VwGH 2001/08/0223

VwGH2001/08/02234.8.2004

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Strohmayer und Dr. Köller als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des P in W, vertreten durch Dr. Reinhard Kohlhofer, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fasangartengasse 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 25. Oktober 2001, Zl. MA 15-II-K 75/2001, betreffend Zurückweisung eines Einspruches in einer Angelegenheit nach dem B-KUVG (mitbeteiligte Partei: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, 1081 Wien, Josefstädterstraße 80), zu Recht erkannt:

Normen

ASVG §177 Abs2;
ASVG §354 Z1;
ASVG §355;
ASVG §367 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
BKUVG §92 Abs3;
ASVG §177 Abs2;
ASVG §354 Z1;
ASVG §355;
ASVG §367 Abs1;
ASVG §412 Abs1;
BKUVG §92 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens steht folgender Sachverhalt außer Streit:

Der Kläger ist Mitglied des Balletts der Wiener Volksoper und somit Dienstnehmer der Wiener Volksoper GmbH. Nach dem Ende der Probe am 17. Dezember 1998 hat er sich beim Abrutschen von einer Treppenstufe einen Teileinriss der Achillessehne zugezogen.

Die mitbeteiligte Partei hat mit Bescheid vom 12. Jänner 2000 diesen Vorfall nicht als Dienstunfall anerkannt. Der Beschwerdeführer hat dagegen Klage beim Arbeits- und Sozialgericht Wien erhoben und den Urteilsantrag gestellt, es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die Gesundheitsstörung, die er am 17. Dezember 1998 beim Treppensteigen in der Wiener Volksoper erlitten habe, nämlich ein Teileinriss der linken Achillessehne, Folge eines Dienstunfalles sei, in eventu, es werde mit Wirkung zwischen den Parteien festgestellt, dass die degenerative Veränderung der linken Achillessehne des Klägers eine Berufskrankheit sei.

Das Arbeits- und Sozialgericht Wien hat mit Urteil vom 6. September 2000 das Klagebegehren abgewiesen. In der Begründung ist dazu ausgeführt worden, die beim Kläger eingetretene Gesundheitsschädigung sei nicht Folge eines Dienstunfalles. Der beim Beschwerdeführer bestehende Gesundheitsschaden an der Achillessehne sei von der Liste der Berufskrankheiten nicht erfasst. Es liege damit keine abstrakte Berufskrankheit vor. Ob eine Berufskrankheit im Sinne des § 92 Abs. 3 B-KUVG (konkrete Berufskrankheit) vorliege, könne vom Sozialgericht als Vorfrage nicht geprüft werden. Für eine solche Feststellung sei ausschließlich der Träger der Unfallversicherung zuständig.

Der Beschwerdeführer hat daraufhin am 18. Dezember 2000 bei der mitbeteiligten Partei den Antrag gestellt, die degenerative Veränderung der linken Achillessehne, welche für den am 17. Dezember 1998 eingetretenen Teileinriss der Sehne kausal sei, als konkrete Berufskrankheit anzuerkennen.

Die mitbeteiligte Partei hat mit Bescheid vom 30. Jänner 2001 ausgesprochen, dass gemäß § 92 Abs. 3 B-KUVG eine Berufskrankheit im Einzelfall nicht vorliege. In der Begründung ist nach Wiedergabe der genannten Gesetzesstelle ausgeführt worden, der Leidenszustand des Beschwerdeführers sei weder auf schädigende Stoffe noch auf Strahlen zurückzuführen. Die Voraussetzungen für eine Anerkennung im Einzelfall lägen somit nicht vor.

