VwGH 2002/06/0153

VwGH2002/06/015322.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Giendl und die Hofräte Dr. Bernegger, Dr. Waldstätten, Dr. Rosenmayr und Dr. Bayjones als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hofer, über die Beschwerde des NG in I, vertreten durch Dr. Hermann Holzmann, Rechtsanwalt in 6020 Innsbruck, Bürgerstraße 17/P, gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 12. September 2002, Zl. Ve1-550-3070/1-2, betreffend Beseitigungsauftrag nach der Tiroler Bauordnung 2001 (mitbeteiligte Partei: Gemeinde I, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO Tir 2001 §20 Abs1 litb;
BauO Tir 2001 §20 Abs1;
BauO Tir 2001 §20 Abs2 lita;
BauRallg;
BauO Tir 2001 §20 Abs1 litb;
BauO Tir 2001 §20 Abs1;
BauO Tir 2001 §20 Abs2 lita;
BauRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Tirol Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gemeinde wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 21. Mai 2001 hat der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde dem Beschwerdeführer auf seinen Antrag die Baubewilligung für den Zu- und Umbau eines Hotels, einschließlich der Errichtung einer Freiterrasse im Nordwesten des bestehenden Gebäudes, auf einem näher angeführten Grundstück erteilt. Dieser Bescheid wurde rechtskräftig.

In einem an den Beschwerdeführer gerichteten Schreiben vom 15. Jänner 2002 führte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde aus, dass der Beschwerdeführer im Rahmen der Zu- und Umbauarbeiten seines Hotels bei der neuerrichteten Terrasse eine Schutzverglasung sowie eine Überdachung (fahrbare Markise) angebracht habe. Diese Ausführungen seien im Baubescheid vom 21. Mai 2001 nicht enthalten und seien von Seiten des Beschwerdeführers auch der Baubehörde nicht angezeigt worden. Er werde daher aufgefordert, für die bereits ausgeführten baulichen Anlagen gemäß § 37 Abs. 1 TBO 2001 innerhalb von 14 Tagen um deren Bewilligung anzusuchen.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 22. Februar 2002 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 37 Abs. 1 der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, aufgetragen, die ohne Bewilligung errichtete Schutzverglasung im Bereich der Freiterrasse an der Nordseite des Hotels abzutragen.

Am 7. März 2002 langte bei der mitbeteiligten Gemeinde ein Bauplan mit der Bezeichnung Bauanzeige für die gegenständliche Verglasung der bestehenden Terrasse sowie entsprechende Markisen ein, der weder vom Beschwerdeführer noch von seinem Rechtsbeistand, aber vom Planverfasser unterfertigt ist.

Die gegen den Bescheid vom 22. Februar 2002 vom Beschwerdeführer erhobene Berufung vom 6. März 2002 hat der Gemeindevorstand der mitbeteiligten Gemeinde mit Bescheid vom 19. März 2002 als unbegründet abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Zu- und Umbau am bestehenden Hotel des Beschwerdeführers durch die Erstellung des ergänzenden Bebauungsplanes A1/E1 B-G ermöglicht worden sei. In diesem Bebauungsplan sei die bachseitige Terrasse mit einer maximalen absoluten Seehöhe von 1.349,50 m, die auf der Terrasse anzubringende Brüstung mit einer maximalen absoluten Seehöhe von 1.350,50 m fixiert worden. Das Bauvorhaben sei entsprechend den damals vorliegenden Einreichplänen auch in dieser Form, nämlich mit einer 1 m hohen Brüstung auf der Terrasse genehmigt worden. Die Errichtung einer Schutzverglasung auf der Terrasse bzw. auf der Brüstung sei nicht Gegenstand des Bauansuchens gewesen, sei in den Einreichplänen nicht vorhanden gewesen und demnach auch nicht bewilligt worden. Außerdem widerspreche die Schutzverglasung den Vorgaben des geltenden und rechtskräftigen Bebauungsplanes.

In seiner an den Beschwerdeführer gerichteten Erledigung vom 21. März 2002 führte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde zu der vom Beschwerdeführer am 7. März eingebrachten Bauanzeige aus, dass die angebrachten Markisen aus der Sicht der Baubehörde nicht als freitragende Konstruktionen bezeichnet werden könnten, welche am Gebäude angebracht sind und im Normalfall als Sonnenschutz dienen (Sonnenschutzeinrichtungen - untergeordnete Bauteile). Die Baubehörde weise daher die Bauanzeige vom 7. März 2002 ab und retourniere dem Beschwerdeführer seine Planunterlagen.

Gegen den Bescheid vom 19. März 2002 erhob der Beschwerdeführer Vorstellung, in der er im Wesentlichen ausführte, dass die von ihm auf der Brüstung angebrachte Schutzverglasung nicht entgegen der im geänderten Bebauungsplan festgelegten Höhe errichtet worden sei, zumal es sich bei dieser Schutzverglasung nicht um eine bauliche Anlage handle, sie habe nichts mit dem Gebäude an und für sich zu tun und es handle sich um eine Sicherheitsvorrichtung, zum Schutz der Gäste vor dem drohenden Absturz über die Brüstung in 6 m Tiefe in einen Bach. Auch habe der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde anlässlich einer Baubesichtigung die Schutzverglasung gesehen und sich dazu geäußert, dass diese so in Ordnung gehe.

