VwGH 2002/11/0230

VwGH2002/11/023018.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des F in S, vertreten durch Waltl & Partner, Rechtsanwälte in 5700 Zell am See, Seb. Hörlstraße 7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Salzburg vom 18. September 2002, Zl. 20504- 14/1873/6-2002, betreffend Aufforderung zur Beibringung eines Gutachtens, zu Recht erkannt:

Normen

FSG 1997 §24 Abs4 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §24 Abs4 idF 2002/I/065;
FSG 1997 §26 Abs5 idF 2002/I/065;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Nach der Aktenlage wurde dem Beschwerdeführer von der Bezirkshauptmannschaft Zell am See mit Bescheid vom 13. April 2001 befristet bis 2. April 2004 die Lenkberechtigung für die Klassen B erteilt.

Mit Bescheid vom 8. Jänner 2002 forderte die Bezirkshauptmannschaft Zell am See den Beschwerdeführer auf, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides ein vom Amtsarzt der Bezirkshauptmannschaft erstelltes Gutachten über seine gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B beizubringen. Als Rechtsgrundlagen waren § 24 Abs. 1 und 4 und § 26 Abs. 5 des Führerscheingesetzes (FSG) angegeben. Begründend wurde ausgeführt, der Beschwerdeführer habe nach dem 17. Mai 2000 und dem 30. März 2001 am 1. September 2001 um 20.00 Uhr in S. (BRD) neuerlich einen Verkehrsunfall verursacht, in dem er aus bisher ungeklärter Ursache auf die linke Fahrbahnseite geraten sei. Weil auch die beiden vorherigen Verkehrsunfälle "immer dasselbe Verhaltensmuster" aufwiesen, bestünden Bedenken, ob der Beschwerdeführer zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B weiterhin geeignet sei.

In seiner dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, es sei zwar zutreffend, dass er am 1. September 2001 einen Verkehrsunfall gehabt habe. Die Annahme, er sei bei diesem Unfall ohne erklärbaren Grund auf die linke Fahrbahnseite bzw. über den linken Fahrbahnrand geraten, sei jedoch unzutreffend. Wenn ihm vorgehalten werde, er habe bereits mehrmals das Fahrzeug auf die linke Fahrbahnseite gelenkt bzw. sei über den linken Fahrbahnrand geraten, so sei dies irrelevant. Der Vorfall am 30. März 2001 habe seine Ursache darin gehabt, dass der Beschwerdeführer einem Wildtier habe ausweichen wollen und es deshalb zum Unfall gekommen sei. Es bestünde nicht der geringste Anlass anzunehmen, dass eine Erkrankung des Einschreiters Ursache für das Abkommen von der Straße gewesen sei. Zum Vorfall vom 17. Mai 2000 in T. habe er bereits erklärt, dass er vermutlich auf Grund Übermüdung eingeschlafen sei.

Der Landeshauptmann von Salzburg wies die Berufung mit Bescheid vom 18. September 2002 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 24 Abs. 4 FSG ab. In der Begründung führte der Landeshauptmann von Salzburg nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, wie sich nach der Aktenlage ergebe, wiesen die drei Verkehrsunfälle, an denen der Berufungswerber in relativ engem zeitlichen Zusammenhang beteiligt gewesen sei, zunächst tatsächlich einen ähnlichen Geschehensablauf auf. Tatsache sei aber auch, dass dem Beschwerdeführer auf Grund in der Vergangenheit gelegener Anfälle die Lenkberechtigung jeweils nur befristet erteilt worden sei, zuletzt mit einer Gültigkeit bis 2. April 2004, wobei bei der amtsärztlichen Untersuchung am 2. April 2001 der Vorfall vom 30. März 2001 im Detail noch nicht bekannt gewesen sei. In der Folge sei von Dr. P. das fachärztliche Gutachten vom 10. Mai 2001 erstattet worden, woraus abgeleitet werden müsse, dass der Unfall vom 30. März 2001 nicht auf einen cerebralen Anfall zurückzuführen gewesen sei. Hinsichtlich des Vorfalls vom 30. März 2001 könne aber auf Grund des am 13. Februar 2002 vor dem Bezirksgericht S. erstatteten Gutachtens von Dipl. Ing. K. nicht ausgeschlossen werden, dass hinsichtlich der am verunfallten Pkw angetroffenen Dachshaare eine Manipulation erfolgt sei, zumal auch die hinter dem Beschwerdeführer fahrende Zeugin L. angegeben habe, im Bereich der Fahrbahn kein Tier gesehen zu haben. Was den Verkehrsunfall vom 1. September 2001 betreffe, so sei die Darstellung des Beschwerdeführers, dass der Unfallgegner den Verkehrsunfall verschuldet hätte, verfehlt, wie das seit 23. April 2002 rechtskräftige Urteil des Amtsgerichtes L. zeige. Demnach sei der Beschwerdeführer der fahrlässigen Gefährdung des Straßenverkehrs schuldig, weil er unter grober Außerachtlassung der im Straßenverkehr erforderlichen Sorgfalt auf Höhe km 3,200 in einer extrem unübersichtlichen Rechtskurve (Sichtweite ca. 80 m) zum Überholen eines vor ihm fahrenden Pkw angesetzt habe und so auf die linke Fahrspur neben den anderen Pkw gekommen sei. Er habe aus Gleichgültigkeit gegenüber anderen Verkehrsteilnehmern und um seines schnelleren Fortkommens willen von vornherein keine Bedenken gegen seine Fahrweise aufkommen lassen. Dies hätte für ihn vorhersehbar und vermeidbar zur Folge gehabt, dass er frontal mit dem entgegenkommenden Tanksattelschlepper zusammen gestoßen sei, sodass am Sattelschlepper Sachschaden von ca. EUR 10.000,-- entstanden sei. Durch die Tat habe er sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erwiesen (der Landeshauptmann von Salzburg gibt hier im Wesentlichen das auf den Strafbefehl des Amtsgerichtes L. verweisende Urteil dieses Amtsgerichtes, welches im Verwaltungsakt liegt, wieder). Mit dem Urteil sei dem Beschwerdeführer auch die Erlaubnis zum Führen von Kraftfahrzeugen entzogen und eine Sperrfrist von sechs Monaten festgesetzt worden, welche vom 23. April bis 22. Oktober 2002 laufe. Auf Grund dieser rechtskräftigen Verurteilung ergebe sich der Verdacht, dass dem Beschwerdeführer die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung abgehe. Darüber hinaus ergebe sich nach der Aktenlage, dass der Beschwerdeführer bei dem gegenständlichen Verkehrsunfall selbst erheblichst verletzt worden sei und monatelang im Krankenhaus bzw. einer Rehabilitationsstation aufhältig gewesen sei. Auch wenn daher für cerebrale Anfälle als Unfall auslösende Ursachen kein hinreichender Anhaltspunkt bestehe, erweise sich auf Grund der Verhaltensweisen des Beschwerdeführers und der Unfallfolgen in der Person des Beschwerdeführers auf Grund des letzten Unfalles vom 1. September 2001 die Einholung eines amtsärztlichen Gutachtens über die weitere gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B als unabdingbar. Damit habe nicht bis zum Ablauf der Gültigkeit der Lenkberechtigung zugewartet werden können.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, verzichtete auf eine Gegenschrift, hat aber die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 65/2002 maßgeblich.

