Normen
BauO Wr §101 Abs3 idF 1996/042;
BauO Wr §71;
BauO Wr 1883 §38 Abs2 idF 1920/808;
BauO Wr 1883 §90a idF 1920/808;
MRKZP 01te Art1 Abs1;
StGG Art5;
BauO Wr §101 Abs3 idF 1996/042;
BauO Wr §71;
BauO Wr 1883 §38 Abs2 idF 1920/808;
BauO Wr 1883 §90a idF 1920/808;
MRKZP 01te Art1 Abs1;
StGG Art5;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird, soweit er das Fenster der Dachgeschosswohnung betrifft, wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Die Bundeshauptstadt Wien hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist Eigentümerin eines in Wien 14. gelegenen, mehrstöckigen Wohnhauses, der Mitbeteiligte ist Eigentümer eines angrenzenden Grundstückes. In der an das Grundstück des Mitbeteiligten angrenzenden Feuermauer des Wohnhauses der Beschwerdeführerin befinden sich mehrere Fensteröffnungen.
Mit Schriftsatz vom 19. Mai 1999 (Eingangsstampiglie vom 26. Mai 1999) brachte der Mitbeteiligte vor, er widerrufe eine allenfalls vom Voreigentümer seiner Liegenschaft erteilte Zustimmung, solche Öffnungen in der Feuermauer zu haben, und stelle den Antrag, der Beschwerdeführerin den baupolizeilichen Auftrag zu erteilen, sämtliche in der Feuermauer befindlichen Fensteröffnungen ordnungsgemäß gemäß der Wiener Bauordnung zu verschließen und die Feuermauer flächendeckend ordnungsgemäß mit Verputz zu versehen.
Die Beschwerdeführerin trat dem Antrag entgegen.
Mit dem erstinstanzlichen Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, MA 37, vom 3. Mai 2000 wurde
unter Punkt 1. gemäß § 101 Abs. 3 der Bauordnung für Wien (kurz: BO) die mit einem näher bezeichneten Bescheid vom 5. Mai 1924 auf jederzeitigen Widerruf erteilte Bewilligung für drei Fensteröffnungen in dieser Feuermauer, und zwar eine Fensteröffnung in der Waschküche im Kellergeschoss und zwei Fensteröffnungen in dem dem Stiegenhaus gegenüberliegenden Raum im ersten Stock (1. Absatz), sowie weiters das Recht zur Belassung der entsprechend einem näher bezeichneten genehmigten Bauplan vom 19. April 1960 als bewilligt geltenden Fensteröffnungen in dem dem Stiegenhaus gegenüberliegenden Raum in der Dachgeschosswohnung widerrufen (2. Absatz), und der Eigentümerin des betreffenden Hauses (der Beschwerdeführerin) der Auftrag erteilt, "die vorhin beschriebenen 3 Feuermaueröffnungen" in voller Feuermauerstärke abmauern zu lassen 3. Absatz).
Zugleich wurde (4. Absatz) gemäß § 68 Abs. 3 AVG das aus der Bewilligung vom 5. Mai 1924 und aus der Benützungsbewilligung vom 31. Juli 1961 erfließende Recht zur Verwendung näher bezeichneter Räume als Aufenthaltsraum (Wohnraum) entzogen. Die Benützung dieser Räume als Aufenthaltsräume sei ab dem Zeitpunkt unzulässig und daher aufzulassen, zu welchem die Abmauerung der Feuermaueröffnung erfolge.
Unter Punkt 2. erging der Auftrag, zwei weitere, näher umschriebene Fensteröffnungen in dieser Feuermauer abmauern zu lassen.
Alle aufgetragenen Maßnahmen seien binnen drei Monaten ab Rechtskraft des Bescheides durchzuführen.
Dagegen erhob die Beschwerdeführerin Berufung.
Nach ergänzenden Ermittlungen hat die belangte Behörde mit dem angefochtenen Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG den Punkt 2. des angefochtenen Bescheides zur Gänze und den 4. Absatz des Punktes 1. (Verbot der Benützung der Räume als Aufenthaltsräume) ersatzlos behoben, und den dritten Absatz des Punktes 1. dahingehend abgeändert, dass es statt "3 Feuermaueröffnungen" richtig "4 Feuermaueröffnungen" zu lauten habe. Im Übrigen wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen.
