VwGH 2002/05/0146

VwGH2002/05/014612.10.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. König, über die Beschwerde der Marktgemeinde Jois in Jois, vertreten durch Mag. Michael Wild, Rechtsanwalt in 7033 Pöttsching, Wr. Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Neusiedl am See vom 15. Jänner 2002, Zl. 02/04-273/1-2002, betreffend eine Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien: 1. Franz Kiss, 2. Martina Kiss, beide in 7093 Jois, Zum Tannenberg 1), zu Recht erkannt:

Normen

GdO Bgld 1965 §27 Abs1;
GdO Bgld 1965 §87 Abs3;
VwGG §34 Abs1;
GdO Bgld 1965 §27 Abs1;
GdO Bgld 1965 §87 Abs3;
VwGG §34 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Burgenland hat der Marktgemeinde Jois Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Mehrbegehren der Beschwerdeführerin wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid vom 29. Dezember 1999 verpflichtete der Bürgermeister der beschwerdeführenden Marktgemeinde die beiden Mitbeteiligten, die Abwässer (Schmutzwässer oder Niederschlagswässer) der Anschlussgrundfläche, bestehend aus dem Grundstück Nr. 2227, und des Wohnhauses im Ausmaß von 173,65 m2 nach Maßgabe des einen wesentlichen Bestandteil des Bescheides bildenden Planes in die mit Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 14. November 1994 wasserrechtlich bewilligte öffentliche Kanalisationsanlage einzuleiten. Der Anschluss war bis 30. April 2000 herzustellen.

In ihrer dagegen erstatteten Berufung brachten die Mitbeteiligten vor, bereits mit Bescheid des Bürgermeisters der beschwerdeführenden Marktgemeinde vom 25. Juni 1979 sei für ihr Grundstück die Verpflichtung zum Anschluss an die wasserrechtlich bewilligte Kanalisationsanlage ausgesprochen worden. Dieser Bescheid sei in Rechtskraft erwachsen. Es sei nicht nachvollziehbar, weshalb für ein und das selbe Grundstück eine rechtskräftig ausgesprochene Verpflichtung nochmals ausgesprochen werde.

Der Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde gab mit Bescheid vom 1. Oktober 2001 dieser Berufung keine Folge. Er führte aus, dass es sich beim Bauabschnitt 04, beinhaltend den Kanalstrang zum verfahrensgegenständlichen Grundstück, um ein neues Projekt handle. Dieses Projekt sei in der Zeit zwischen Mai 1995 und Dezember 1997 verwirklicht worden. Erst mit Bescheid vom 14. November 1994 sei die wasserrechtliche Bewilligung für diesen Bauabschnitt erteilt worden. Diese Kanalisationsanlage sei nicht Gegenstand des seinerzeitigen Bescheides vom 25. Juni 1979.

In ihrer dagegen erhobenen Vorstellung wiederholten die Mitbeteiligten, dass die Kanalanschlussverpflichtung bereits im Jahr 1979 rechtskräftig ausgesprochen worden sei. Wenn der seinerzeit projektierte Kanal nicht zur Ausführung gelangt sei, könne nicht ein neues Projekt erstellt und die rechtskräftige Anschlussverpflichtung aus der Welt geschaffen werden. Die beschwerdeführende Marktgemeinde habe den Anschlussverpflichtungsbescheid damals im Wissen erlassen, dass nach Ablauf von fünf Jahren Verjährung eintrete. Aus diesem Umstand sei klar ersichtlich, dass auch der Anschluss des Grundstückes der Beschwerdeführer innerhalb der Verjährungsfrist beabsichtigt war. Dieser Zeitpunkt sei nicht eingehalten worden und es sei Verjährung eingetreten.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde dieser Vorstellung Folge, behob den bei ihr angefochtenen Bescheid und wies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeinderat der beschwerdeführenden Marktgemeinde zurück. Im Spruch des angefochtenen Bescheides wurde der den Gegenstand der Vorstellung bildende Bescheid des Gemeinderates mit Datum und Geschäftszahl ausdrücklich bezeichnet. Weiters wurde der Sachverhalt, so wie oben dargestellt, im angefochtenen Bescheid wiedergegeben.

