VwGH 2001/15/0113

VwGH2001/15/011324.6.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des M in F, vertreten durch Lenz & Luger, Rechtsanwälte OEG in 6850 Dornbirn, Eisengasse 34, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg (Berufungssenat) vom 3. Mai 2000, Zl. RV 891/1-V6/99, betreffend Einkommensteuer 1996, zu Recht erkannt:

Normen

DBAbk Schweiz 1975 Art15 Z4;
EStG 1988 §47 Abs2;
DBAbk Schweiz 1975 Art15 Z4;
EStG 1988 §47 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Musiklehrer (Gitarrelehrer). Als solcher erzielte er aus der Lehrtätigkeit an zwei Schulen in Österreich Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Der Beschwerdeführer unterrichtete zudem an einer Musikschule an einem unweit der Grenze gelegenen Ort in der Schweiz. Die Einkünfte aus der letztgenannten Tätigkeit erklärte er in der Einkommensteuererklärung 1996 als solche aus selbständiger Arbeit.

Das Finanzamt ersuchte den Beschwerdeführer um Vorlage des mit der Schweizer Musikschule (MKR) abgeschlossenen Arbeitsvertrages.

Der Beschwerdeführer legte daraufhin einen "Anstellungsvertrag" mit folgendem Inhalt vor

"TAETIGKEIT

Gitarrenunterricht an der Musikschule R mit einem

voraussichtlichen Pensum von ca. 5 Std./Woche.

ADMINISTRATIVES

1. Erstellen des Stundenplanes in der ersten Schulwoche (August und Februar) in Zusammenarbeit mit Eltern und Schülern.

2. Ein bereinigter Stundenplan ist im Laufe der 2. Schulwoche dem Sekretariat abzugeben.

3. Bei unentschuldigtem Fernbleiben von Schülern ist den Eltern sofortige Meldung zu erstatten.

ARBEITSZEIT

Sie richtet sich nach dem definitiven Stundenplan und ist genau einzuhalten. Stundenplanänderungen sind dem Schulleiter vorgängig zu melden.

Ferien- und Feiertage: gleich wie Primarschulgemeinde R. Ausgefallene Lektionen müssen aus folgenden Gründen nicht nachgeholt werden: gesetzliche Feiertage, eigene Krankheit oder Unfall, Militär/Zivilschutz, andere Gründe gemäss Art. 324a OR, Absenz von Schülern. Müssen Lektionen aus anderen Gründen ausfallen, so ist vorgängig ein Dispensionsgesuch beim Schulleiter einzuholen. Die ausfallenden Stunden müssen als Einzelunterricht vorgeholt werden.

Für die Stundenplaneinteilung nach den Sommerferien stehen dem Musiklehrer die ersten 2 Schultage zur Verfügung, d.h. der normale Unterricht beginnt spätestens am Mittwoch der 1. Schulwoche. Sollte sich das im Vertrag festgesetzte Arbeitspensum wesentlich ändern, müssen beide Vertragspartner spätestens im Vorquartal davon Kenntnis haben.

GEHALT

Es gilt die Besoldungstabelle des MKR. Diese bildet integrierender Bestandteil dieses Vertrages. Der Arbeitnehmer bestätigt, ein Exemplar davon erhalten zu haben.

Sie werden bei Dienstaufnahme in die Lohnklasse 18/10 der kantonalen Besoldungstabelle eingeteilt.

Bei Stundenausfällen infolge Unfall oder Krankheit des Lehrers hat dieser während maximal 720 Tagen innert 900 Tagen Anspruch auf 80% des Lohnes. Die Bedingung ist jedoch, die umgehende Meldung an das Sekretariat und die Vorlage eines Arztzeugnisses.

Bei Militärdienst (max. 3 Wochen/Jahr) und Zivilschutzdienst werden 100 Grad / des Lohnes ausbezahlt. Die Erwerbsersatz-Entschädigungskarte ist dem Sekretariat abzugeben, ansonst keine Lohnüberweisung erfolgt.

Bei Schwangerschaft oder Niederkunft hat die Arbeitnehmerin Anspruch auf 80 Grad / des Gehaltes während 10 Wochen, wobei 6 Wochen davon nach der Niederkunft liegen müssen.

Der Lohn wird bargeldlos überwiesen.