Begründend führte die belangte Behörde aus, anlässlich einer über den Antrag des Mitbeteiligten an Ort und Stelle durchgeführten mündlichen Verhandlung habe der Amtssachverständige festgestellt, dass an der gemeinsamen Grundgrenze beider Liegenschaften in dieser Feuermauer insgesamt sechs Öffnungen bestünden, von denen insgesamt vier Öffnungen mit Bescheiden aus den Jahren 1924 und 1960 baubehördlich bewilligt worden seien. Daraufhin sei der erstinstanzliche Bescheid ergangen.
Nach Wiedergabe der Berufung und des § 101 Abs. 3 BO heißt es weiter, nach den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens seien insgesamt sechs Öffnungen in dieser Feuermauer festgestellt worden. Hievon seien "zwei" (richtig: drei) Öffnungen mit Bescheid vom 5. Mai 1924 auf jederzeitigen Widerruf bewilligt worden. Eine Öffnung sei in dem Bauplan eingezeichnet worden, welcher einen Bestandteil des Bescheides vom 19. April 1960 bilde. Sie sei daher als bewilligt anzusehen. Diese Bewilligung könne auch nur auf Widerruf als erteilt gelten, weil bereits die im Jahr 1960 geltende Fassung des § 101 Abs. 3 BO Öffnungen in Feuermauern nur gegen Widerruf und so lange zugelassen habe, als der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zustimme.
Nach dem im Beschwerdefall maßgeblichen § 101 Abs. 3 letzter Satz BO habe der Widerruf von solchen Öffnungen bereits dann - und allein deshalb - zu erfolgen, wenn die Eigentümer der Nachbarliegenschaft es verlangten. Da ein solches Verlangen auf Grund des Schreibens des Mitbeteiligten vom 19. Mai 1999 zweifelsfrei vorliege, habe die erstinstanzliche Behörde den Widerruf der zuvor angeführten Bewilligungen zu Recht ausgesprochen. Dem Berufungsvorbringen sei entgegenzuhalten, dass der Beschwerdeführerin nach dem klaren Wortlaut des § 101 Abs. 3 letzter Satz BO kein Recht auf ein Belassen der Öffnungen auf bestimmte Zeit zustehe. Die Frage, ob der Widerruf daher willkürlich oder schikanös erfolgt sei, stelle sich nicht, weil sie gemäß dieser Gesetzesstelle jederzeit mit dem Widerruf der Baubewilligung rechnen müsse. Weiters stelle diese Bestimmung nicht darauf ab, dass sich die Sachlage geändert haben müsste, die zum Zeitpunkt der Erteilung der Bewilligungen gegeben gewesen sei.
Letztlich sei zu bemerken, dass dem von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführten Schonungsprinzip im Zusammenhang mit dem Widerruf von Feuermaueröffnungen gemäß § 101 Abs. 3 BO nur insofern Bedeutung zukomme, als ein Widerruf nur aus sachlichen Erwägungen erfolgen dürfe. Dies treffe hier zu, weil der Widerruf ausschließlich aus einem im Gesetz genannten Grund - nämlich dem Widerruf der Zustimmung des Nachbarn - erfolge. Es sei jedenfalls baurechtlich irrelevant, ob der Widerruf zivilrechtlich zulässig gewesen sei (Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1955, Zl. 2004/53, Slg. 3659/A).
Der dritte Absatz des Punktes 1. des Spruches, mit welchem der Beschwerdeführerin der Auftrag erteilt worden sei, die Feuermaueröffnungen in Feuermauerstärke abmauern zu lassen, sei insofern fehlerhaft formuliert, als nur von drei solchen Öffnungen die Rede sei. Auf Grund der Textabfolge im Punkt 1. sei jedoch dem Sinnzusammenhang nach klar, dass insgesamt vier und nicht drei Öffnungen gemeint gewesen seien. Dieser Teil des Spruches sei daher entsprechend zu berichtigen gewesen.
