VwGH 2003/17/0089

VwGH2003/17/008921.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Höfinger, Dr. Holeschofsky, Dr. Köhler und Dr. Zens als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde 1. des AH und

2. der MH, beide in G, beide vertreten durch Dr. Helmut Malek, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Dinstlstraße 6, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 19. Dezember 2002, Zl. IVW3-BE-3131101/007-2002, betreffend Zurückweisung einer Vorstellung in Angelegenheit einer Ergänzungsabgabe zur Kanaleinmündungsabgabe (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Gföhl, 3542 Gföhl), zu Recht erkannt:

Normen

AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
EGVG 2008 Art2 Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
LAO NÖ 1977 §62 Abs2;
LAO NÖ 1977 §62;
LAO NÖ 1977;
VwRallg;
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;
EGVG 2008 Art2 Abs5;
GdO NÖ 1973 §61;
LAO NÖ 1977 §62 Abs2;
LAO NÖ 1977 §62;
LAO NÖ 1977;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aus der Beschwerde und der mit ihr vorgelegten Ausfertigung des angefochtenen Bescheides sowie weiteren Urkunden ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 22. April 2002 schrieb der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde den Beschwerdeführern für eine näher genannte Liegenschaft eine Kanaleinmündungsabgabe (Ergänzungsabgabe) in der Höhe von EUR 852,50 vor.

Die Beschwerdeführer erhoben Berufung.

Mit Berufungsvorentscheidung vom 2. Juli 2002 gab der Bürgermeister der mitbeteiligten Stadtgemeinde dieser Berufung gemäß § 206 der Niederösterreichischen Abgabenordnung 1977, LGBl. 3400-0 (im Folgenden: NÖ AO), nicht statt und bestätigte den Abgabenbescheid vom 22. April 2002. Den Ausfertigungen dieses Bescheides war eine Aufstellung der Firma Hydro-Ingenieure-Krems über die Grundlagen zur erfolgten Berechnung des Einheitssatzes durch den Gemeinderat angeschlossen.

Gegen den genannten Bescheid (von den Beschwerdeführern als "Bescheide" bezeichnet) richtete sich eine beim Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde eingebrachte, ausdrücklich als "Vorstellung" bezeichnete Eingabe der Beschwerdeführer. Im Betreff derselben wird auch die Geschäftszahl der beigeschlossenen Aufstellung angeführt. Als belangte Behörde wird der Gemeinderat der mitbeteiligten Stadtgemeinde bezeichnet. In der Eingabe selbst heißt es, die Beschwerdeführer erhöben gegen die genannten Bescheide innerhalb offener Frist Vorstellung an die Niederösterreichische Landesregierung und beantragten die ersatzlose Aufhebung dieser Bescheide.

Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Dezember 2002 wurde diese Vorstellung der Beschwerdeführer gemäß § 61 Abs. 2 lit. b der Niederösterreichischen Gemeindeordnung 1973, LGBl. 1000- 12 (im Folgenden: NÖ GdO), als unzulässig zurückgewiesen.

Begründend führte die belangte Behörde nach Schilderung des Verfahrensganges aus, gemäß § 61 Abs. 1 NÖ GdO könne, wer durch den Bescheid eines Gemeindeorganes in den Angelegenheiten des eigenen Wirkungsbereiches der Gemeinde in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet, nach Erschöpfung des Instanzenzugs innerhalb von zwei Wochen, von der Zustellung des Bescheides an gerechnet, dagegen eine mit einem begründeten Antrag versehene Vorstellung bei der Aufsichtsbehörde erheben. Gegen die von den Beschwerdeführern bekämpfte Berufungsvorentscheidung stehe jedoch gemäß § 206 Abs. 1 NÖ AO die Möglichkeit eines Vorlageantrages offen. Der Instanzenzug sei daher nicht erschöpft. Die Vorstellung richte sich formell auch gegen eine der Berufungsvorentscheidung als Beilage beigeschlossene Aufstellung der Firma Hydro-Ingenieure-Krems über die Grundlagen zur erfolgten Berechnung des Einheitssatzes durch den Gemeinderat. Dabei handle es sich jedoch nicht um einen Bescheid. Insoweit fehle es daher der Vorstellung an einem tauglichen Anfechtungsgegenstand.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Beschwerdeführer zunächst Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof.