Mit dem angefochtenen Bescheid vom 12. September 2002 wurde die gegen diesen Bescheid gerichtete Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen und dies im Wesentlichen damit begründet, dass die mitbeteiligte Gemeinde als Baubehörde erster Instanz dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 15. Jänner 2002 eine angemessene Frist von 14 Tagen gesetzt habe, innerhalb derer er um die Bewilligung der Schutzverglasung sowie einer Überdachung (fahrbare Markise) ansuchen hätte können. Es stehe fest, dass ein derartiges Ansuchen innerhalb von 14 Tagen nicht erfolgt sei, vielmehr seien erst nach Erlassung des Abbruchbescheides Pläne hinsichtlich der Schutzverglasung sowie des Sonnenschutzes beigebracht worden. Die Frist zur nachträglichen Einreichung eines Bauansuchens sei somit ungenützt verstrichen, weshalb der Abbruchbescheid zu Recht ergangen sei.

Die Errichtung einer Schutzverglasung sei nicht Gegenstand einer Baubewilligung gewesen, und durch die Errichtung bzw. Erweiterung der Terrasse samt einer Brüstung von 1 m seien die Festlegungen und Vorgaben des Bebauungsplanes bereits maximal ausgeschöpft worden. Die Schutzverglasung könne nur in ihrer Gesamtheit mit der Terrasse und deren Brüstung gesehen werden und diese Gesamtheit erfülle offensichtlich das Kriterium der baulichen Anlage. Auch stehe es fest, dass für die fachgerechte Herstellung einer mehrere Meter langen Schutzverglasung, die sich zudem auf einer 1 m hohen Geländebrüstung befinde, bautechnische Erkenntnisse erforderlich seien, daher handle es sich dabei auch um eine bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 TBO 2001. Für die fachgemäße Herstellung der Schutzverglasung sei ein gewisses Maß an bautechnischen Kenntnissen evidenterweise erforderlich, dies u. a. aus Aspekten der Vermeidung von Sicherheitsgefährdungen.

Auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, der Bürgermeister habe der Schutzverglasung mündlich zugestimmt, führe nicht zum Erfolg der Vorstellung, weil gemäß § 21 Abs. 1 TBO 2001 um die Erteilung einer Baubewilligung schriftlich anzusuchen sei.

Wenn sich der Beschwerdeführer auf Auflage 27 der ihm erteilten Baubewilligung berufe (wonach Geländer von u.a. Terrassen so beschaffen sein müssen, dass Kleinkinder nicht durchschlüpfen oder leicht hochklettern können, und Geländer bzw. Brüstungen mit einer Mindesthöhe von 1 m auszuführen seien), zeige er keine Rechtswidrigkeit des vor der belangten Behörde angefochtenen Bescheides auf, weil im vorliegenden Verfahren davon auszugehen sei, dass die Schutzverglasung zusätzlich am bereits bestehenden Geländer angebracht worden sei und nicht den Zweck der Füllung eines Geländers erfülle.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte ebenso wie die nicht durch einen Rechtsanwalt vertretene mitbeteiligte Gemeinde die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 2 Abs. 1 und 16, § 20 Abs. 1 und 2 sowie § 37 Abs. 1 und 2

der Tiroler Bauordnung 2001, LGBl. Nr. 94, lauten:

"§ 2

Begriffsbestimmungen

(1) Bauliche Anlagen sind mit dem Erdboden verbundene Anlagen, zu deren fachgerechten Herstellung bautechnische Kenntnisse erforderlich sind.

...

(16) Untergeordnete Bauteile sind Vordächer, Dachkapfer, Kamine, Windfänge, Freitreppen, offene Balkone, Sonnenschutzeinrichtungen und dergleichen, fassadengestaltende Bauteile wie Erker, Gesimse, Lisenen, Rahmen und dergleichen, unmittelbar über dem Erdgeschoss angebrachte offene Schutzdächer sowie an baulichen Anlagen angebrachte Werbeeinrichtungen und Solaranlagen.

...

§ 20

Bewilligungspflichtige und anzeigepflichtige

Bauvorhaben, Ausnahmen

(1) Einer Baubewilligung bedürfen, soweit sich aus den Abs. 2 und 3 nichts anderes ergibt:

a) der Neu-, Zu- und Umbau von Gebäuden;

b) die sonstige Änderung von Gebäuden oder

Gebäudeteilen, wenn dadurch allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden;

...

