. Daher sei eine Grundabteilung, mit der ein Bauplatz geschaffen wird, erforderlich, welche aber noch nicht durchgeführt bzw. mit Bescheid genehmigt worden sei. Zwar sei von den Beschwerdeführern um Grundabteilung zur Bauplatzschaffung bei der zuständigen Magistratsabteilung angesucht worden, jedoch hätten die Unterlagen nicht entsprochen, weil die Teilungspläne nicht die korrekten Transaktionsflächen ausgewiesen hätten. Da die Beschwerdeführer die aufgetragenen erforderlichen Korrekturen nicht veranlasst hätten, habe das Verfahren nicht abgeschlossen werden können. Die Beschwerdeführer hätten in keiner Phase des Baubewilligungsverfahrens dargelegt, weshalb ein Ausnahmefall vorliege, der die Anwendung des § 71 BO rechtfertige. Es liege nicht im öffentlichen Interesse, durch die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO den Anreiz zu vermindern, eine Grundabteilung zu beantragen bzw. beim Grundabteilungsverfahren gehörig mitzuwirken und die gewidmeten Verkehrsflächen in das öffentliche Gut zu übertragen. Auch die Sanierung eines mittlerweile konsenslosen Baubestandes - die befristete Baubewilligung sei mittlerweile abgelaufen - stelle keinen begründeten Ausnahmefall für die Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO dar. Zudem handle es sich beim gegenständlichen Kleinhaus aufgrund seiner Bauweise und seiner Nutzungsart als Einfamilienwohnhaus eindeutig um ein auf Dauer errichtetes Gebäude und somit um kein Bauwerk, das vorübergehenden Zwecken diene. Eine Bewilligung gemäß § 71 BO für ein auf Dauer ausgerichtetes Bauvorhaben sei jedoch nicht zulässig.

Gegen diesen Berufungsbescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführer beantragen, den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich durch den angefochtenen Bescheid in ihrem gesetzlich gewährleisteten subjektiven Recht auf Erteilung einer Baubewilligung gemäß § 71 BO verletzt. Begründend führen sie im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe den Sachverhalt rechtlich unrichtig beurteilt, denn gemäß § 71 BO sei die Frage nicht, ob es sich beim gegenständlichen Gebäude um ein - dies auf Grund der Nutzungsart als Einfamilienhaus - auf Dauer errichtetes Gebäude handle, sondern es sei zu prüfen, ob dieses - wenn auch auf Dauer errichtete - Gebäude nicht dauernd bestehen bleiben könne, weil es aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll der Bauordnung entspreche. Solche sachlichen Gegebenheiten lägen darin, dass aufgrund der Bebauungsbestimmungen vom 4. August 1998 eine Grundabteilung erforderlich sei, welche - zumindest bis zur Erhebung der Berufung - nicht durchgeführt bzw. mit Bescheid genehmigt worden sei, weshalb auch keine endgültige Baubewilligung erteilt werden könne. Die Beschwerdeführer hätten im Grundabteilungsverfahren gehörig mitgewirkt, lediglich die Mitwirkung der zuständigen Behörden sei unterblieben. Das Vorliegen eines Ausnahmegrundes gemäß § 71 BO sei in ausreichendem Maße dargetan worden, auch sei eine Minderung des Anreizes zur Durchführung der Grundabteilung aufgrund der vorgebrachten Initiativen der Beschwerdeführer nicht anzunehmen.

Gemäß § 71 BO kann die Behörde Bauten, die vorübergehenden Zwecken dienen oder nicht dauernd bestehen bleiben können, sei es wegen des bestimmungs- gemäßen Zweckes der Grundfläche, sei es, weil in begründeten Ausnahmefällen die Baulichkeit den Bestimmungen dieses Gesetzes aus sachlichen Gegebenheiten nicht voll entspricht, auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf bewilligen. Für sie gelten die Bestimmungen dieses Gesetzes insofern nicht, als nach Lage des Falles im Bescheid auf die Einhaltung dieser Bestimmungen verzichtet worden ist. Der Bewilligung dürfen durch dieses Gesetz gegebene subjektivöffentliche Rechte nicht entgegenstehen, und es darf die Bebaubarkeit der Nachbargrundflächen nicht vermindert werden, es sei denn, dass der Berechtigte der Bewilligung ausdrücklich zugestimmt oder keine Parteistellung (§ 134 Abs. 3 BO) erlangt hat.

