VwGH 2003/04/0155

VwGH2003/04/01554.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer sowie Senatspräsident Dr. Gruber und Hofrat Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, in der Beschwerdesache der C Fleischgroßhandels- und Export GmbH in P, vertreten durch Dr. Otto Holter, Dr. Gerald Wildfellner, Dr. Klaus Holter, Dr. Stefan Holter, Mag. Mario Schmieder und Mag. Jörg Asanger, Rechtsanwälte in 4710 Grieskirchen, Rossmarkt 21, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 30. Juni 2003, Zl. Ge-442849/13-2003-Bi/Sta, betreffend Maßnahme nach § 360 GewO 1994, den Beschluss gefasst:

Normen

AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §360 Abs1;
GewO 1994 §360 Abs5;
VVG §1;
VwGG §33 Abs1;
AVG §66 Abs4;
GewO 1994 §360 Abs1;
GewO 1994 §360 Abs5;
VVG §1;
VwGG §33 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als gegenstandslos geworden erklärt und das Verfahren eingestellt.

Der Bund hat der beschwerdeführenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Freistadt vom 28. Oktober 2002 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß § 360 Abs. 1 GewO 1994 die Anlieferung und Schlachtung von mehr als 600 Schweinen pro Woche für den näher bezeichneten Schlachthofbetrieb untersagt.

Der dagegen von der beschwerdeführenden Partei erhobenen Berufung wurde insofern Folge gegeben, als die Anlieferung und die Schlachtung von mehr als 2400 Schweinen pro Woche für den bezeichneten Schlachthofbetrieb untersagt wurde.

Der Verfassungsgerichtshof lehnte die Behandlung der gegen diesen Bescheid zunächst vor ihm erhobenen Beschwerde mit Beschluss vom 22. September 2003, B 1112/03-5, ab. Antragsgemäß trat er die Beschwerde gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

Mit Beschluss vom 14. November 2003 richtete der Verwaltungsgerichtshof an die beschwerdeführende Partei die Anfrage, worin im Hinblick auf den hg. Beschluss vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0103, noch ein Rechtsschutzbedürfnis gegeben sei, weil nach der Aktenlage der erstinstanzliche Bescheid am 4. November 2002 zugestellt worden sei.

In der fristgerecht erstatteten Äußerung brachte die beschwerdeführende Partei vor, es sei richtig, dass ihr der erstinstanzliche Bescheid am 4. November 2002 zugestellt worden sei. Da die belangte Behörde den erstinstanzlichen Bescheid jedoch abgeändert und durch die Berufungsentscheidung einen neuen (nämlich inhaltlich abgeänderten) Titelbescheid erlassen habe, welcher somit rechtlich erst durch die Abänderung und somit Erlassung des Berufungsbescheides existent geworden sei, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Wirksamkeitszeitraum der einstweiligen Maßnahme mit Zustellung des Berufungsbescheides am 30. Juni 2003 begonnen habe.

Gemäß § 360 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 sind die Bescheide gemäß Abs. 1 zweiter Satz, 2, 3 oder 4 sofort vollstreckbar; wenn sie nicht kürzer befristet sind, treten sie mit Ablauf eines Jahres, vom Beginn der Vollstreckbarkeit an gerechnet, außer Wirksamkeit.

Im Beschwerdefall ist unstrittig, dass sich die vorgeschriebene Maßnahme auf § 360 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 gestützt hat.

Wie der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 24. August 1995, Zl. 94/04/0062, mit näherer Begründung ausgeführt hat, beginnt die den Wirksamkeitszeitraum der einstweiligen Maßnahme begrenzende Frist bereits mit Erlassung des diese Maßnahme (erstmals) verfügenden Titelbescheides. Im Regelfall, so heißt es weiter, wird - soweit nicht im Instanzenzug abweichend vom erstinstanzliche Bescheid erstmals ein exekutionsfähiger Titelbescheid erlassen wird - aber bereits der erstinstanzliche Bescheid dieser Titelbescheid sein. Ausgehend davon, dass der erstinstanzliche Bescheid unbestrittenermaßen bereits am 4. November 2002 erlassen wurde, ist der angefochtene Bescheid solcher Art gemäß § 360 Abs. 5 erster Satz GewO 1994 ex lege außer Wirksamkeit getreten, ohne dass dies durch Klaglosstellung (im formellen Sinn) bewirkt worden wäre. Daran ändert auch das Vorbringen der beschwerdeführenden Partei in ihrer Stellungnahme vom 21. November 2003 nichts:

Es trifft nun wohl zu, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - ausgehend vom bereits zitierten Beschluss vom 24. August 1995, Zl. 94/04/0062 - die den Wirksamkeitszeitraum der einstweiligen Maßnahme begrenzende Frist nur dann bereits mit Erlassung des diese Maßnahme (erstmals) verfügenden Titelbescheides beginnt, sofern nicht im Instanzenzug abweichend vom erstinstanzlichen Bescheid "erstmals ein exekutionsfähiger Titelbescheid erlassen wird".