(2) Die sonstige Änderung von Gebäuden sowie die Errichtung und die Änderung von sonstigen baulichen Anlagen sind, sofern sie nicht nach Abs. 1 lit. b oder e einer Baubewilligung bedürfen, der Behörde anzuzeigen. Jedenfalls sind der Behörde anzuzeigen:

a) die Anbringung und Änderung von untergeordneten Bauteilen und von Balkonverglasungen bei bestehenden baulichen Anlagen;

...

§ 37

Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes

(1) Wurde eine bewilligungspflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Baubewilligung errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der nachträglich um die Erteilung der Baubewilligung anzusuchen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) die Baubewilligung versagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage abweichend von der Baubewilligung ausgeführt wurde und diese Abweichung eine Änderung der baulichen Anlage darstellt, zu deren selbstständigen Vornahme eine Baubewilligung erforderlich wäre. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Baubewilligung entsprechenden Zustandes aufgetragen werden.

(2) Wurde eine anzeigepflichtige bauliche Anlage ohne die nach diesem Gesetz erforderliche Bauanzeige errichtet oder geändert, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage eine angemessene Frist zu setzen, innerhalb der die Bauanzeige nachzuholen ist. Verstreicht diese Frist ungenützt oder wird (bzw. wurde) das Bauvorhaben nach § 22 Abs. 3 dritter Satz untersagt, so hat die Behörde dem Eigentümer der baulichen Anlage deren Beseitigung aufzutragen. Dies gilt auch, wenn eine solche bauliche Anlage erheblich abweichend von der Bauanzeige ausgeführt wurde. Dem Eigentümer der betreffenden baulichen Anlage kann jedoch auf sein begründetes Verlangen statt der Beseitigung der baulichen Anlage die Herstellung des der Bauanzeige entsprechenden Zustandes aufgetragen werden."

Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, dass in dem für das gegenständliche Objekt geltenden Bebauungsplan als "oberster Punkt sonstiger baulicher Anlagen" die Höhe 1.350,5 m festgelegt ist, und dass jene Schutzverglasung, deren Entfernung ihm mit dem vor der belangten Behörde angefochtenen Bescheid aufgetragen wurde, über diesem Niveau liegt. Ferner bestreitet der Beschwerdeführer nicht, dass diese Schutzverglasung nicht Gegenstand der ihm erteilten Baubewilligung ist. Ebenso wie in der Vorstellung meint der Beschwerdeführer aber auch in seiner Beschwerde, dass die auf der Brüstung angebrachte Schutzverglasung weder als Gebäude noch als bauliche Anlage anzusehen sei und kein Bauwerk im Sinne der TBO 2001 darstelle. Es handle sich um eine Sicherheitsvorrichtung zum Schutz der Gäste, insbesondere mit dem Zweck, bei Apres-Ski-Veranstaltungen zu verhindern, dass Personen über die Brüstung 6 m in die Tiefe stürzten.

Mit diesen Ausführungen gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen. Angesichts der im Akt einliegenden Pläne und Unterlagen (Fotos) kann der Beurteilung der belangten Behörde wie auch der Gemeindebehörden im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, dass es sich bei der gegenständlichen Verglasung auf einer 1 m hohen Brüstung über eine Breite von mehr als 40 m und über deren nordwestliches Eck durchaus um eine bauliche Maßnahme handelt, durch welche gemäß § 20 Abs. 1 lit. b TBO 2001 allgemeine bautechnische Erfordernisse wesentlich berührt werden. Zutreffend hat daher die belangte Behörde für die Verglasung eine Bewilligungspflicht gemäß § 20 Abs. 1 TBO 2001 angenommen und ist nicht davon ausgegangen, dass die Verglasung bloß als sonstige Änderung von Gebäuden bzw. als "Balkonverglasungen bei bestehenden baulichen Anlagen" im Sinne des § 20 Abs. 2 lit. a TBO 2001 zu werten war, wofür nur eine Bauanzeige erforderlich gewesen wäre.

§ 20 Abs. 2 lit. a TBO 2001 kann deshalb nicht zur Anwendung kommen, weil es sich im vorliegenden Fall nicht um einen Balkon, sondern eine Terrasse handelt.

Bei dieser Sachlage war es sohin nicht rechtswidrig, wenn die Baubehörden nach dem ungenutzten Verstreichen der für die Einbringung eines Baubewilligungsantrages für die Verglasung dem Beschwerdeführer gesetzten Frist die Beseitigung der Verglasung auftrugen.

Auch mit seinem Argument, der Bürgermeister habe die gegenständliche Verglasung in einer mündlichen Aussage geduldet, zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil eine Baubewilligung gemäß § 26 Abs. 1 TBO 2001 nur mit schriftlichem Bescheid erteilt werden kann. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Kostenbegehren der mitbeteiligten Gemeinde war im Grunde des § 48 Abs. 3 Z. 2 VwGG, der gleichheitskonform vor dem Hintergrund des § 49 Abs. 1 zweiter Satz VwGG auszulegen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. November 1998, Zl. 98/06/0058, VwSlg. Nr. 15.029/A), abzuweisen.

Wien, am 22. Juni 2004

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