Eine Ausnahmebewilligung nach § 71 BO ist nur dann zulässig ist, wenn ein Ausnahmegrund vorliegt. Bei der Beurteilung eines Ansuchens um eine solche Baubewilligung hat die Behörde zu prüfen, ob vom Antragsteller für die Erteilung derselben angeführte oder doch aus seinem Vorbringen im Zusammenhang mit der jeweils gegebenen Situation erkennbare besondere Gründe vorliegen (vgl. die bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften4, S 525 unter E 26 zitierte hg. Rechtsprechung und das hg. Erkenntnis vom 20. Jänner 1998, Zl. 97/05/0002).

Der Verwaltungsgerichtshof teilt die Auffassung der belangten Behörde, dass das Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles durch die Beschwerdeführer nicht ausreichend dargetan wurde. Das dazu in der Berufung (und Beschwerde) erstattete Vorbringen über die fehlende, aber erforderliche Grundabteilung stellt nämlich lediglich einen Hinweis auf gerade jene Umstände dar, die überhaupt erst eine Ausnahmebehandlung notwendig machen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. Oktober 1971, Slg. Nr. 8075/A).

Nach der Bescheidbegründung der belangten Behörde haben die Beschwerdeführer die aufgetragenen erforderlichen Korrekturen der für die Grundabteilung notwendigen Teilungspläne nicht vorgenommen. In der Beschwerde geben die Beschwerdeführer lediglich an, gehörig im Grundabteilungsverfahren mitgewirkt zu haben. Der genannte konkrete Vorwurf der Behörde wird jedoch nicht bestritten. Auch aus den Verwaltungsakten ergibt sich nicht, dass er zu Unrecht erhoben wurde. Die Aufforderung zur Korrektur bzw. Änderung der Teilungspläne erfolgte durch die MA 64 mit Schreiben vom 21. Jänner 1999 und vom 12. Februar 2001. In einem bei der MA 37/19 am 16. August 2002 eingelangten Schreiben vom 11. August 2002 behaupten die Beschwerdeführer lediglich, für die "Herstellung" des "Vertragsentwurfes" alle Bedingungen erfüllt zu haben. Zur erforderlichen Mitwirkung im behördlichen Grundabteilungsverfahren selbst wurde von den Beschwerdeführern jedoch zu keinem Zeitpunkt im Verwaltungsverfahren Stellung bezogen. Aus diesem Grund kann somit auch dahingestellt bleiben, ob eine Verzögerung des Grundabteilungsverfahrens durch andere als die Beschwerdeführer als "begründeter Ausnahmefall" anzusehen wäre.

Soweit es darum geht, dass die Baulichkeit auf Dauer angelegt ist, ist darauf hinzuweisen, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes eine Widerrufsbewilligung dann nicht in Frage kommt, wenn ein sachlicher Widerrufsgrund von vornherein nicht denkbar ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 4. September 2001, Zl. 2000/05/0070, mwN). Im gegenständlichen Fall liegt zwar auch ein Ansuchen um befristete Baubewilligung vor. Da Voraussetzung für eine positive Erledigung auch dieses Ansuchens aber das - hier nicht gegebene - Vorliegen eines begründeten Ausnahmefalles ist, verschlägt es im Ergebnis nichts, wenn die belangte Behörde in dieser Hinsicht keine differenzierende Betrachtung angestellt hat.

Die Beschwerdeführer bringen in ihrer Beschwerde hinsichtlich des Grundabteilungsverfahrens noch vor, dass nach Einbringung der Berufung gegen die erstinstanzliche Entscheidung der Bescheid der MA 64 vom 3. September 2002 betreffend die Grundabteilung ergangen sei. Der bereits im Jahre 1989 verfasste Teilungsplan des Dipl. Ing. M. sei den neuen Bestimmungen angepasst und hinsichtlich dieses Teilungsplanes ein rechtskräftiger Bescheid ausgestellt worden. Durch Unterbleiben der Beischaffung des Grundabteilungsaktes sei die belangte Behörde ihrer Verpflichtung, von Amts wegen den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und festzustellen, nicht nachgekommen und das Ermittlungsverfahren mangelhaft geblieben.

Dieses Vorbringen unterliegt dem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG. Unbeschadet dessen räumen die Beschwerdeführer damit selbst ein, dass der von ihnen geltend gemachte Grund für eine Bewilligung gemäß § 71 BO bei der Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht mehr vorhanden war, sodass die belangte Behörde auch bei Berücksichtigung dieser Umstände zu keinem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 27. April 2004

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