Wie nun im zitierten Beschluss unter Hinweis auf die Gesetzesmaterialien ausgeführt wurde, verfolgte der Gesetzgeber das Ziel, im Sinne der "Effektivität des Rechtsschutzes" eine Verlängerung der einstweiligen Maßnahme um die Dauer eines Rechtsmittelverfahrens auszuschließen. Vor diesem Hintergrund sind aber auch die Ausführungen im zitierten Beschluss, wonach etwas anderes zu gelten habe, wenn im Instanzenzug abweichend vom erstinstanzlichen Bescheid erstmals ein exekutionsfähiger Titelbescheid erlassen wird, zu sehen. Nicht jede durch die Berufungsbehörde erfolgte Änderung der die Maßnahme verfügenden Spruchfassung des Bescheides bewirkt schon, dass erst der zweitinstanzliche Bescheid den Wirksamkeitszeitraum der einstweiligen Maßnahme begrenzt. Eine solche Sicht würde dazu führen, dass der vom Gesetzgeber verfolgte Zweck durch unter Umständen nicht ins Gewicht fallende Änderungen durch die Berufungsbehörde unterlaufen werden könnte und damit das vom Gesetzgeber verfolgte Ziel der Effektivität des Rechtsschutzes wiederum vereitelt werden (so auch Kienast, Die einstweiligen Zwangs- und Sicherheitsmaßnahmen nach der GewO 1994, ZfV 1995, 303). Dass der Gesetzgeber Derartiges gewollt habe, ist nicht zu sehen und es zwingt auch der Wortlaut des Gesetzes nicht zu einem derartigen Auslegungsergebnis. Der Fall im Sinne der hg. Rechtsprechung, dass erstmals durch die Berufungsbehörde ein exekutionsfähiger Titelbescheid erlassen wird, wird etwa dann vorliegen, wenn die Berufungsbehörde die Grenzen des Gegenstandes des Berufungsverfahrens nach § 66 Abs. 4 AVG, nämlich "in der Sache" zu entscheiden, überschreitet und nicht im Rahmen der "Sache" bleibt, die schon Gegenstand der unterinstanzlichen Entscheidung war. Dass aber im Beschwerdefall die Berufungsbehörde über etwas (erstmals) entschieden habe, was nicht in diesem Sinne Gegenstand der unterinstanzlichen Entscheidung gewesen wäre, ist nicht zu sehen.

Es war daher im Wege der Einstellung des Verfahrens wegen Gegenstandslosigkeit vorzugehen, zumal wegen des Fehlens einer Bindungswirkung des Bescheides auch eine mit der allfälligen Aufhebung des angefochtenen Bescheides durch den Verwaltungsgerichtshof mit der Wirkung ex tunc für die beschwerdeführende Partei günstigere Situation zu verneinen ist (vgl. den hg. Beschluss vom 27. September 2000, Zl. 2000/04/0103). Denn die gesetzlichen Bestimmungen über die Verwaltungsgerichtsbarkeit gewähren der Partei nicht den Anspruch auf verwaltungsgerichtliche Feststellung der Gesetzmäßigkeit von Verwaltungsbescheiden an sich, sondern auf die Aufhebung gesetzwidriger Bescheide, die in die Rechtssphäre der Partei eingreifen. Die Feststellung der Gesetzwidrigkeit eines Bescheides ist - anders als in einem von einem Gericht gemäß § 11 AHG im Rahmen eines Amtshaftungsverfahrens in Gang gesetzten Zwischenverfahrens - nicht das bestimmungsgemäße Ziel der Verwaltungsgerichtshof-Beschwerde selbst, sondern der Weg, auf dem die Aufhebung des Bescheides zu erreichen ist (vgl. nochmals den zitierten hg. Beschluss vom 27. September 2000, und die dort zitierte Vorjudikatur).

Die Beschwerde war daher in sinngemäßer Anwendung des § 33 Abs. 1 VwGG für gegenstandslos geworden zu erklären und es war das Beschwerdeverfahren einzustellen.

Hinsichtlich der Kostenentscheidung hatte § 58 Abs. 2 VwGG (in der Fassung BGBl. I Nr. 88/1997) zum Tragen zu kommen. Welcher Partei Kosten zuzusprechen sind, hängt dabei davon ab, wie das verwaltungsgerichtliche Verfahren aller Voraussicht nach ohne Eintritt der Gegenstandslosigkeit der Beschwerde ausgegangen wäre. Würde die Entscheidung über diese Frage einen - angesichts der weggefallenen Beschwer - unverhältnismäßigen Aufwand an Prüfungstätigkeit des Verwaltungsgerichtshofes erfordern, kann der Verwaltungsgerichtshof die Kostenfrage nach freier Überzeugung entscheiden. Der Verwaltungsgerichtshof geht im Beschwerdefall in seiner prognostischen (die Kostenentscheidung tragenden, somit keine Bindungswirkung erzeugenden) Einschätzung des voraussichtlichen Ausganges des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens davon aus, dass die belangte Behörde im Sinne des dieselbe beschwerdeführende Partei betreffenden hg. Erkenntnisses vom 15. Oktober 2003, Zl. 2003/04/0112, den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG belastete.

Es war daher der beschwerdeführenden Partei Aufwandersatz zuzusprechen.

Wien, am 4. Dezember 2003

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