Normen
BAO §103 Abs1;
BAO §224;
BAO §103 Abs1;
BAO §224;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Finanzamtes vom 17. Februar 1994 wurde die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihre Geschäftsführungsfunktion als Haftungspflichtige gemäß § 9 BAO für aushaftende Abgabenschuldigkeiten der K GmbH im Ausmaß von S 643.676,-- herangezogen.
In einer dagegen erhobenen Berufung führte die durch einen Rechtsanwalt vertretene Beschwerdeführerin im Wesentlichen aus, sie sei über Ersuchen der Hannelore K nur "proforma Geschäftsführerin" der K GmbH gewesen. Dass sie lediglich "als proforma Geschäftsführerin bestellt" gewesen sei, ergebe sich aus der Aussage des Josef M, welcher anlässlich seiner Vernehmung am Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich angegeben habe, dass der Geschäftsbetrieb von Hannelore und Wilhelm K sowie Herbert F geführt werde. Hannelore K habe anlässlich ihrer Vernehmung am Landesgendarmeriekommando für Oberösterreich zu Protokoll gegeben, dass die Beschwerdeführerin und Isabel T lediglich "als proforma Geschäftsführerinnen eingesetzt" gewesen seien und auf die Geschäftsführung der Gesellschaft überhaupt keinen Einfluss gehabt hätten. Schließlich ergebe sich auch aus ihrer Wohnadresse, dass sie lediglich "proforma Geschäftsführerin" der K GmbH gewesen sei, weil sich auf Grund der doch erheblichen Distanz zwischen der Betriebsstätte der K GmbH und ihrem Wohnort zwingend ergebe, dass sie eine Geschäftsführung in der Gesellschaft niemals hätte ausüben können. Die Beschwerdeführerin merkte auch an, dass sie im Juni 1992 "zur proforma Geschäftsführerin der genannten Gesellschaft bestellt" worden sei. Zu diesem Zeitpunkt seien die Abgabenschuldigkeiten bereits zum Großteil entstanden gewesen und habe die K GmbH zum Zeitpunkt der Bestellung der Beschwerdeführerin zur Geschäftsführerin über keine Mittel verfügt, um ihren Abgabenverbindlichkeiten nachzukommen.
Mit Berufungsvorentscheidung wies das Finanzamt die Berufung ab. Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass die freiwillige Selbstbeschränkung eines Geschäftsführers in der Weise, dass er sich um die Abgabenangelegenheiten nicht kümmere, sei es, weil er nicht kann, nicht will oder einen anderen Aufgabenbereich übernommen habe, ihn grundsätzlich nicht von der Haftung gemäß § 9 BAO befreien könne. Jeder Geschäftsführer sei dazu verhalten, durch entsprechende Überwachung der mit den Abgabenangelegenheiten Betrauten sicherzustellen, dass die Abgabenschuldigkeiten entrichtet würden. Dass dies geschehen wäre, sei in der Berufung gar nicht vorgebracht worden, sodass von einem schuldhaften Verhalten der Beschwerdeführerin ausgegangen werden müsse. Unrichtig sei, dass die Abgabenrückstände zum Teil aus einer Zeit stammten, in der die Beschwerdeführerin noch nicht Geschäftsführerin gewesen sei, da die Fälligkeiten bzw. die Zahlungsfristen der im Haftungsbescheid genannten Abgaben "sämtlich" im Jahr 1993 gelegen seien. Dass 1993 keine Mittel vorhanden gewesen seien, werde in concreto nicht behauptet und sei angesichts der Tatsache, dass die K GmbH erst im Oktober 1993 in Konkurs gegangen sei und bis "dort hin" dem Finanzamt gar nichts bezahlt worden sei, vermessen, weil sich kein anderer Gläubiger "zehn Monate mit nichts abspeisen" lasse. Der Haftungsbetrag sei allerdings auf die noch unberichtigt aushaftenden Abgabenbeträge herabzusetzen.
Die Beschwerdeführerin stellte den Antrag auf Entscheidung der Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Ergänzend führte sie aus, sie sei nur kurze Zeit nach ihrer Bestellung "proforma Geschäftsführerin" gewesen, habe aber gesehen, dass sie sich um die GmbH nicht weiter kümmern habe können. Daher habe sie noch im Juni 1992 die Geschäftsführerfunktion zurückgelegt und um Löschung aus dem Handelsregister ersucht.