Hingegen sei der Auftrag im letzten Absatz des Punktes 1 des Spruches, mit welchem das Recht zur Benützung zweier Räume als Aufenthaltsräume entzogen worden sei, nicht gerechtfertigt (wird unter Hinweis auf das im ergänzenden Ermittlungsverfahren eingeholte medizinische Gutachten näher begründet).
Zu Punkt 2. des angefochtenen Bescheides könne hinsichtlich dieser beiden Feuermaueröffnungen ein vermuteter Konsens angenommen werden (wird näher ausgeführt), sodass auch dieser Punkt ersatzlos zu beheben gewesen sei. Zur Klarstellung sei jedoch zu bemerken, dass die erstinstanzliche Behörde auf Grund des Widerrufs der Zustimmung des Eigentümers der Nachbarliegenschaft in einem neuen Verfahren den Widerruf der vermuteten Baubewilligungen auf der Grundlage des § 101 Abs. 3 BO auszusprechen haben werde.
Gegen den abweislichen Teil dieses Bescheides erhob die Beschwerdeführerin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Beschluss vom 24. September 2001, B 947/01-7, die Behandlung der Beschwerde ablehnte und sie antragsgemäß dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat.
In der über Auftrag des Verwaltungsgerichtshofes ergänzten Beschwerde wird inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und, ebenso wie der Mitbeteiligte, in einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 101 der Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930, trifft nähere Bestimmungen zu Feuer- und Brandmauern.
Abs. 3 dieses Paragraphen lautete in der Stammfassung:
"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern gegen Widerruf ist zu gestatten und solange zulässig, als der Eigentümer der Nachbarliegenschaft zustimmt und keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen."
Mit der Bauordnungsnovelle 1976, LGBl. Nr. 18, erhielt § 101 Abs. 3 BO folgende Fassung:
"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern keine öffentlichen Rücksichten entgegenstehen. Die Bewilligung ist zu widerrufen, sobald die Eigentümer der Nachbarliegenschaft oder öffentliche Interessen dies verlangen."
Mit der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 wurde dieser Absatz abermals neu gefasst und hatte zu lauten:
"Die Herstellung von Öffnungen in Feuermauern ist mit Zustimmung der Eigentümer der Nachbarliegenschaft nur gegen jederzeitigen Widerruf zulässig, sofern mit der Öffnung der Feuermauer keine Gefährdung des Lebens oder der Gesundheit von Menschen gegeben sein kann sowie ein Brand größeren Umfanges oder ein mit erheblichen Gefahren verbundener Brand nicht zu erwarten ist. Der Widerruf hat zu erfolgen, sobald die Eigentümer der Nachbarliegenschaft oder öffentliche Interessen dies verlangen."
Diese Fassung gemäß LGBl. Nr. 42/1996 galt im Zeitraum des Verwaltungsverfahrens.
Die Beschwerdeführerin bekämpft zunächst die mit dem angefochtenen Bescheid verfügte Richtigstellung der Anzahl der gemäß dem Punkt 1. des erstinstanzlichen Bescheides zu vermauernden Fensteröffnungen. Damit ist sie nicht im Recht. Zutreffend hat die belangte Behörde dargelegt, dass es im Hinblick auf die Diktion und den Aufbau dieses Spruchteiles nicht zweifelhaft sein kann, dass die zuvor genannten vier Öffnungen abgemauert werden sollen, somit bei der Bezifferung mit "3" ein offenkundiger Schreibfehler (§ 62 Abs. 4 AVG) vorlag.
Die Beschwerdeführerin vertritt weiters hinsichtlich der Fensteröffnung im Dachgeschoss, welche die belangte Behörde als nach § 101 Abs. 3 BO genehmigt angenommen hat, sowie auch hinsichtlich der Öffnungen, die mit Bescheid vom 5. Mai 1924 bewilligt wurden, die Auffassung, der Widerruf des Konsenses durch die Baubehörde stelle einen Eigentumseingriff dar, der nicht willkürlich erfolgen dürfe und überhaupt nur in Betracht komme, wenn berechtigte Interessen des Nachbarn oder der Öffentlichkeit dies verlangten, und das auch nur unter Schonung der Rechte des vom Widerruf betroffenen Liegenschaftseigentümers, in dessen Eigentumsrecht ja eingegriffen werde.
