VwGH 2002/13/0071

VwGH2002/13/007121.1.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Seidl LL.M., über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Romana Weber, Rechtsanwältin in 1220 Wien, ARES-Tower, Donau-City-Straße 11, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat Va) vom 20. Februar 2002, GZ. RV/312-16/03/01, betreffend Berichtigung der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 1994 bis 1998, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §114;
BAO §20;
BAO §293b;
B-VG Art130 Abs2;
BAO §114;
BAO §20;
BAO §293b;
B-VG Art130 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer war in den Streitjahren als Bundesbeamter gegen Entfall der Bezüge karenziert und als Mitglied eines unabhängigen Verwaltungssenates tätig. Seine Dienstbezüge wurden vom Magistrat der Stadt Wien ausbezahlt. Daneben erzielte er Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit. In den Streitjahren 1994 bis 1998 leistete er monatliche Pensionsbeiträge an den Bund (ein näher bezeichnetes Bundesministerium), welche er in der Einkommensteuererklärung des jeweiligen Jahres als "Werbungskosten, die Ihr Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte", geltend machte. Die Veranlagung erfolgte den Erklärungen gemäß.

Mit Bescheiden vom 4. August 2000 berichtigte das Finanzamt die Einkommensteuerbescheide der Jahre 1994 bis 1998 gemäß § 293b BAO mit der Begründung, die vom Beschwerdeführer geleisteten Pensionsbeiträge seien bereits bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit berücksichtigt worden.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er vorbrachte, dass die Voraussetzungen für Bescheidberichtigungen gemäß § 293b BAO gegenständlich nicht vorliegen würden. Es sei ausgeschlossen, dass die Einkommensteuerbescheide wegen der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus den Abgabenerklärungen rechtswidrig seien, weil die Bezug habenden Abgabenerklärungen keine Unrichtigkeiten enthielten. Der Pensionsbeitrag sei entsprechend einer "bescheidmäßigen Vorschreibung" mittels Einziehungsermächtigung an den Bund einbezahlt und nicht vom Magistrat einbehalten und beim Lohnsteuerabzug berücksichtigt worden.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung wird unter Hinweis auf die Aktenlage ausgeführt, dass in den Streitjahren sowohl negative Einkünfte aus dem Bundesdienst erzielt, als auch Werbungskosten in annähernd gleicher Höhe geltend gemacht worden seien. Dadurch sei es zur Doppelerfassung der Werbungskosten gekommen. Der Betrag, der über die Doppelerfassung hinausgehe, sei anerkannt worden. Dem Tatbestand des § 293b BAO unterliege "jedenfalls die Übernahme offensichtlich unrichtiger rechtlicher Würdigung", wie sie im vorliegenden Fall gegeben sei.