Dieser lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 24. Februar 2003, B 250/03-3, ab und trat die Beschwerde über Antrag der Beschwerdeführer mit Beschluss vom 10. März 2003, B 250/03-5, dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Die Beschwerdeführer machen in der ergänzten Beschwerde Rechtswidrigkeit des Inhaltes des angefochtenen Bescheides sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften mit dem Antrag geltend, den angefochtenen Bescheid aus diesen Gründen aufzuheben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführer erachten sich in ihrem Recht "auf rechtsrichtige Anwendung der §§ 2 Abs. 2 lit. a bis d und Abs. 3 sowie § 12 NÖ Kanalgesetz 1977 und des § 13 Abs. 3 AVG" verletzt. Soweit die Beschwerdeführer damit zu erkennen geben, dass sie eine andere Sachentscheidung anstreben, könnten sie durch den angefochtenen Bescheid nicht in ihren Rechten verletzt sein, weil eine solche Entscheidung gerade nicht ergangen ist; durch den Hinweis auf § 13 Abs. 3 AVG erscheint der Beschwerdepunkt hier jedoch nicht eindeutig in diesem Sinne zu verstehen sein, sodass er einer Interpretation zugänglich ist. Das Beschwerdevorbringen in seiner Gesamtheit lässt aber erkennen, dass sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht darauf verletzt erachten, dass eine Zurückweisung ihrer bloß irrtümlich als Vorstellung bezeichneten Eingabe zu unterbleiben gehabt hätte und diese statt dessen entsprechend ihrer Intention als Vorlageantrag zu werten gewesen wäre. Darüber hinaus erachten sich die Beschwerdeführer aber auch insoweit in ihren Rechten verletzt, als sie die gemeindebehördliche Abgabenvorschreibung als unrichtig erachten.

Mangels ausdrücklicher gesetzlicher Bestimmungen (die im Sinne des Art. II Abs. 5 erster Satz EGVG anordnen würden, dass die Verwaltungsverfahrensgesetze in Abgabenangelegenheiten der vorliegenden Art vor der Gemeindeaufsichtsbehörde Anwendung zu finden hätten) hat die Niederösterreichische Landesregierung als Vorstellungsbehörde die NÖ AO und nicht das AVG anzuwenden, wenn - wie hier - das Verfahren vor den Gemeindebehörden Abgaben betraf (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Februar 1996, Zl. 93/17/0200).

Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer war daher vorliegendenfalls nicht § 13 Abs. 3 AVG maßgeblich, sondern § 62 Abs. 1 und 2 NÖ AO. Diese Bestimmung lautet:

"§ 62

(1) Anbringen zur Geltendmachung von Rechten oder zur Erfüllung von Verpflichtungen (insbesondere Erklärungen, Anträge, Beantwortungen von Bedenkenvorhalten, Rechtsmittel) sind vorbehaltlich der Bestimmungen des Abs. 3 schriftlich einzureichen (Eingaben).

(2) Formgebrechen von Eingaben wie auch das Fehlen einer Unterschrift berechtigen an sich die Abgabenbehörde nicht zur Zurückweisung. Sie hat dem Einschreiter die Behebung dieser Mängel mit dem Hinweis aufzutragen, dass die Eingabe nach fruchtlosem Ablauf einer gleichzeitig zu bestimmenden angemessenen Frist als zurückgenommen gilt; werden die Mängel rechtzeitig behoben, gilt die Eingabe als ursprünglich richtig eingebracht."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Beschluss vom 27. Februar 1992, Zl. 92/17/0034, zur Frage der Deutung des Inhaltes von Eingaben im Verfahren nach der NÖ AO ausgeführt, es sei bei antragsbedürftigen Verwaltungsakten unzulässig, entgegen dem erklärten Willen der Partei ihrem Begehren eine Deutung zu geben, die aus dem Wortlaut des Begehrens nicht unmittelbar geschlossen werden kann. Allerdings ist für die Beurteilung eines Anbringens nicht dessen allenfalls unrichtige Bezeichnung, sondern sein wesentlicher Inhalt, der sich aus dem gestellten Antrag erkennen lässt, und die Art des in diesem gestellten Begehrens maßgebend.