SOZIALLEISTUNGEN

Die Kinderzulagen werden nach den kantonalen Vorschriften ausgerichtet. Die Krankenkasse sowie die Nichtberufsunfallversicherung bei einem Unterrichtspensum von weniger als 6 Wochenstunden sind vom Arbeitnehmer selber abzuschließen. Die Lohnausfallversicherung infolge Krankheit und Schwangerschaft ist obligatorisch. Arbeitgeber und Arbeitnehmer bezahlen je die halbe Versicherungsprämie. Die Berufsunfallversicherungsprämie (BU) wird vom Arbeitgeber bezahlt. Die Nichtberufsunfallversicherungsprämie (NBU) geht voll zu Lasten des Arbeitnehmers. Alle Arbeitnehmer, die mehr als 6 Wochenstunden beim MKR arbeiten, sind obligatorisch NBU versichert.

Die Pensionskasse ist für alle Arbeitnehmer, die einen Jahreslohn von Fr. 22'500.-- (Koordinationsabzug 1993) und mehr haben, obligatorisch. ist er kleiner, so kann die Pensionskasse auf freiwilliger Basis abgeschlossen werden. Das MKR übernimmt die Hälfte der Prämien.

ALLGEMEINES

Der Musiklehrer verpflichtet sich zur Mitarbeit bei Vortragsübungen und Lehrerkonventen. Die Entschädigung für diese Tätigkeit ist in den Besoldungsansätzen nach Wochenstunden enthalten. Über weitere Aktivitäten bespricht sich der Musiklehrer mit dem Schulleiter.

In den Räumlichkeiten des MKR darf kein Privatunterricht erteilt werden.

Bei Schwierigkeiten mit Schülern oder Eltern ist der Schulleiter zu verständigen. Treten Differenzen zwischen Schulleiter und Musiklehrer auf, ist der Präsident des MKR zuständig.

Als ausschließlicher Gerichtsstand wird der Sitz der Schule in R vereinbart.

Eine Kündigung des Vertrags kann nur auf Semesterende erfolgen (1 .2. oder 1.8..) und zwar unter Einhaltung einer 3- monatigen Kündigungsfrist."

In der Folge erließ das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid und behandelte dabei auch die Einkünfte aus der Unterrichtstätigkeit in der Schweiz als solche aus nichtselbständiger Arbeit (und versagte auch den mit Kilometergeldern berechneten Fahrtkosten zur Musikschule die Anerkennung).

In der Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, er lege mit den Schülern bzw. deren Erziehungsberechtigten die Unterrichtszeit, die Unterrichtsdauer (30, 40 oder 60 Minuten) und den Unterrichtsort (Musikschule oder bei den Schülern zu Hause) fest. Inhalt und Güte des zu erbringenden Musikunterrichtes hätten den allgemeinen Normen zu entsprechen. Der Beschwerdeführer bestimme in eigener Verantwortung und im Einvernehmen mit den Schülern, ob Einzel- oder Gruppenunterricht erteilt oder ob der Unterricht in Form einer Blockveranstaltung abgehalten werde. Der Beschwerdeführer stelle Lehrmittel (Effektgeräte und Verstärker für den Elektrogitarrenunterricht sowie Notenliteratur) zur Verfügung. Wenn sich ein Schüler vom Unterricht abmelde, bewirke dies eine Schmälerung des Entgeltes des Beschwerdeführers.

Unterrichtsstunden würden im Verhinderungsfall (des Beschwerdeführers oder des Schülers) nachgeholt. Der Beschwerdeführer könne sich fallweise von Berufskollegen vertreten lassen. Die Lehrtätigkeit habe im ersten Halbjahr 1996 sechs Wochenstunden, im zweiten Halbjahr 1996 acht Wochenstunden umfasst. Der Beschwerdeführer habe das Recht, Schüler aus besonderen Gründen abzulehnen. Nach dem Gesamtbild der Verhältnisse liege eine Einbindung in den Betrieb der Musikschule nicht vor. Es sei daher von Einkünften aus selbständiger Arbeit auszugehen.

