VwGH 2002/21/0203

VwGH2002/21/020327.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Gruber und die Hofräte Dr. Pelant und Dr. Grünstäudl als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Wechner, über die Beschwerde des A, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Vorarlberg vom 18. April 2002, Zl. 1- 0764/01/E2, betreffend Übertretung des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;
AVG §38;
FrG 1993 §17 Abs1;
FrG 1993 §19;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
FrG 1997 §107 Abs1 Z4;
FrG 1997 §33 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs1;
VStG §6;
VwGG §42 Abs2 Z1;
VwRallg;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der ehemaligen Bundesrepublik Jugoslawien, einer Übertretung des § 107 Abs. 1 Z. 4 in Verbindung mit § 31 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, schuldig erkannt. Deswegen wurde über ihn eine Geldstrafe von EUR 145,35 sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt. Der Beschwerdeführer habe es unterlassen, nach Ablauf der ihm zuletzt - zum Zweck der Obsorge für sein schwer krankes Kind - erteilten Wiedereinreisebewilligung (gegen den Beschwerdeführer bestand bis 5. September 2000 ein Aufenthaltsverbot) das Bundesgebiet zu verlassen. Der Beschwerdeführer habe sich daher vom 18. November 2000 bis 28. Februar 2001, weil er in diesem Zeitraum über keine Aufenthaltsberechtigung nach dem FrG oder dem AsylG verfügt habe, nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten. "Insoweit", so die belangte Behörde in der Begründung ihres Bescheides weiter, sei "bei einer Abwägung davon auszugehen", dass das öffentliche Interesse am Verlassen des Bundesgebietes im Tatzeitraum höher zu gewichten sei als das persönliche Interesse des Beschwerdeführers am Verbleib in Österreich.

Gegen diesen Bescheid hat der Beschwerdeführer zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof erhoben, der die Behandlung mit Beschluss vom 9. Oktober 2002, B 1025/02-3, abgelehnt und die Beschwerde mit Beschluss vom 18. November 2002, B 1025/02-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten hat. Der Verwaltungsgerichtshof hat über die vom Beschwerdeführer ergänzte Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten durch die belangte Behörde erwogen:

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde geltend, wegen der schweren Erkrankung seines Kindes und der damit verbundenen außergewöhnlichen familiären Situation hätte die Behörde zum Schutz seiner in Art. 8 EMRK gewährleisteten Rechte von der gegenständlichen Bestrafung Abstand nehmen müssen.

Die belangte Behörde hat sich mit dem Vorbringen des Beschwerdeführers in der Berufung und in der Verhandlung zur schweren Krankheit seines Sohnes sowie mit der Ansicht des Beschwerdeführers, im vorliegenden Fall hätten deshalb die öffentlichen Interessen an seiner Ausweisung gegenüber seinen privaten und familiären Interessen zurückzutreten, im angefochtenen Bescheid nicht weiter auseinander gesetzt.

In ihrer Gegenschrift vertritt die belangte Behörde dazu die Auffassung, dass die in Art. 8 EMRK verbrieften Rechte "im Administrativverfahren und nicht im Verwaltungsstrafverfahren" zu berücksichtigen seien. Im übrigen liege gegenständlich kein Fall vor, in dem auf Grund der gegebenen Integration des Beschwerdeführers von einem "Ausweisungsschutz" hätte ausgegangen werden müssen.

Damit hat die belangte Behörde die Rechtslage verkannt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat bereits wiederholt ausgesprochen (vgl. dazu das die belangte Behörde betreffende, noch zur Rechtslage des Fremdengesetzes 1992 ergangene Erkenntnis vom 6. November 1998, Zl. 97/21/0085, und zuletzt das gleichfalls die belangte Behörde betreffende Erkenntnis vom 19. November 2003, Zl. 2001/21/0179), dass bezüglich des Tatbestandes des § 107 Abs. 1 Z. 4 FrG ein gesetzlicher Strafausschließungsgrund gemäß § 6 VStG angenommen werden müsse, wenn der - im Verwaltungsstrafverfahren als Vorfrage zu prüfenden - Zulässigkeit einer (hypothetischen) Ausweisung des Fremden eine zu seinen Gunsten ausfallende Interessenabwägung nach § 37 FrG im Wege steht. Dass dies gegenständlich der Fall ist, hat der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/21/0214, auf das gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargelegt.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG abgesehen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 27. Jänner 2004

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