VwGH 2003/10/0022

VwGH2003/10/002215.9.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des H in Wien, vertreten durch Koller & Schreiber, Rechtsanwälte Partnerschaft in 1180 Wien, Aumannplatz 1, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 28. Oktober 2002, Zl. MA 15-II-H 25/2002, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;
SHG Wr 1973 §13 Abs3;
SHG Wr 1973 §13 Abs4;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 2. April 2002 beantragte der Beschwerdeführer beim Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12-Sozialamt, die Übernahme von Stromkosten (Teilvorschreibungen für Jänner/Februar 2002 und März/April 2002) in Höhe von EUR 37,50, da dieser Aufwand "nicht durch den gewährten Richtsatz abgedeckt" sei.

Mit Bescheid vom 3. April 2003 wies der Magistrat der Stadt Wien den Antrag des Beschwerdeführers gemäß §§ 12 und 13 Abs. 3 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 (WSHG), ab. Nach der Begründung erhalte der Beschwerdeführer laufend Geldaushilfen als Richtsatzdifferenz sowie Miet- und Heizbeihilfen. Darin seien nach den zitierten Bestimmungen des Wiener Sozialhilfegesetzes auch die Stromkosten enthalten. Der Beschwerdeführer habe die Notwendigkeit eines erhöhten individuellen Strombedarfes gemäß § 13 Abs. 6 WSHG nicht nachweisen können.

Der dagegen erhobenen Berufung wurde mit dem angefochtenen Bescheid keine Folge gegeben. Begründend führte die belangte Behörde aus, der Berechnung des Sozialhilfeanspruches des Beschwerdeführers sei der Richtsatz für einen Alleinunterstützten in Höhe von EUR 390,33 sowie der pauschalierte Zuschlag gemäß § 4 Abs. 2 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1973, LGBl. Nr. 13/1973 (Richtsatzverordnung), in Höhe von EUR 216,93 zu Grunde gelegt worden. Der erhöhte Richtsatz sei auf Grund der über einem halben Jahr liegenden Erwerbsunfähigkeit des Beschwerdeführers zur Anwendung gebracht worden. Nach Auffassung der belangten Behörde decke der herangezogene Richtsatz auch die im Antrag vom 2. April 2002 geltend gemachten Stromkosten, da gemäß § 13 Abs. 3 WSHG der Richtsatz so zu bemessen sei, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben decke. Dieser Bedarf sei bereits bei der Richtsatzbemessung zu berücksichtigen und folglich nicht durch anlassbezogene Einzelleistungen zu decken. § 13 Abs. 6 WSHG, der den nicht durch den Richtsatz gedeckten Bedarf an Lebensunterhalt zum Inhalt habe, sei nicht anzuwenden. Die Richtsätze stellten Pauschalbeträge dar, wobei der Gesetzgeber eine Aufschlüsselung nach Teilleistungen nicht vorgenommen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 1 Abs. 1 WSHG hat die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen.

Auf die Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes hat der Hilfe Suchende nach § 7 WSHG einen Rechtsanspruch. Die Zuerkennung hat durch Bescheid zu erfolgen.

Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Nach § 10 Abs. 1 WSHG ist Hilfe nur insoweit zu gewähren, als das Einkommen und das verwertbare Vermögen des Hilfe Suchenden nicht ausreichen, um den Lebensbedarf (§ 11) zu sichern.

Zum Lebensbedarf gehört nach § 11 Abs. 1 Z. 1 WSHG auch der Lebensunterhalt.

Der Lebensunterhalt umfasst nach § 12 WSHG insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

Der mit "Geldleistungen" überschriebene § 13 WSHG lautet auszugsweise:

"§ 13. (1) Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung festzusetzen.

(2) In der Verordnung über die Festsetzung der Richtsätze sind folgende Arten von Richtsätzen vorgesehen:

1. Richtsatz für den Alleinunterstützten,

  1. 2. Richtsatz für den Hauptunterstützten,
  2. 3. Richtsatz für den Mitunterstützten.

    ...

(3) Der Richtsatz ist so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt.

(4) Der Richtsatz kann im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. ...

...

(6) Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung ist durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. Bei alten oder erwerbsunfähigen Beziehern wiederkehrender monatlicher Geldleistungen zur Sicherung des Lebensbedarfes kann dieser Bedarf durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abgedeckt werden.

..."