In der Folge wies die belangte Behörde in einem an die Beschwerdeführerin gerichteten Bedenkenvorhalt darauf hin, dass der Geschäftsführer berechtigt sei, jederzeit - auch gegen den Willen der Gesellschafter - durch einseitig empfangsbedürftige Willenserklärung der Gesellschaft mit beschränkter Haftung gegenüber seine Funktion als Geschäftsführer niederzulegen. Dabei sei es belanglos, ob der Geschäftsführer nach diesem Zeitpunkt noch als Geschäftsführer der Gesellschaft im Firmenbuch eingetragen sei oder nicht. Die Erklärungsempfänger der Niederlegung seien jedenfalls der Aufsichtsrat oder die Gesellschafter. Der Geschäftsführer könne für die Nichtentrichtung der nach dem Tag, an dem er seine Funktion als Geschäftsführer niedergelegt habe, fällig gewordenen Abgaben nicht zur Haftung herangezogen werden. Die Beschwerdeführerin werde daher ersucht, bekannt zu geben, wem gegenüber sie ihren Rücktritt als Geschäftsführerin der K GmbH bekannt gegeben habe. Dem Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz sei zu entnehmen, dass Zeugen namhaft gemacht werden könnten. Es wären die Namen, Adressen und das Beweisthema, zu dem eine Befragung erfolgen solle, bekannt zu geben. Eine Beantwortung dieses nachweislich zugestellten Schreibens erfolgte nicht.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung nur insoweit stattgegeben, als der Haftungsbetrag auf S 557.062,74 eingeschränkt wurde. Begründet wurde die Entscheidung hinsichtlich des im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz gestellten Vorbringens im Wesentlichen damit, dass die Beschwerdeführerin schriftlich aufgefordert worden sei, entsprechende Beweise hinsichtlich ihrer Rücktrittserklärung vorzulegen. Dies sei jedoch nicht geschehen. Hinzu komme, dass das Argument, die Beschwerdeführerin habe die Geschäftsführungstätigkeit im Juni 1992 zurückgelegt, erst im Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz vorgebracht worden sei. In der sehr ausführlichen Berufungsschrift sei davon keine Rede gewesen. Dort habe die Beschwerdeführerin umfangreich ausgeführt, sie sei "proforma Geschäftsführerin" gewesen. Wäre sie tatsächlich bereits im Juni 1992 als Geschäftsführerin zurückgetreten, wäre sie auch nicht "proforma Geschäftsführerin" gewesen. Da hinsichtlich des Rücktrittes keine Beweise vorgelegt worden seien, sei die belangte Behörde zur Ansicht gelangt, dass es sich dabei um eine reine Schutzbehauptung handle. Im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidunge könne der Beschwerdeführerin allenfalls zugute gehalten werden, dass sie gutgläubig auf Aussagen Dritter vertraut habe. Vorzuwerfen sei ihr allerdings, dass sie sich in eine Abhängigkeit habe drängen lassen, die ihr keinerlei Spielraum für die Erfüllung der von ihr übernommenen Pflichten gelassen habe. Die Zweckmäßigkeit der Geltendmachung der Haftung liege darin, dass nur dadurch dem öffentlichen Interesse an der Erhebung der Abgaben nachgekommen werden könne. Hinzu komme, dass diesbezüglich seitens der Beschwerdeführerin kein Vorbringen erstattet worden sei.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die dagegen erhobene Beschwerde erwogen:
Das Beschwerdevorbringen stützt sich vornehmlich auf den Umstand, dass der im Verwaltungsverfahren ausgefertigte Vorhalt der belangten Behörde der Beschwerdeführerin nicht rechtswirksam zugestellt worden sei, weil die Beschwerdeführerin "im gesamten Verfahren" durch Rechtsanwalt Dr. S vertreten worden sei. Dennoch habe die belangte Behörde den Vorhalt nicht diesem, sondern der Beschwerdeführerin zugestellt. Da die Anfrage dem zustellungsbevollmächtigten Rechtsanwalt nicht zugekommen sei, sei die "direkte Zustellung" an die Beschwerdeführerin nichtig. Die "gegenteilige" Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes führe im Beschwerdefall "zu keinem anderen Ergebnis, also zur rechtswirksamen Zustellung" weil sich Dr. S ohne Einschränkung auf die ihm erteilte Vollmacht berufen habe, die "stets die Ermächtigung zur Empfangnahme von Schriftstücken einer Abgabenbehörde einschließe und sich im Sinne des § 103 Abs. 2 BAO selbstverständlich auf alle Erledigungen erstreckte, die in diesem Verfahren ergehen konnten. Zweck der Einschränkung des Grundsatzes des Zustellgesetzes, dass nur an den Bevollmächtigten rechtswirksam zugestellt werden könne, sei nur die Rücksichtnahme auf die Massenabfertigung mit EDV durch das Bundesrechenamt. Im Beschwerdefall sei aber nur die Geschäftsführerhaftung der Beschwerdeführerin nach den §§ 9 und 80 BAO Verfahrensgegenstand. Entgegen dem Beschluss vom 20. November 1990, 90/14/0003, habe Rechtsanwalt Dr. S nicht verlangen müssen, dass ihm alle Erledigungen zuzustellen seien. Ebenso komme eine zusammengefasste Verbuchung nicht mehr in Frage, weil alle von der GmbH geschuldeten Abgaben bereits festgestanden seien und ihr Gesamtbetrag im Spruch des angefochtenen Bescheides vorgeschrieben worden sei.
Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides schon deshalb nicht auf, weil es sich bei der Geltendmachung von Haftungen gemäß § 224 BAO um Erledigungen im Einhebungsverfahren iSd § 103 Abs. 1 BAO handelt. Die belangte Behörde war daher nach dieser Gesetzesstelle trotz Vorliegens einer Zustellungsvollmacht aus Zweckmäßigkeitsgründen zur Zustellung des Vorhaltes an die Beschwerdeführerin berechtigt (vgl. den hg. Beschluss vom 8. März 1994, 93/14/0174). Dass solche Zweckmäßigkeitsgründe gegenständlich nicht vorlagen, zumal die Beschwerdeführerin der Beantwortung der von der belangten Behörde gestellten konkreten Fragen zweifellos näher stand als der Zustellungsbevollmächtigte, behauptet die Beschwerdeführerin nicht.
Es ist daher davon auszugehen, dass der Vorhalt der belangten Behörde vom 15. Oktober 1998 der Beschwerdeführerin rechtswirksam zugestellt worden ist. Damit geht aber das Beschwerdevorbringen ins Leere, die Behauptung der belangten Behörde, die Beschwerdeführerin habe für ihren Rücktritt keine Beweise vorgelegt, sei im Hinblick auf die gesetzwidrige Zustellung dieser Anfrage aktenwidrig, weil die belangte Behörde der Beschwerdeführerin die Möglichkeit genommen habe, Beweise dafür anzubieten.
Ob die Anfrage vom 15. Oktober 1998 auf einer unrichtigen Rechtsansicht beruhte und "überflüssig" gewesen sei, kann aus folgenden Gründen dahingestellt bleiben: Es mag zutreffen, dass die belangte Behörde auch auf anderem Weg als durch eine Anfrage bei der Beschwerdeführerin den zu Grunde liegenden Sachverhalt hätte erforschen können. Geboten war eine Anfrage an die Gesellschafter der K GmbH, ob die Behauptung der Beschwerdeführerin zutreffe, dass sie ihre Geschäftsführungsfunktion zurückgelegt habe, jedoch nicht. Die Anfrage der belangten Behörde, wem gegenüber der Rücktritt konkret erklärt wurde, war ungeachtet der Formfreiheit der Rücktrittserklärung ebenso wenig unzulässig wie die Aufforderung, entsprechende Beweismittel bekannt zu geben.
Auch mit dem Hinweis darauf, dass "mit Konkurseröffnung" (der K GmbH) ein Masseverwalter bestellt worden sei, womit die Geschäftsführerfunktion der Beschwerdeführerin erloschen sei, wird nicht aufgezeigt, weshalb die Heranziehung der Beschwerdeführerin zur Haftung für davor entstandene Abgabenschuldigkeiten verfehlt sein soll. Gleiches gilt für das Beschwerdevorbringen, die "gegenteilige Behauptung auf Seite 10 vorletzte Zeile" des angefochtenen Bescheides sei aktenwidrig. In der so umschriebenen Zeile des angefochtenen Bescheides kommt zum Ausdruck, dass einem Geschäftsführer eine haftungsbegründende Verletzung des Gleichbehandlungsgebotes nicht anzulasten sei, wenn von diesem behauptet und bewiesen wird, dass der Primärschuldnerin keine Mittel zur Verfügung gestanden seien. In der Folge wird im angefochtenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Beschwerdeführerin insbesondere einen entsprechenden Beweis nicht angeboten hat. Zur Beschwerdebehauptung, die Beschwerdeführerin habe in der Berufung "sehr wohl" vorgebracht, dass der Großteil der Abgabenschulden schon vor ihrer Bestellung zur Geschäftsführerin entstanden sei und die GmbH habe zu diesem Zeitpunkt über keine Mittel verfügt, um auch nur einen "Mindestanteil" tilgen zu können, ist auf die Berufungsvorentscheidung zu verweisen, worin zum Ausdruck gebracht worden war, dass die Behauptung, die Abgabenrückstände seien in Zeiträumen entstanden, in welchen die Beschwerdeführerin nicht Geschäftsführerin gewesen sei, aus näher angeführten Gründen evident falsch sei, und die Behauptung, im Jahr 1993 seien keine Mittel mehr vorhanden gewesen, unglaubwürdig sei, weil die GmbH erst im Oktober in Konkurs gegangen sei und sich "niemand 10 Monate lang mit nichts abspeisen" lasse. Obwohl einer Berufungsvorentscheidung auch die Wirkung eines Vorhaltes zukommt, (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Juni 2004, 2001/15/0176) hat die Beschwerdeführerin in der Folge keine Beweise für die entsprechende Vermögenslosigkeit angeboten.
Zur Beschwerderüge, die Ansicht der belangten Behörde, die Bevollmächtigung eines Erfüllungsgehilfen könne nicht exkulpieren, widerspreche der Judikatur, weil nach dem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 2. August 1995, 94/13/0095, die Betrauung eines Steuerberaters mit der Wahrnehmung abgabenrechtlicher Pflichten durch den gesetzlichen Vertreter ihn dann entschuldigen könne, wenn er ihm alle abgabenrechtlich relevanten Sachverhalte vorgetragen und sich die vermeintliche Rechtsrichtigkeit habe bestätigen lassen, ohne dass zu einem allfälligen Fehler des Steuerberaters hinzutretende oder davon unabhängige eigene Fehlhandlungen des Vertreters vorgelegen wären, ist zu sagen, dass im Verwaltungsverfahren ein solcher Sachverhalt nicht behauptet wurde. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführerin auch nie behauptet hat, die fristgerechte Entrichtung der Abgaben hätte zum Aufgabenbereich der Wirtschaftstreuhänderin gezählt.
Der Hinweis der Beschwerdeführerin auf das Erkenntnis eines verstärkten Senates des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Oktober 1995, 91/13/0037, 0038, nach welchem es bei zwei oder mehreren Geschäftsführern für die Frage der Heranziehung zur Haftung darauf ankommen kann, welcher der Geschäftsführer mit der Besorgung steuerrechtlicher Angelegenheiten betraut war, zeigt ein im angefochtenen Bescheid zu Unrecht angenommenes Verschulden der Beschwerdeführerin schon deshalb nicht auf, weil im Verwaltungsverfahren nicht behauptet worden war, die zweite, als Geschäftsführerin bestellte Person, Isabel T, wäre mit den steuerrechtlichen Angelegenheiten betraut gewesen.
Auch der Beschwerdevorwurf einer unzureichenden Begründung der behördlichen Ermessensübung ist vor dem Hintergrund, dass die Beschwerdeführerin diesbezüglich im Verwaltungsverfahren kein relevantes Vorbringen erstattet hat, unberechtigt. Die belangte Behörde hat in der Begründung ihres Bescheides die Ermessensübung dargelegt, und können die dazu angeführten Gründe nicht als rechtswidrig erkannt werden.
Die Beschwerde erweist sich daher insgesamt als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 17. November 2004
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