Der Beschwerdeführer hat Einspruch erhoben. Darin hat er ausgeführt, der Zustand seiner Achillessehne sei eine direkte Folge der jahrelangen beruflichen Tätigkeit als Tänzer. Wie aus den unter Nr. 19, 20, 22 bis 25 in der Anlage 1 zum ASVG aufgezeichneten Erkrankungen zu erkennen sei, gehe der Gesetzgeber davon aus, dass chronische Leiden, welche durch berufliche Tätigkeit bedingt seien (Abnützungserscheinungen) vom sozialversicherungsrechtlichen Schutz erfasst sein sollten. Die im § 92 Abs. 3 B-KUVG angeführten Stoffe und Strahlungen könnten daher nur so verstanden werden, dass jede durch die ausgeübte berufliche Tätigkeit hervorgerufene, länger andauernde schädigende Einwirkung auf den Körper, daher auch Abnützungserscheinungen, zu berücksichtigen seien.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde diesen Einspruch als unzulässig zurückgewiesen. In der Begründung hat sie festgehalten, bei der Feststellung einer Berufskrankheit nach § 92 Abs. 3 B-KUVG handle es sich um eine Leistungssache nach § 354 Z. 1 ASVG, über die der Landeshauptmann nicht entscheiden dürfe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird. Die mitbeteiligte Partei hat sich am Verfahren nicht beteiligt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer macht geltend, im vorliegenden Fall gehe es nicht um eine Leistung, sondern um die Feststellung, ob eine Berufskrankheit vorliege. Ein solches Feststellungsverfahren sei im § 354 ASVG "explizit nicht erwähnt". Mit einer Feststellung einer konkreten Berufskrankheit sei ex lege kein Leistungsantrag verbunden. Letztlich komme noch hinzu, dass eine Subsumtion des Verfahrens zur Anerkennung einer konkreten Berufskrankheit unter den Begriff der Leistungssache zu unlösbaren Problemen mit dem Grundsatz der Trennung von Justiz und Verwaltung (Art. 94 B-VG) führen würde. Im Zuge eines solchen Feststellungsverfahrens habe die Behörde nämlich auch die "Zustimmung des Bundesministers für soziale Verwaltung" einzuholen. Bei einer Qualifikation als Leistungssache müsste daher auch ein allfällig im Zuge der sukzessiven Kompetenz angerufenes Gericht für seine Entscheidung die Zustimmung des Bundesministers einholen. Eine derartige Verbindung zwischen Justiz und Verwaltung sei jedoch unzulässig. Die von der belangten Behörde vorgenommene Interpretation sei daher denkunmöglich bzw. verfassungswidrig.

Diesen Ausführungen ist nicht zu folgen:

Bescheide der Versicherungsträger in Verwaltungssachen können binnen einem Monat nach der Zustellung durch Einspruch an den zuständigen Landeshauptmann angefochten werden (§ 412 Abs. 1 ASVG). Nach § 355 ASVG sind alle nicht gemäß § 354 als Leistungssachen geltenden Angelegenheiten, für die nach § 352 die Bestimmungen dieses Teiles gelten, Verwaltungssachen. Nach § 354 Z. 1 - die Z. 2 bis 4 sind im Beschwerdefall nicht einschlägig - sind Leistungssachen die Angelegenheiten, in denen es sich um die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung einschließlich einer Feststellung nach § 367 Abs. 1, soweit nicht hiebei die Versicherungszugehörigkeit (§§ 13 bis 15), die Versicherungszuständigkeit (§ 26 bis 30), die Leistungszugehörigkeit (§ 245) oder die Leistungszuständigkeit (§ 246) in Frage steht, handelt. Gegenstand einer Leistungssache nach § 354 Z. 1 ist entweder die Feststellung des Bestandes, des Umfanges oder des Ruhens eines Anspruches auf eine Versicherungsleistung oder eine Feststellung nach § 367 Abs. 1 ASVG. Nach § 367 Abs. 1 zweiter Satz ist über den Antrag auf Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge eines Arbeitsunfalles bzw. einer Berufskrankheit ist, auch wenn nach Eintritt einer Gesundheitsstörung eine Leistung aus der Unfallversicherung nicht anfällt, jedenfalls ein Bescheid zu erlassen. Die Feststellung, dass eine Gesundheitsstörung Folge einer Berufskrankheit ist, ist somit eine Leistungssache. Dies unabhängig davon, ob es sich um eine abstrakte Berufskrankheit, also eine in der Anlage 1 zum ASVG aufgezählten, handelt oder um eine im Einzelfall festzustellende Berufskrankheit (§ 92 Abs. 3 B-KUVG, § 177 Abs. 2 ASVG). Nun ist aber der Landeshauptmann, soweit er gemäß § 412 ASVG zur Entscheidung über Einsprüche gegen Bescheide der Versicherungsträger berufen ist, nur in Verwaltungssachen zuständig, nicht aber in Leistungssachen. Die belangte Behörde hat daher den Einspruch des Beschwerdeführers zutreffend zurückgewiesen, weil es sich bei dieser Rechtssache gemäß § 354 i.V.m. § 367 Abs. 1 ASVG zweifelsfrei um eine Leistungssache gehandelt hat.

Ob gegen einen Feststellungsbescheid zur Frage des Vorliegens einer Berufskrankheit gemäß § 92 Abs. 3 B-KUVG gemäß § 65 Abs. 2 ASGG der Rechtszug an die Arbeits- und Sozialgerichte oder - in Ermangelung eines solchen (aber auch eines anderen) Rechtszuges - gemäß Art. 131 B-VG unmittelbar die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof eröffnet ist, kann daher auf sich beruhen, weil der Verwaltungsgerichtshof in diesem Beschwerdeverfahren ausschließlich die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides zu prüfen hat.

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 4. August 2004

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