Im Erwägungsteil verwies die belangte Behörde darauf, dass der Straßenkanal erst 1995 errichtet worden sei. Die Beschwerdeführerin habe erstmals am 10. Jänner 1983 eine Verordnung über eine Kanalanschlussgebühr erlassen, am 22. Oktober 1989 habe der Gemeinderat einen Kanalanschlussbeitrag für jene Grundstücke beschlossen, für die bereits eine Anschlussverpflichtung rechtskräftig ausgesprochen worden sei, aber seither weder einen Kanalanschlussbeitrag noch eine Kanalbenützungsgebühr vorgeschrieben. Davon ausgehend sei der Abgabenanspruch der beschwerdeführenden Marktgemeinde für die Erhebung einer vorläufigen Kanalanschlussgebühr nach altem Kanalgebührengesetz mit 7. Februar 1983 auf Grund einer Übergangsbestimmung am 1. Februar 1984 neu entstanden. Gemäß § 157 Abs. 2 LAO sei das Recht zur Erhebung der vorläufigen Kanalanschlussgebühr mit Ablauf des 31. Dezember 1989 verjährt. Vor diesem Zeitpunkt, nämlich am 22. Oktober 1989, habe der Gemeinderat die Erhebung eines endgültigen Anschlussbeitrages beschlossen; diesbezüglich habe die Verjährungsfrist mit Ablauf des 31. Dezember 1994 geendet. Bis zu diesem Zeitpunkt hätte die Gemeinde den endgültigen Kanalanschlussbeitrag vorschreiben müssen. Die Fertigstellung des Baues des Straßenkanals stelle kein Abgabentatbestandsmerkmal für den Anschlussbeitrag dar und bilde somit keine Voraussetzung für die Vorschreibung des Anschlussbeitrages. Der fehlende Straßenkanal sei bei Vorliegen des rechtskräftigen Kanalanschlussbescheides und der Abgabenverordnung kein Hindernis für die Vorschreibung der Abgabe gewesen; indem die Gemeinde dies übersehen und die Zeit, in der die Vorschreibung möglich gewesen wäre, habe verstreichen lassen, habe sie sorgfaltswidrig gehandelt. Die Gemeinde könne in jenen Fällen, in denen sich ein Grundstückseigentümer auf einen rechtskräftigen Kanalanschlussverpflichtungsbescheid aus dem Jahr 1979 berufen kann, einen Kanalanschlussbeitrag nicht mehr vorschreiben.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften begehrt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und verwies in ihrem Begleitschreiben auf die Bescheidbegründung, wobei sie diese Bescheidbegründung zum Inhalt ihrer Gegenschrift macht. Die Mitbeteiligten gaben an, die nunmehr eingebrachte Beschwerde sei nicht vom Gemeinderat, sondern vom Bürgermeister, also einem unzuständigen Organ eingebracht worden, weshalb sie abzuweisen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Beschwerdeführerin ist die gemäß Art. 119a Abs. 9 zur Beschwerdeführung legitimierte Gemeinde. Ihr Rechtsvertreter hat sich gemäß § 11 Abs. 1 letzter Satz AVG auf die erteilte Vollmacht berufen. Die Aktenlage bietet für Zweifel an der rechtsgültigen Bevollmächtigung keinen Anlass. Der Behauptung der Mitbeteiligten, die Beschwerde sei "vermutlich" vom Bürgermeister eingebracht worden, ist überdies zu entgegnen:

Die vorliegende Beschwerde trägt das Datum 26. Februar 2002, sie ist am 4. März 2002 beim Verwaltungsgerichtshof eingelangt. Damals galt die burgenländische Gemeindeordnung, LGBl. Nr. 37/1965 i. d.F. LGBl. Nr. 32/2001. Abgesehen von § 87 Abs. 3 Gemeindeordnung, wonach die Gemeinde berechtigt ist, gegen Aufsichtsbehörden vor dem Verwaltungsgerichtshof und dem Verfassungsgerichtshof Beschwerde zu führen, enthält die Burgenländische Gemeindeordnung keine besonderen Regelungen über die Einbringung von Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof. Es gelangt daher deren § 27 Abs. 1 zur Anwendung, wonach der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt. Selbst zu jenen Gemeindeordnungen, die eine besondere Befugnis des Gemeinderates bei Beschwerden an den Verwaltungsgerichtshof vorsehen, hat der Verwaltungsgerichtshof ausgesprochen, dass eine Regelung der Vertretungsbefugnis, nach der der Bürgermeister die Gemeinde nach außen vertritt, den Verwaltungsgerichtshof auf Grund dieser Vertretungsbefugnis verpflichtet, die Beschwerde inhaltlich zu erledigen (siehe das hg. Erkenntnis vom 25. Oktober 2001, Zl. 98/15/0013, zu Niederösterreich, vom 25. April 2002, Zl. 2002/07/0005, zur Steiermark). Auf Grund der Behauptungen der Mitbeteiligten besteht daher für den Verwaltungsgerichtshof keine Veranlassung, die Legitimation des hier einschreitenden Beschwerdeführervertreters einer näheren Prüfung zu unterziehen.

Gemäß § 77 Abs. 1 Bgld. Gemeindeordnung kann, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in einer aus dem Vollziehungsbereich des Landes stammenden Angelegenheit des eigenen Wirkungsbereiches in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzuges innerhalb von zwei Wochen nach Erlassung des Bescheides dagegen Vorstellung erheben. Nach dem Abs. 5 dieser Bestimmung hat die Aufsichtsbehörde den Bescheid, wenn Rechte des Einschreiters durch ihn verletzt werden, aufzuheben und die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an die Gemeinde zu verweisen.

Die Vorstellungsbehörde hatte daher zu prüfen, ob die mit dem bei ihr bekämpften Bescheid ausgesprochene Anschlusspflicht zu Recht verfügt wurde; bei Wahrnehmung einer Rechtswidrigkeit war sie gehalten, diesen Bescheid aufzuheben.

Diesen Anforderungen entspricht der angefochtene Bescheid jedoch nicht. Er enthält keine Ausführungen über die Kanalanschlussverpflichtung, sondern ausschließlich darüber, ob ein Kanalanschlussbeitrag vorgeschrieben werden kann oder nicht. Da die Vorschreibung eines Kanalanschlussbeitrages nicht Gegenstand der Gemeindebescheide war, konnte deshalb, weil nach Auffassung der Vorstellungsbehörde ein Kanalanschlussbeitrag nicht vorgeschrieben werden darf, ein Kanalanschlussverpflichtungsbescheid nicht aufgehoben werden. Aufgabe der Vorstellungsbehörde wäre es allein gewesen, zu prüfen, ob die Gemeindebehörden zu Recht eine Kanalanschlussverpflichtung ausgesprochen haben.

Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Er war gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Auf Basis der zitierten Rechtsprechung und da eine einfache Rechtsfrage zu lösen war, konnte die Entscheidung in einem gem. § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003, insbesondere deren § 3 Abs. 2. Das Mehrbegehren (Stempelgebühr) war abzuweisen, da die Gemeinde als Körperschaft des öffentlichen Rechtes im Rahmen des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises gemäß § 2 Z. 2 GebG 1957 von der Entrichtung der Stempelgebühren befreit ist. Diese Befreiung erstreckt sich auch auf das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (siehe die Nachweise bei Fellner, Stempel- und Rechtsgebühren MGA6, E 23 zu § 2 GebG).

Wien, am 12. Oktober 2004

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