In der abweisenden Berufungsvorentscheidung verwies das Finanzamt darauf, dass der Schweizer Arbeitgeber auf Grund einer dem Beschwerdeführer erteilten Grenzgängerbewilligung 3 % der ausbezahlten Bezüge an die kantonale Steuerbehörde abführe. Daher sei anzunehmen, dass auch der Arbeitgeber und die zuständige kantonale Steuerbehörde in der Schweiz von Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit ausgingen. Aus dem Arbeitsvertrag ergebe sich, dass Unterricht an der Musikschule mit einem voraussichtlichen Pensum von fünf Wochenstunden erteilt werde. Der Beschwerdeführer erstelle den Stundenplan in der ersten Schulwoche in Zusammenarbeit mit den Eltern und Schülern, er habe im Laufe der zweiten Schulwoche dem Sekretariat der Musikschule einen bereinigten Stundenplan abzugeben. Seine Arbeitszeit richte sich nach dem definitiven Stundenplan. Müssten Lektionen entfallen, so sei ein Dispensgesuch beim Schulleiter einzuholen. Die ausgefallenen Stunden müssten als Einzelunterricht nachgeholt werden. Bei Stundenausfall infolge Unfall oder Krankheit bestehe Anspruch auf 80 % des Lohnes. Aus dem Anstellungsvertrag ergebe sich nicht, dass der Beschwerdeführer (von Einzelfällen abgesehen) die Unterrichtsstunden nach Belieben abhalten könne; der Gitarrenunterricht müsse vielmehr an der Musikschule stattfinden. Da der Beschwerdeführer nur für ein Pensum von fünf Wochenstunden beschäftigt sei, sei einsichtig, dass er am Anfang des Schuljahres zusammen mit Schülern und Eltern den Stundenplan festzulegen habe. Den bereinigten Stundenplan habe er jedoch genau einzuhalten und jede Änderung dem Schulleiter "vorgängig" zu melden. Den Ausfall von Lektionen habe er ebenfalls im Voraus zu melden, ein Dispensgesuch des Schulleiters einzuholen sowie die ausgefallenen Stunden nachzuholen. Die Lohnfortzahlung sei gegeben, wenn dem Sekretariat der Musikschule umgehend ein ärztliches Zeugnis vorgelegt werde. Aus all diesen Umständen folge, dass der Beschwerdeführer nach Festlegung eines Stundenplanes unter der Aufsicht des Leiters der Musikschule in deren Betrieb voll integriert sei, da jede Abweichung vom einmal festgelegten Stundenplan gemeldet und jeder Unterrichtsausfall durch ein Dispensgesuch bewilligt werden müsse. Nach Ansicht des Finanzamtes lägen daher Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit vor.

Der Beschwerdeführer beantragte die Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. In der Folge lege er ein Schreiben der Schweizer Musikschule vom 9. Juni 1999 mit folgendem Inhalt vor:

"1. Die Lehrer setzen das Stundenausmaß (30, 40, 60 Minuten) nach pädagogischen Gesichtspunkten in Absprache mit den Schülern (Eltern) selbst fest.

2. Alle Lehrer gestalten den Stundenplan, unabhängig vom Ausmaß Ihrer Lehrverpflichtung, in Zusammenarbeit mit den Schülern (Eltern) selbst. Sie sind in der Wahl der Unterrichtszeit, des Unterrichtstages und des Unterrichtsortes frei.

3. Schüler des MKR haben Anspruch auf mindestens 38 Unterrichtseinheiten pro Jahr (19 Einheiten pro Semester). Erteilt der Musiklehrer weniger als 38 Lektionen, findet eine entsprechende Rückvergütung statt.

4. Änderungen des Stundenplanes sind jederzeit, sowohl vom Lehrer als auch vom Schüler, möglich. Eine Meldung an das Sekretariat ist aus organisatorischen Gründen erforderlich, weil die Schulleitung wissen muss, wer zuletzt das Haus verlässt. Die Lehrer sind für die Schließung der Schule selbst verantwortlich und haften für Schäden am Inventar.

5. Unsere Musikschule versteht sich als Dienstleistungsbetrieb. Es ist daher im Interesse der Musikschule, wenn Lehrer ihre Schüler in den Außengemeinden, in den dafür bereitgestellten Räumlichkeiten (Schulen) oder Privat (im Elternhaus) unterrichten. Unsere Cello Lehrerin B S beispielsweise erteilt ihren Unterricht privat bei sich zu Hause."

Mit Eingabe vom 7. Februar 2000 brachte der Beschwerdeführer vor, folgende Umstände sprächen gegen das Vorliegen eines Dienstverhältnisses:

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:

Gemäß Art. 14 Z 1 des Doppelbesteuerungsabkommens zwischen Österreich und der Schweiz, BGBl. 64/1975 (DBA - Schweiz), dürfen Einkünfte, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus einem freien Beruf oder aus sonstiger selbständiger Tätigkeit ähnlicher Art bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass diese Person für die Ausübung ihrer Tätigkeit in dem anderen Vertragsstaat regelmäßig über eine feste Einrichtung verfügt. Verfügt sie über eine solche feste Einrichtung, so dürfen die Einkünfte in dem anderen Staat besteuert werden, jedoch nur insoweit, als sie dieser festen Einrichtung zugerechnet werden können.

Gemäß Art. 15 Z 1 DBA-Schweiz dürfen Gehälter, Löhne und ähnliche Vergütungen, die eine in einem Vertragsstaat ansässige Person aus unselbständiger Arbeit bezieht, nur in diesem Staat besteuert werden, es sei denn, dass die Arbeit in dem anderen Vertragsstaat ausgeübt wird. Wird die Arbeit dort ausgeübt, so dürfen die dafür bezogenen Vergütungen in dem anderen Staat besteuert werden.

Art. 15 Z 4 des DBA-Schweiz lautet:

"Wer als Grenzgänger in einem Vertragsstaat in der Nähe der Grenze ansässig ist und in dem anderen Vertragsstaat in der Nähe der Grenze seinen Arbeitsort hat und sich üblicherweise an jedem Arbeitstag dorthin begibt, darf mit seinen Einkünften aus unselbständiger Arbeit in diesem Staat besteuert werden, in dem er ansässig ist. Der Staat des Arbeitsortes ist jedoch berechtigt, von den erwähnten Einkünften eine Steuer von höchstens 3 von 100 im Abzugsweg an der Quelle zu erheben. Soweit eine solche Steuer erhoben wird, wird sie der Staat, in dem der Grenzgänger ansässig ist, auf seine Steuer anrechnen, die auf diese Einkünfte entfällt."

Nach Art 15 Z 4 DBA - Schweiz hat die Besteuerung als Grenzgänger u.a. zur Voraussetzung, dass der Arbeitnehmer "sich üblicherweise an jedem Arbeitstag" von seinem Wohnort an den im anderen Staat gelegenen Arbeitsort begibt. Diese Voraussetzung kann auch erfüllt sein, bei Dienstverhältnissen, die nicht Arbeitsleistungen an jedem Werktag, sondern etwa nur Arbeitsleistungen an einem Tag pro Woche umfassen. Zutreffend führt die belangte Behörde aus, die Betrachtung stelle auf die auf das konkrete Dienstverhältnis bezogene Zahl der Arbeitstage ab. Die in Rede stehende Voraussetzung ist daher auch dann erfüllt, wenn die unselbständige Tätigkeit darin besteht, dass an einem Tag pro Woche Unterricht erteilt wird, und der Dienstnehmer sich üblicherweise an diesem einen Tag pro Woche für Zwecke der Arbeitsverrichtung von seinem Ansässigkeitsstaat aus an den Arbeitsort begibt.

Die Voraussetzung des arbeitstäglichen Pendelns zwischen Ansässigkeitsstaat und Arbeitsort im anderen Staat ist auch erfüllt, wenn der Dienstnehmer an "arbeitsfreien" Tagen seine Arbeitsvorbereitung zu Hause vornimmt. Der belangten Behörde ist auch darin zuzustimmen, dass der materielle Gehalt der Tätigkeit als Gitarrelehrer in der Erteilung von Gitarreunterricht besteht. Eine vom Gitarrelehrer am Wohnort vorgenommene Vorbereitung auf den Gitarreunterricht steht daher seiner Einstufung als Grenzgänger nicht entgegen.

Im Beschwerdefall ist strittig, ob der Beschwerdeführer aus dem in der Schweiz erteilten Gitarreunterricht Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit bezogen hat (in diesem Fall käme die Besteuerung in Österreich nach Art 15 Z 4 DBA - Schweiz in Betracht) oder solche aus selbständiger Arbeit. Bei Einkünften aus selbständiger Arbeit ist für die Verteilung der Besteuerungsrechte von Bedeutung, ob der Beschwerdeführer in der Schweiz über eine feste Einrichtung iSd Art 14 DBA - Schweiz verfügt hat, was er im Verwaltungsverfahren zumindest behauptet hat.

Gemäß § 47 Abs. 2 EStG 1988 liegt ein Dienstverhältnis vor, wenn der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Dies ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist.