Der Beschwerdeführer stellte einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz und brachte vor, die Abgabenbehörde könne einen Bescheid nur insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruhe, die Unrichtigkeit somit kausal für die Rechtswidrigkeit des Bescheides gewesen sei. Eine unvertretbare Rechtsansicht liege nicht vor, wenn die Vertretbarkeit der in der Abgabenerklärung enthaltenen Rechtsansicht auch von der Behörde geteilt werde. Die Behörde habe nicht in Abrede gestellt, dass es sich bei den Pensionsbeiträgen um Werbungskosten handle. Er habe im gegenständlichen Zeitraum weder negative Einkünfte aus dem Bundesdienst bezogen noch solche in den Abgabenerklärungen geltend gemacht und seien solche daher auch nicht aus den Abgabenerklärungen übernommen worden. Die "vermeintliche" Rechtswidrigkeit der Einkommensteuerbescheide ergäbe sich somit "allenfalls" aus einer, nach Erstattung der sachlich und rechtlich richtigen Abgabenerklärung, ohne seinen Antrag von der Behörde von Amts wegen vorgenommenen Heranziehung negativer Einkünfte in annähernd gleicher Höhe wie die geltend gemachten Werbungskosten.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens und der Bestimmung des § 293b BAO wird ausgeführt, auf Grund einer so genannten "Soforteingabe" der Steuererklärungen sei es zur doppelten Berücksichtigung der Pensionsbeiträge als Werbungskosten - durch den Arbeitgeber (Bund) und durch Eintragung in der Spalte "Werbungskosten, die Ihr Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte" - gekommen. Es sei dem Beschwerdeführer zwar darin zuzustimmen, dass es sich bei den Pensionsbeiträgen um Werbungskosten handle, es sei jedoch keine vertretbare Rechtsansicht, daraus zu schließen, "dass diese Pensionsbeiträge doppelt einkünftemindernd als Werbungskosten zu berücksichtigen seien". Eine solche Rechtsansicht habe auch die Behörde nicht vertreten. Da ein behördliches Verschulden an der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus den Steuererklärungen nicht gegen die Berichtigung spreche und die Unrichtigkeit auf einer unvertretbaren Rechtsansicht beruhe, die von der Behörde nicht geteilt worden sei, seien die Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 293b BAO gegeben. Die Berichtigung liege im Ermessen der Behörde. Bei der Ermessensübung sei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit der Vorrang vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit einzuräumen, unabhängig davon, "ob sich die Berichtigung zu Gunsten oder zu Ungunsten der Partei auswirken würde". Die Berichtigung diene dem Interesse der Allgemeinheit an einer gleichmäßigen Besteuerung. Der Beschwerdeführer habe die Pensionsbeiträge über Jahre hinweg (zusätzlich) als Werbungskosten geltend gemacht, obwohl die Pensionsbeiträge "lohnsteuermäßig" bereits abgezogen worden seien und dies dem Beschwerdeführer - zumindest auf Grund der in den Einkommensteuerbescheiden ausgewiesenen "negativen Einkünften" - habe bekannt sein müssen. Indem er die Pensionsbeiträge dessen ungeachtet in den Einkommensteuererklärungen unter der Spalte "Werbungskosten, die Ihr Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte" eingetragen habe, sei es zu einer Doppelberücksichtigung der Pensionsbeiträge gekommen. Da der Beschwerdeführer somit in fahrlässiger Weise dazu beigetragen habe, dass fälschlicherweise die Pensionsbeiträge doppelt berücksichtigt worden seien, und von sich aus nichts zur Richtigstellung dieses Irrtums beigetragen habe, bleibe für eine Billigkeitsentscheidung "wenig Raum". Dies gelte umso mehr, als der Beschwerdeführer ein dem Legalitätsprinzip untergeordneter Beamter sei und den korrekten Vollzug der Gesetze auch und insbesondere gegen sich gelten lassen müsse. Bei einem mit Rechtsvorschriften befassten Laien sei in Analogie zum Finanzstrafrecht ein Irrtum auch eher entschuldbar als bei mit Normen geübten Personen. Daher führe die gebotene Abwägung der Zweckmäßigkeit und Billigkeit zum Übergewicht der Gründe der Zweckmäßigkeit der Berichtigung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:

Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass die vom Finanzamt gemäß § 293b BAO berichtigten Einkommensteuerbescheide infolge doppelter Berücksichtigung der vom Beschwerdeführer geleisteten Pensionsbeiträge als Werbungskosten rechtswidrig waren. Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens bildet allein die Frage, ob die vom Finanzamt herangezogene Bestimmung des § 293b BAO eine taugliche verfahrensrechtliche Handhabe zur Berichtigung bot.

Gemäß § 293b BAO kann die Abgabenbehörde auf Antrag einer Partei (§ 78) oder von Amts wegen einen Bescheid insoweit berichtigen, als seine Rechtswidrigkeit auf der Übernahme offensichtlicher Unrichtigkeiten aus Abgabenerklärungen beruht.

Entgegen dem Beschwerdevorbringen kann eine offensichtliche Unrichtigkeit auch dann vorliegen, wenn Mitteilungen und Darlegungen des Abgabenpflichtigen in seinen Erklärungen und den dazu vorgelegten Beilagen mit aktenkundigen Umständen unvereinbar sind. Nur Unrichtigkeiten, die erst im Wege eines über die Bedachtnahme auf die Aktenlage hinausreichenden Ermittlungsverfahrens erkennbar sind, wären einer Berichtigung gemäß § 293b BAO nicht zugänglich (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 1995, 95/15/0008, Slg. Nr. 7.043/F).