Nach dem oben wieder gegebenen § 13 Abs. 1 WSHG hat die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen, die durch Verordnung der Landesregierung (Richtsatzverordnung) festzusetzen sind. Gemäß § 13 Abs. 3 WSHG ist der Richtsatz so zu bemessen, dass er den monatlichen - im Gesetz näher umschriebenen, bestimmte Bereiche des Lebensunterhaltes betreffenden - Bedarf deckt.

In der Richtsatzverordnung werden die Richtsätze zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit monatlichen Geldbeträgen festgesetzt (vgl. § 1 Abs. 1). Die Richtsätze sollen somit den in § 13 Abs. 3 WSHG näher umschriebenen monatlichen (Durchschnitts-)Bedarf decken. Hievon kann unter den in Abs. 4 (Richtsatzüberschreitung) und Abs. 5 (Richtsatzunterschreitung) dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen abgegangen werden. Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, also der in § 13 Abs. 3 WSHG nicht im Einzelnen aufgezählte Bedarf, kann gemäß § 13 Abs. 6 WSHG als Sonderbedarf geltend gemacht werden.

Gemäß § 4 Abs. 1 der Richtsatzverordnung ist bei Dauersozialhilfebeziehern, die das 65. Lebensjahr bei Männern, das 60. Lebensjahr bei Frauen überschritten haben oder für mindestens ein halbes Jahr erwerbsunfähig sind, der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes durch einen Zuschlag zum Richtsatz pauschal abzudecken. Nach § 4 Abs. 3 der Richtsatzverordnung sind durch den Zuschlag insbesondere der Heizbedarf, der durchschnittliche Mietbedarf und anderer individueller Sonderbedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes gedeckt und es sind hiefür - abgesehen von Ausnahmefällen - keine weiteren Geld- oder Sachleistungen zu gewähren.

Dem angefochtenen Bescheid liegt die Auffassung zu Grunde, dass Stromkosten bereits im allgemeinen Richtsatz nach § 13 Abs. 3 WSHG enthalten sind. Diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, wonach Stromkosten im Rahmen des dort aufgezählten Bedarfes mitumfasst sind. Eine Richtsatzüberschreitung käme nach § 13 Abs. 4 WSHG nur in Betracht, wenn auf Grund konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht beim Hilfe Suchenden eine Situation besteht, die sich von der im Allgemeinen bei Hilfe Suchenden bestehenden Bedarfslage deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten (Strom-)Bedarf begründet (vgl. dazu die Erkenntnisse vom 5. Mai 2003, Zl. 2002/10/0067 und Zl. 2002/10/0236).

Wenn in der Beschwerde ein erhöhter Aufwand des Beschwerdeführers für Bekleidung behauptet wird, so ist nicht erkennbar, inwiefern sich daraus ein erhöhter Bedarf an Strom ergeben könnte.

Im Beschwerdefall wird der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes des Beschwerdeführers gemäß § 4 Abs. 1 der Richtsatzverordnung durch einen Zuschlag zum Richtsatz (in Höhe von EUR 216,93) pauschal abgedeckt. Daher sind - abgesehen von Ausnahmefällen - gemäß § 4 Abs. 3 der Richtsatzverordnung keine weiteren Geld- oder Sachleistungen (im Sinne des § 13 Abs. 6 WSHG) zu gewähren. Anhaltspunkte dafür, dass im Beschwerdefall ein Ausnahmefall gegeben wäre, werden in der Beschwerde nicht dargetan; solche sind auch nach Lage der Verwaltungsakten nicht ersichtlich.

Auch eine Verletzung der Manuduktionspflicht der Behörde nach § 13a AVG ist nicht zu erkennen, da sich diese auf Verfahrenshandlungen und deren Rechtsfolgen bezieht, nicht jedoch darauf, ob und welches materielle Vorbringen eine Partei zur Wahrung ihrer Rechte zu machen hat (vgl. dazu z.B. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 zu § 13a wiedergegebene Rechtsprechung).

Was den Vorwurf der Verletzung des Parteiengehörs anlangt, wonach der Beschwerdeführer durch eine detaillierte Aufstellung seiner Aufwendungen hätte darlegen können, dass der ihm gewährte Richtsatz seinen Sonder- bzw. Mehrbedarf nicht deckt, so ist ihm zu erwidern, dass damit die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht ausreichend dargelegt wird. Im Übrigen könnten mit einer solchen Aufstellung auch die Voraussetzungen einer Richtsatzerhöhung nach § 13 Abs. 4 WSHG im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung nicht aufgezeigt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 31. März 2003, Zl. 2002/10/0050).

Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Von der beantragten mündlichen Verhandlung wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Wien, am 15. September 2003

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