Dieser Auffassung ist nicht zu folgen. § 101 Abs. 3 BO vermittelt dem Eigentümer des Bauwerkes mit der betreffenden Feuermauer von vornherein kein unangreifbares, "stabiles" Recht, sondern nur eine (unter anderem) von der andauernden Zustimmung des Nachbarn abgeleitete - und hievon abhängige - Berechtigung. Folgerichtig ordnet § 101 Abs. 3 BO den Widerruf der baubehördlich erteilten Bewilligung an, sobald (unter anderem) der Eigentümer der Nachbarliegenschaft dies verlangt, wobei nach dem maßgeblichen Wortlaut des Gesetzes die Behörde die Motive des Nachbarn und deren Gewichtigkeit nicht zu hinterfragen hat. Die Beschwerdeführerin übersieht auch, dass der begünstigte Eigentümer des Bauwerkes (mit der Feuermauer) die Möglichkeit hat, die Zustimmung des Nachbarn durch eine privatrechtliche Vereinbarung zu sichern, worauf auch der Verfassungsgerichtshof in seinem Ablehnungsbeschluss vom 24. September 2001 verwies. Vor diesem Hintergrund kann nicht die Rede davon sein, dass der infolge des Verlangens des Mitbeteiligten erfolgte Widerruf eines gemäß § 101 Abs. 3 BO erteilten Konsenses (ein solcher wurde von der belangten Behörde bezüglich der Fensteröffnung im Dachgeschoss angenommen) einen unvertretbaren, rechtswidrigen Eingriff in das Eigentumsrecht der Beschwerdeführerin bedeutete (siehe im Übrigen das von der belangten Behörde genannte hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1955, Slg. Nr. 3659/A).
Die belangte Behörde hat die Fensteröffnung im Dachgeschoss als - wenngleich nur gem. § 101 Abs. 3 BO - genehmigt angenommen, weil sie in dem Bauplan eingezeichnet worden sei, welcher einen Bestandteil des Bescheides vom 19. April 1960 bilde (damit, dass die Öffnung etwa ausdrücklich im Spruch des Bescheides vom 19. April 1960 genehmigt worden wäre oder aus anderen Gründen als genehmigt anzusehen sei als deshalb, weil sie im Plan - welcher den vorgelegten Verwaltungsakten lediglich in einer schwarz-weiß Ablichtung angeschlossen ist - aufscheine, hat die belangte Behörde nicht argumentiert).
Daraus allein, dass eine Fensteröffnung in diesem Plan eingezeichnet ist, kann aber noch nicht abgeleitet werden, dass sie auch mit dem Bescheid vom 19. April 1960 bewilligt worden wäre. Das wäre nämlich - stellte man nur auf den Plan ab - dann zu verneinen, wenn die Öffnung im Plan durch entsprechende Farbgebung lediglich als Bestand und nicht als projektgegenständlich ausgewiesen wäre. Dazu haben die Behörden des Verwaltungsverfahrens aber keine Feststellungen getroffen. Damit kann aber noch nicht beurteilt werden, ob hinsichtlich dieser Fensteröffnung überhaupt ein Konsens besteht und wenn ja, welcher Art. Damit belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid insofern mit Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Hinsichtlich der weiteren drei Fensteröffnungen gemäß dem Bescheid des Magistratischen Bezirksamtes für den XIII. Bezirk in Wien (Stadtbauamt - Abteilung) vom 5. Mai 1924 gilt Folgendes: Mit diesem Bescheid wurde die Bewilligung der Herstellung der drei Feuermauerdurchbrüche "nur gegen jederzeitigen Widerruf" erteilt und es heißt weiter, bei Auflassung seien die Feuermaueröffnungen in voller Stärke zu vermauern. Eine Rechtsgrundlage für diese Bewilligung ist in diesem Bescheid nicht genannt. Die nunmehrige BO, LGBl. Nr. 11/1930, galt damals (1924) noch nicht.