Gegenständlich ergibt sich aus dem Akteninhalt, dass das zuständige Bundesministerium (infolge des aufrechten Dienstverhältnisses zum Bund) dem Finanzamt gemäß § 84 EStG 1988 idF des BGBl. Nr. 818/1993 Lohnzettel für die jeweiligen Jahre im Wege der automationsunterstützten Datenübermittlung übersandte, in denen die Pensionsbeiträge und - da die Bezüge vom Magistrat überwiesen wurden - in Summe negative Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit ausgewiesen waren. Der Inhalt dieser Lohnzettel wurde damit zum Bestandteil des Aktes des jeweiligen Jahres. Insofern erweist sich die in den Einkommensteuererklärungen des Beschwerdeführers enthaltene Angabe, die Pensionsbeiträge stellten Werbungskosten dar, die der Arbeitgeber nicht berücksichtigen konnte, als offensichtlich objektiv unrichtig, steht sie doch im offenen Widerspruch zu dem aktenkundigen Umstand der Übermittlung von Lohnzetteln durch das zuständige Bundesministerium, welche eben diese Werbungskosten bereits ausgewiesen haben. Dass die im amtlichen Erklärungsformular verwendete Formulierung unterschiedliche Auslegungen - darunter auch die vom Beschwerdeführer vertretene - zuließ, ist dem Beschwerdeführer zwar einzuräumen, im gegebenen Zusammenhang aber unerheblich. Wesentlich ist, dass die Unrichtigkeit der in den Abgabenerklärungen vorgenommenen Eintragungen für die Abgabenbehörde klar erkennbar gewesen wäre, wenn sie die Angaben an Hand der Aktenlage (somit auch unter Einbeziehung der von den Dienstgebern des Beschwerdeführers elektronisch übermittelten Lohnzettel) geprüft hätte (vgl. für viele das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, 93/13/0277). Auf ein Verschulden des Beschwerdeführers kommt es dabei nicht an (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Oktober 2001, 98/14/0085). Die dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang von der belangten Behörde gemachten Vorwürfe sind daher entbehrlich und angesichts der unklaren Formulierung im amtlichen Vordruck auch unangebracht.

Soweit der Beschwerdeführer auf einen ähnlich gelagerten Fall hinweist, in dem die Abgabenbehörde zweiter Instanz das Finanzamt angewiesen habe, keine Berichtigung nach § 293b BAO vorzunehmen, kann ihm daraus - wie er in der "Gegenäußerung" vom 3. Juli 2002 selbst konzediert - kein Rechtsanspruch erwachsen und ist der Verwaltungsgerichtshof an die von der angesprochenen Behörde geäußerte Rechtsansicht nicht gebunden. Dies gilt auch für die in der Beschwerde angeführten Erlässe des Bundeskanzleramtes und des Bundesministeriums für Finanzen, wobei anzumerken ist, dass die Anerkennung der Pensionsbeiträge als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit im Beschwerdefall ohnedies ebenso außer Streit steht wie der Umstand, dass die Pensionsbeiträge nicht vom Magistrat als bezugsauszahlender Stelle berücksichtigt werden konnten und eine steuerliche Entlastung im Veranlagungswege herbeizuführen war.

Die Vornahme der Berichtigung liegt im Ermessen. Die Zweckmäßigkeit der erfolgten Berichtigung ergibt sich bereits aus dem Ziel der gesetzlichen Norm des § 293b BAO, welches die Herbeiführung eines der Gleichmäßigkeit der Besteuerung entsprechenden Ergebnisses ist, wobei dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit gegenüber jenem der Rechtsbeständigkeit der Vorrang einzuräumen ist (vgl. mit weiteren Nachweisen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Juli 1997, 95/13/0124). Billigkeitsgründe, die der Berichtigung entgegengestanden wären, wurden weder im Verwaltungsverfahren noch in der Beschwerde vorgebracht. Somit hat die belangte Behörde zutreffend dem Prinzip der Rechtsrichtigkeit den Vorzug vor dem Prinzip der Rechtsbeständigkeit gegeben.

Die Beschwerde erweist sich demnach als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 21. Jänner 2004

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