Diese Legaldefinition des § 47 Abs. 2 EStG 1988 enthält somit als Kriterien, die für das Vorliegen eines Dienstverhältnisses sprechen, die Weisungsgebundenheit gegenüber dem Arbeitgeber und die im Zusammenhang mit der Weisungsgebundenheit formulierte Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers. Es gibt jedoch Fälle, in denen beide Kriterien noch keine klare Abgrenzung zwischen einer selbstständig und einer nichtselbstständig ausgeübten Tätigkeit ermöglichen. In diesen Fällen ist auf weitere Abgrenzungskriterien abzustellen, zu denen insbesondere das Merkmal des Vorliegens eines Unternehmerrisikos gehört (vgl Hofstätter/Reichel, § 47 Tz 4.3. EStG 1988).

Für die Frage nach dem Bestehen eines Dienstverhältnisses kommt es im Einzelfall nicht auf die von den Vertragspartnern gewählte Bezeichnung wie Dienstvertrag oder Werkvertrag an. Vielmehr sind die tatsächlich verwirklichten vertraglichen Vereinbarungen entscheidend. Für die Beurteilung einer Leistungsbeziehung ist dabei stets das tatsächlich verwirklichte Gesamtbild der vereinbarten Tätigkeit maßgebend (vgl das hg Erkenntnis vom 20. Dezember 2000, 99/13/0223).

Im Erkenntnis vom 19. Dezember 1990, 89/13/0131, hatte der Verwaltungsgerichtshof zu beurteilen, ob eine Klavierlehrerin aus dem Klavierunterricht an einer Musikschule Einkünfte aus selbständiger Arbeit oder solche aus nichtselbständiger Arbeit erzielte. Der Verwaltungsgerichtshof hat ein für die selbständige Tätigkeit sprechendes Unternehmerwagnis angenommen, weil die Höhe der Einnahmen ausschließlich von der Anzahl der abgehaltenen Kursstunden abhängig gewesen ist und bei Entfall einer Unterrichtsstunde kein Entgelt gebührt hat. Zudem hat die Klavierlehrerin Aufwendungen im Zusammenhang mit ihrer Tätigkeit, wie Kosten für An- und Rückreise, aber auch die Kosten für einen geeigneten Vertreter im Fall ihrer Verhinderung aus eigenem tragen müssen. Die Weisungsunterworfenheit und Eingliederung in den Betrieb der Musikschule hat der Verwaltungsgerichtshof im seinerzeitigen Erkenntnis deshalb nicht angenommen, weil die Klavierlehrerin der Vertragsvereinbarung zufolge bezüglich des vorzutragenden Stoffes keinen Weisungen unterworfen gewesen ist und die Einteilung der Unterrichtsstunden ihr allein oblegen ist.

Im Beschwerdefall geht die belangte Behörde davon aus, dass eine Eingliederung in den geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers bestehe. Sie stützt dies darauf, dass der Beschwerdeführer einen Stundenplan, den er zu Semesterbeginn erstelle, einzuhalten habe und Unterrichtsstunden, von Fällen der Krankheit etc abgesehen, nur nach vorheriger "Dispens" durch den Schulleiter ausfallen lassen dürfe. Weiters bestünden Meldepflichten betreffend die infolge Krankheit ausgefallenen Stunden, aber auch bezüglich des unentschuldigten Fernbleibens von Schülern und bezüglich allfälliger Schwierigkeiten im Unterricht. Die belangte Behörde verweist auch auf die Verwaltungstätigkeit der Schule, die den Schülern gegenüber als Vertragspartner in Erscheinung trete, und die Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Mitarbeit in der Musikschule bei Vortragsübungen und Lehrerkonventen. Zudem nimmt sie darauf Bedacht, dass der "Anstellungsvertrag" des Beschwerdeführers auf unbestimmte Zeit geschlossen ist.

Das tatsächliche Vorliegen der im vorigen Absatz genannten Umstände wird in der Beschwerde nicht bestritten. Der Verwaltungsgerichtshof stimmt der belangten Behörde zu, dass bei dieser Sachlage das Merkmal der Eingliederung bejaht werden kann. Da es, wie oben ausgeführt, entscheidend auf die tatsächliche Durchführung des Vertragsverhältnisses ankommt, spricht für die Eingliederung in den Betrieb des Arbeitgebers zudem auch der Umstand, dass der Beschwerdeführer den Unterricht tatsächlich (ausschließlich) an der Musikschule erteilt hat, mag auch rechtlich die Möglichkeit für einen anderen Unterrichtsort bestanden haben.

Aus der Verpflichtung zur Einhaltung des Stundenplanes konnte die belangte Behörde auch ableiten, dass in einem gewissen Ausmaß Weisungsunterworfenheit des Beschwerdeführers gegeben ist. Andererseits ist einzuräumen, dass der Beschwerdeführer hinsichtlich der Art seines Unterrichts keinen Weisungen unterlegen ist. Solcherart erweist sich das Merkmal der Weisungsunterworfenheit im Beschwerdefall jedenfalls nicht als stark ausgeprägt.

Ob im Beschwerdefall nach dem Gesamtbild der Verhältnisse die Merkmale eines Dienstverhältnisses oder jene der selbständigen Tätigkeit überwiegen, kann bei der gegebenen Konstellation erst nach Prüfung des Unternehmerwagnisses (und allenfalls weiterer Kriterien) entschieden werden.

Die belangte Behörde trifft einerseits die Feststellung, dass der Anstellungsvertrag auch tatsächlich durchgeführt worden sei und der Beschwerdeführer nach einer "Besoldungstabelle" (Lohnklasse 18/10 der kantonalen Besoldungstabelle) entlohnt worden sei. Anderseits geht die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer ausschließlich nach der Anzahl der zu leistenden Unterrichtsstunden bezahlt worden sei. Sie verweist darauf, dass der Beschwerdeführer für die (An)Werbung der Schüler selbst verantwortlich zeichne, sodass er den wirtschaftlichen Erfolg seiner Tätigkeit selbst bestimme und dass er sich (in anderen Fällen als jenen von Krankheit, etc) auf seine Kosten vertreten lassen könne, obwohl sich diese beiden Umstände nicht aus dem Anstellungsvertrag ergeben.

Hinsichtlich der Ausgabenseite des Unternehmerwagnisses geht die belangte Behörde davon aus, dass der Beschwerdeführer Lehrmittel (Notenliteratur, etc) auf eigene Kosten zur Verfügung stelle, dass aber ein Teil der Fahrtkosten und der Sozialversicherungsbeiträge von der Musikschule getragen werde. Die belangte Behörde geht also einerseits von Kosten, die der Beschwerdeführer trage, und anderseits von Kostenersätzen aus. Sie unterlässt es jedoch, diese beiden Umstände quantitativ zu beschreiben und zueinander ins Verhältnis zu setzen.

Dem angefochtenen Bescheid fehlen somit klare, auf konkrete Ermittlungen gestützte Feststellungen, anhand derer das Unternehmerwagnis beurteilt werden könnte. Der angefochtene Bescheid enthält sich insbesondere auch jeglicher Feststellungen betreffend die Art der Besoldungstabelle und die Art der Berechnung des "Gehaltes" unter Heranziehung der "Lohnklasse 18/10" dieser Besoldungstabelle (und bei Berücksichtigung der tatsächlich erbrachten Unterrichtsstunden). Da entscheidendes Gewicht den tatsächlichen Verhältnissen zukommt, bedürfte es auch Feststellungen zu der Frage, ob sich der Beschwerdeführer tatsächlich (und in welchem Ausmaß) hat vertreten lassen und ob sich die Gitarreschüler tatsächlich in relevantem Ausmaß wegen der vom Beschwerdeführer entfalteten (An)Werbetätigkeit an ihn als Lehrer gewandt haben.

Dem angefochtenen Bescheid mangelt es sohin an Sachverhaltsfeststellungen, anhand derer insbesondere das Unternehmerwagnis beurteilt und in weiterer Folge entschieden werden kann, ob die Merkmale der unselbständigen oder jene der selbständigen Tätigkeit überwiegen.

In diesem Zusammenhang sei noch darauf hingewiesen, dass es ein Indiz gegen das Vorliegen eines Unternehmerrisikos darstellt, dass der Beschwerdeführer trotz des Unterbleibens von Arbeitsleistungen an Feiertagen und im Krankheitsfall den Entlohnungsanspruch (zum Großteil) behält.

Wie sich aus dem Vorstehenden ergibt, ist der angefochtene Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet und war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 3 VwGG aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II 333/2003. Der Pauschalsatz für den Schriftsatzaufwand beinhaltet auch die Umsatzsteuer.

Wien, am 24. Juni 2004

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