§ 101 Abs. 3 BO zählt auch nicht zu jenen Vorschriften, die "zurückwirken"; in Art. III Abs. 6 BO in der Stammfassung ist zwar unter anderem § 101 Abs. 2 aufgezählt, nicht aber auch
§ 101 Abs. 3, sodass nach Art. III Abs. 7 BO in der Stammfassung "die bisherigen gesetzlichen Bestimmungen" zu gelten hatten. Auch nach der gegenwärtigen Fassung des Art. III Abs. 6 BO (gemäß der Novelle LGBl. Nr. 18/1976) gehört zwar (unter anderem) § 101 Abs. 2, nicht aber § 101 Abs. 3 BO zu jenen Bestimmungen, die für bestehende Baulichkeiten zu gelten haben.
Der Bescheid vom 5. Mai 1924 erging im zeitlichen Geltungsbereich der Bauordnung für Wien, NÖ LGBl. Nr. 35/1883 (kurz: BO 1883), in der Fassung der Novelle NÖ LGBl. Nr. 808/1920. Nach der damaligen Rechtslage war die Herstellung von Fensteröffnungen in den Feuermauern überhaupt nicht vorgesehen (und vielmehr grundsätzlich unstatthaft): § 38 Abs. 2 BO 1883 normierte nämlich den Grundsatz, dass in den Feuermauern keine Öffnungen gegen die Nachbargründe angebracht werden durften, und in diesen Mauern nur ausnahmsweise mit Bewilligung der Baubehörde zum Zweck der Verbindung einzelner Räumlichkeiten der Geschosse aneinanderstoßenden Gebäude Türen angebracht werden konnten. Die Möglichkeit, auch Fensteröffnungen in Feuermauern anzubringen, wurde somit erst mit § 101 Abs. 3 BO (unter den dort genannten Voraussetzungen) geschaffen (siehe dazu Wolf, Die Bauordnung für Wien (1930), Seite 181, und auch Bistritschan, Bauordnung für Wien (1930), Seite 170; siehe auch die historischen Ausführungen im Rahmen der Widergabe der Begründung des angefochtenen Bescheides im schon genannten hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1955, Slg. Nr. 3659). Es kann aber angenommen werden, dass der Bescheid vom 5. Mai 1924 auf Grundlage des (mit der Novelle LGBl. für Niederösterreich Nr. 547/1920 eingefügten) § 90a BO 1883 erging, wonach die Baubehörde Bauausführungen für vorübergehende Zwecke auf eine bestimmte Zeit oder auf Widerruf unter Festsetzung der nach der Lage des Falles erforderlichen Bedingungen - ohne an die sachlichen Vorschriften der BO 1883 gebunden zu sein - gestatten konnte (vgl. nunmehr § 71 BO - siehe dazu Wolf, aaO, Seite 142, auch mit Hinweis auf Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu befristeten oder unter Vorbehalt des Widerrufes erteilten Baubewilligungen, woraus sich ergibt, dass solche Bewilligungen schon zu Beginn des 20. Jahrhunderts ergingen; nach welcher Rechtslage (oder allenfalls nur nach der Verwaltungspraxis), ist im Beschwerdefall nicht zu untersuchen.
Auch der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass der im Bescheid vom 5. Mai 1924 vorgesehene jederzeitige Widerruf nicht willkürlich erfolgen darf, ein sachlich gerechtfertigter Grund für den Widerruf ist aber schon darin zu erblicken, dass der Mitbeteiligte als Eigentümer der angrenzenden Liegenschaft die Beseitigung auch dieser Öffnungen begehrt hat, womit letztlich im Ergebnis sinngemäß das Gleiche gilt wie für einen Widerruf nach § 101 Abs. 3 BO (auf obige Ausführungen wird verwiesen).
Zur Prüfung der Frage, ob die Beschwerdeführerin in verfassungsrechtlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde, ist der Verwaltungsgerichtshof nicht berufen.
Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er die Fensteröffnung im Dachgeschoss betrifft, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG wegen Rechtswidrigkeit in Folge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 24. Februar 2004
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)