Die einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten (auszugsweise):

"§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

1. die Lenkberechtigung zu entziehen

oder

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

...

(4) Vor der Entziehung oder Einschränkung der Gültigkeit der Lenkberechtigung wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung ist ein von einem Amtsarzt erstelltes Gutachten gemäß § 8, vor der Entziehung wegen mangelnder fachlicher Befähigung ein Gutachten gemäß § 10 einzuholen.

...

§ 26.

...

(5) Leistet der Besitzer einer Lenkberechtigung einem rechtskräftigen Bescheid mit der Aufforderung, die Gutachten gemäß § 24 Abs. 4 beizubringen, innerhalb von vier Monaten nach Zustellung des Bescheides keine Folge, so ist ihm die Lenkberechtigung jedenfalls bis zur Beibringung des Gutachtens zu entziehen."

1.2. Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen der FSG-GV in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 16/2002 lauten (auszugsweise):

"Allgemeines

§ 2.

...

(2) Die verkehrspsychologische Untersuchung hat, je nach den Erfordernissen der Verkehrssicherheit, den Gesichtspunkt der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit oder der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung besonders zu berücksichtigen. Sie kann in den Fällen des § 17 Abs. 3 Z 1 und 2 auf Grund einer positiven Kurzuntersuchung (Screening) abgekürzt werden.

...

Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinn des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

...

Verkehrspsychologische Stellungnahme

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

  1. 1. auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder
  2. 2. auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung

    erwecken. Mangelnde Bereitschaft der Verkehrsanpassung ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn einem Lenker innerhalb eines Zeitraumes von fünf Jahren die Lenkberechtigung drei Mal entzogen wurde, oder wenn ein Lenker wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 lit. b oder c StVO 1960 bestraft wurde.

    ..."

    2. Die belangte Behörde stützt den angefochtenen Bescheid - anders als die Erstbehörde - nicht mehr auf die beiden früheren Verkehrsunfälle des Beschwerdeführers vom 17. Mai 2000 und vom 30. März 2001, sie hegt vielmehr Verdacht dahingehend, dass dem Beschwerdeführer angesichts seines Verhaltens, das zum Verkehrsunfall am 1. September 2001 geführt hat, die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung fehle und ihm im Hinblick auf die Folgen dieses Unfalles auch sonst die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B ermangle.

    Nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist ein Aufforderungsbescheid nach § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 FSG nur dann zulässig, wenn begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt. Hiebei geht zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Im vorliegenden Zusammenhang ist der Aufforderungsbescheid dann rechtens, wenn ausreichende Anhaltspunkte für den Verdacht bestanden, dem Beschwerdeführer ermangle es wegen Fehlens der Bereitschaft zur Verkehrsanpassung oder wegen der Unfallsfolgen an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen.

    Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides auch auf die Folgen des letzten Unfalls des Beschwerdeführers am 1. September 2001 und auf die erheblichen Verletzungen des Beschwerdeführers hingewiesen, die zu monatelangem Krankenhausaufenthalt bzw. zum Aufenthalt in einer Rehabilitationsstation geführt hatten. In seiner Beschwerde räumt der Beschwerdeführer selbst ein, innere Verletzungen erlitten zu haben, wobei er ausdrücklich von einer Magenperforation, einer Leberruptur, einer Milzruptur sowie einer Thoraxkontusion spricht.

    Zieht man in Betracht, dass dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung auf Grund eines bei ihm unstrittig bestehenden cerebralen Anfallsleidens nur befristet erteilt worden ist, so kann der belangten Behörde im Ergebnis nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Hinblick auf die seit der befristeten Erteilung der Lenkberechtigung hervorgekommenen Umstände, nämlich die erwähnten - zweifellos schweren - inneren Verletzungen des Beschwerdeführers von einem begründeten Verdacht ausging, dem Beschwerdeführer fehle es nunmehr an der gesundheitlichen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen (im Umfang seiner Lenkberechtigung). Die mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte Aufforderung des Beschwerdeführers zur Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens kann aus diesen Erwägungen nicht als rechtswidrig erkannt werden.

    Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

    Wien, am 18. März 2003

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte