Normen
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art5;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art6;
62001CJ0155 Cookies World VORAB;
EURallg;
UStG 1994 §1 Abs1 Z2 litd idF 1995/021;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art17 Abs6;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art5;
31977L0388 Umsatzsteuer-RL 06te Art6;
62001CJ0155 Cookies World VORAB;
EURallg;
UStG 1994 §1 Abs1 Z2 litd idF 1995/021;
UStG 1994 §12 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen von 1.172,88 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin ist eine Gesellschaft mit beschränkter Haftung mit Sitz in Österreich und betreibt ein Handelsunternehmen. Sie hat als Leasingnehmerin einen Personenkraftwagen von einem deutschen Unternehmen angemietet und das Fahrzeug in Österreich für Zwecke ihres Unternehmens genutzt.
Mit Bescheid vom 15. Juni 1999 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer der Beschwerdeführerin für das Jahr 1997 fest. Das Mietentgelt für den angemieteten Personenkraftwagen rechnete das Finanzamt dabei den steuerpflichtigen Umsätzen hinzu. Diese Hinzurechnung erfolgte in Anwendung der Bestimmung des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994.
Die Beschwerdeführerin erhob Berufung und beantragte die Festsetzung der Umsatzsteuer unter Außerachtlassung der Norm des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994. Die Nutzungsüberlassung von Fahrzeugen sei eine sonstige Leistung, welche umsatzsteuerrechtlich an dem Ort erfolge, von dem aus der Unternehmer sein Unternehmen betreibe. Der Ort der sonstigen Leistung liege bei Fahrzeugvermietungen grundsätzlich im Sitzstaat des Vermieters, im konkreten Falle also in Deutschland. Dort sei der Vorgang steuerpflichtig. Weitere Steuertatbestände seien vom Gemeinschaftsrecht nicht vorgesehen. Mit § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 sei allerdings ein zweiter Umsatzsteuertatbestand für ein und denselben Umsatz (zusätzlich zur richtlinienkonformen Besteuerung im Sitzstaat des Vermieters) geschaffen worden. Ein und derselbe Umsatz werde somit im Ergebnis doppelt besteuert. Eine Rechtfertigung mit Art. 17 Abs. 6 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuer, 77/388/EWG, sei nicht möglich, weil diese Vorschrift lediglich den Ausschluss der Vorsteuerabzuges betreffe und überdies nur eine Beibehaltung bestehender Rechtsvorschriften erlaube. Der Steuertatbestand des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG, welcher erst seit dem 5. Januar 1995 dem österreichischen Rechtsbestand angehöre, sei daher mit den gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben nicht in Einklang zu bringen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20. Juli 2000 wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Umsatzsteuerbescheid 1997 als unbegründet ab. Die belangte Behörde führte aus, bis zum Ergehen einer Änderung der Richtlinie seien die Mitgliedsstaaten berechtigt, innerstaatliche Vorsteuerausschlüsse wie jene des § 12 Abs 2 Z 2 UStG 1994 beizubehalten. Damit sei auch die Eigenverbrauchsbesteuerung gemäß § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 gedeckt, die vor allem aus "wettbewerbsneutralen Gründen" der Rückgängigmachung des im Ausland geltend gemachten Vorsteuerabzuges diene.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde erwogen:
Die mit 6. Januar 1995 in Kraft getretene Bestimmung des § 1 Abs. 1 UStG 1994 idF BGBl 21/1995 normiert:
"§ 1. (1) Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden Umsätze:
- 1. ...
- 2. der Eigenverbrauch im Inland. Eigenverbrauch liegt vor,
(a)...
(d) soweit ein Unternehmer Ausgaben (Aufwendungen) tätigt, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nach § 12 Abs. 2 Z. 2 nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten; dies gilt nur insoweit, als der Unternehmer im Ausland einen Anspruch auf Vergütung der ausländischen Vorsteuer hat.
..."
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 29. März 2001, 2000/14/0155, EU 2001/0011, dem Europäischen Gerichtshof folgende Frage gemäß Art 234 EG zur Vorabentscheidung vorgelegt:
"Ist es mit der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage, insbesondere deren Artikel 5 und 6, vereinbar, dass ein Mitgliedstaat folgenden Vorgang als steuerpflichtigen Umsatz behandelt: Das Tätigen von Ausgaben, die Leistungen im Ausland betreffen, die, wären sie im Inland an den Unternehmer ausgeführt worden, den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigten?"
Der Europäische Gerichtshof hat mit Urteil vom 11. September 2003, C-155/01 , Cookies World Vertriebsgesellschaft mbH i.L., zu Recht erkannt:
"Die Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage steht einer Bestimmung eines Mitgliedstaats entgegen, nach der das Tätigen von Ausgaben, die Dienstleistungen betreffen, die einem in diesem Mitgliedstaat ansässigen Empfänger in anderen Mitgliedstaaten erbracht wurden, der Mehrwertsteuer unterliegt, während die betreffenden Dienstleistungen, wären sie demselben Empfänger im Inland erbracht worden, diesen nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt hätten."
Wie sich aus dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes ergibt, ist die Norm des § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 im Hinblick auf entgegenstehende, unmittelbar anwendbare und unmittelbar wirksame Bestimmungen der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG verdrängt.
Daraus folgt, dass der angefochtene Bescheid, mit welchem die belangte Behörde gestützt auf § 1 Abs 1 Z 2 lit d UStG 1994 Leasingentgelte der Umsatzsteuer unterzogen hat, mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet ist.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl II 333/2003. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs 2 Eurogesetz, BGBl I 72/2000.
Wien, am 21. Oktober 2003
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