Gegenstand eines Vorlageantrages gemäß § 206 Abs. 1 zweiter Satz NÖ AO ist das Begehren auf Entscheidung über eine bereits eingebrachte Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Demgegenüber ist die Vorstellung gemäß § 61 NÖ GdO auf die Aufhebung des mit ihr angefochtenen gemeindebehördlichen Bescheides durch die Aufsichtsbehörde (die Niederösterreichische Landesregierung) gerichtet.

Die vorliegendenfalls mit dem angefochtenen Bescheid zurückgewiesene Eingabe war auf die ersatzlose Aufhebung des damit angefochtenen Bescheides durch die Niederösterreichische Landesregierung als Aufsichtsbehörde gerichtet. Es liegt daher insoweit nicht bloß eine Fehlbezeichnung als Vorstellung vor. Vielmehr ist diese Eingabe auch nach dem inhaltlich Beantragten - nämlich die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch die Aufsichtsbehörde und nicht etwa eine Entscheidung über die Berufung der Beschwerdeführer durch die Berufungsbehörde - unzweifelhaft als Vorstellung zu qualifizieren.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 26. Februar 2003, Zl. 2002/17/0279, ausgeführt, dass selbst § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung BGBl. I Nr. 158/1998, welcher die Verbesserung auch inhaltlicher Mängel von Eingaben ermöglicht, nicht bewirkt, dass eine ursprünglich einem bestimmten Rechtsmitteltypus entsprechende eindeutige Prozesserklärung im Wege der Verbesserung nachträglich zur Erklärung eines anderen Typus werden könnte. Ist der Rechtsmittelantrag unzweifelhaft, so liegt auch kein nach § 13 Abs. 3 AVG in der genannten Fassung verbesserungsfähiges Gebrechen vor.

Diese Überlegungen treffen umso mehr auf die Frage der Verbesserungsfähigkeit von Eingaben gemäß § 62 Abs. 2 NÖ AO, welche Bestimmung lediglich die Verbesserung von Formgebrechen gestattet, zu. Eine Verbesserung der hier in Rede stehenden Eingabe der Beschwerdeführer auf Grundlage des § 62 Abs. 2 NÖ AO kam demnach nicht in Betracht, weil die darin enthaltene Antragstellung eindeutig war.

Schließlich kommt es - anders als die Beschwerdeführer meinen - für die Frage, ob ihre Eingabe als Vorstellung oder als Vorlageantrag zu deuten war, auf die in der Berufungsvorentscheidung enthaltene Rechtsbelehrung nicht an. Freilich ist in diesem Zusammenhang auch anzumerken, dass eine diesbezügliche Undeutlichkeit hier nicht erkennbar ist, heißt es doch in der der Berufungsvorentscheidung angeschlossenen Rechtsbelehrung:

"Binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides kann jede Partei bei der Behörde, die die Berufungsvorentscheidung erlassen hat, den Antrag schriftlich oder telegrafisch stellen, dass die Berufung der Berufungsbehörde zur Entscheidung vorgelegt wird. ..."

Auf jenen Teil der Beschwerde, welcher sich mit der inhaltlichen Richtigkeit der Berufungsvorentscheidung vom 2. Juli 2002 auseinander setzt, war nicht näher einzugehen, zumal der angefochtene Bescheid keine meritorische Entscheidung über die Vorstellung der Beschwerdeführer getroffen, sondern diese als unzulässig zurückgewiesen hat. Gleiches gilt für das ergänzende Vorbringen der Beschwerdeführer in ihrer Eingabe vom 11. April 2003, welches auf die Vorschreibung einer Kanalbenützungsgebühr Bezug nimmt.

Da schon der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, dass die von den Beschwerdeführern behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nicht öffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert wurden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Wien, am 21. Mai 2003

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