Normen
B-VG Art130 Abs2;
KFG 1967 §45 Abs3;
KFG 1967 §45 Abs6;
B-VG Art130 Abs2;
KFG 1967 §45 Abs3;
KFG 1967 §45 Abs6;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 45 Abs. 6 letzter Satz KFG 1967 die der Beschwerdeführerin am 29. November 1995 erteilte Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten (mit einem näher bezeichneten Kennzeichen) aufgehoben. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei mit Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Schwechat vom 20. Juni 2001 rechtskräftig wegen der Übertretungen des § 45 Abs. 4 und § 45 Abs. 6 KFG 1967 bestraft worden, weil er das Probefahrtkennzeichen am 3. April 2001 um 15.55 Uhr in Schwechat einer namentlich genannten Person überlassen habe, obwohl keine Probefahrt durchgeführt worden sei, und für die gegenständliche auf Freilandstraßen durchgeführte Probefahrt keine Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt ausgestellt habe. Auf Grund der daraus resultierenden Bindungswirkung stehe somit fest, dass das Probefahrtkennzeichen am 3. April 2001 nicht anlässlich einer Probefahrt im Sinne des KFG 1967 verwendet worden sei und die Vorschriften des § 45 Abs. 6 leg. cit. betreffend die Verpflichtung zur Ausstellung einer Bescheinigung über Ziel und Zweck der Probefahrt verletzt worden seien. Die von der Beschwerdeführerin beantragte Vernehmung ihres Geschäftsführers habe daher unterbleiben können. Da von einer missbräuchlichen Verwendung und von einer Verletzung der Vorschrift betreffend die Ausstellung der Bescheinigung auszugehen gewesen sei, sei die Bewilligung aufzuheben gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 45 des KFG 1967 (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 32/2002, somit in der Fassung vor der 21. KFG-Novelle BGBl. I Nr. 80/2002) lautet (auszugsweise) wie folgt:
"§ 45 Probefahrten
(1) Probefahren mit nicht zum Verkehr zugelassenen Kraftfahrzeugen oder Anhängern oder Fahrgestellen solcher Fahrzeuge dürfen auf Straßen mit öffentlichem Verkehr nur mit Bewilligung der Behörde durchgeführt werden, in deren örtlichem Wirkungsbereich der Ort liegt, von dem aus der Antragsteller hauptsächlich über die Verwendung der Probefahrtkennzeichen verfügt. Probefahrten sind Fahrten zur Feststellung der Gebrauchsfähigkeit oder der Leistungsfähigkeit von Fahrzeugen oder ihrer Teile oder Ausrüstungsgegenstände oder Fahrten, um Fahrzeuge vorzuführen. Als Probefahrten gelten auch
1. Fahrten zur Überführung eines Fahrzeuges an einen anderen Ort im Rahmen des Geschäftsbetriebes,
2. Fahrten zur Überführung des Fahrzeuges durch den Käufer bei der Abholung des Fahrzeuges vom Verkäufer und
3. Fahrten zum Ort der Begutachtung oder Überprüfung des Fahrzeuges nach dem III. und V. Abschnitt.
...
(4) Bei der Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist auch auszusprechen, welche Kennzeichen bei den Probefahrten zu führen sind. Diese Kennzeichen sind Probefahrtkennzeichen (§ 48 Abs. 3) und dürfen nur bei Probefahrten geführt werden. Über die Erteilung der im Abs. 1 angeführten Bewilligung ist dem Antragsteller eine Bescheinigung, der Probefahrtschein, auszustellen.
...
(6) Der Besitzer einer Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten hat über die Verwendung der mit dieser Bewilligung zugewiesenen Probefahrtkennzeichen einen Nachweis zu führen und darin vor jeder Fahrt den Namen des Lenkers und das Datum des Tages sowie die Marke, die Type und die Fahrgestellnummer des Fahrzeuges, sofern dieses zugelassen ist, jedoch nur sein Kennzeichen einzutragen. Der Nachweis ist drei Jahre gerechnet vom Tag der letzten Eintragung aufzubewahren und der Behörde auf Verlangen zur Einsichtnahme vorzulegen. Für Probefahrten auf Freilandstraßen (§ 2 Abs. 1 Z. 16 der StVO 1960) und für Probefahrten an Sonn- und Feiertagen hat der Besitzer der Bewilligung für den Lenker eine Bescheinigung über das Ziel und den Zweck der Probefahrt auszustellen (§ 102 Abs. 5 lit. c); diese Bescheinigung unterliegt keiner Stempelgebühr. Bei Betrieben, die außerhalb des Ortsgebietes (§ 2 Abs. 1 Z. 15 der StVO 1960) liegen, muss diese Bescheinigung nur für Probefahrten an Sonn- und Feiertagen ausgestellt werden. Die Behörde kann die Bewilligung bei Missbrauch oder wenn die Vorschriften dieses Absatzes nicht eingehalten wurden, aufheben.
..."
§ 45 Abs. 6 letzter Satz KFG 1967 ermächtigt die Behörde, die erteilte Bewilligung zur Durchführung von Probefahrten "bei Missbrauch oder wenn die Vorschriften dieses Absatzes nicht eingehalten wurden" aufzuheben. Nach dem Wortlaut des § 45 Abs. 6 KFG 1967 ist eine Aufhebung nicht zwingend vorgesehen. Der Behörde ist vielmehr Ermessen eingeräumt (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2001/11/0048). Auch Ermessensentscheidungen unterliegen der Begründungspflicht gemäß § 60 AVG. Die Behörde hat in der Begründung die für die Ermessensübung maßgebenden Umstände anzuführen. Sie hat zu den im Rahmen der Ermessensübung zu berücksichtigenden Umständen auf einem mängelfreien Verfahren beruhende Sachverhaltsfeststellungen zu treffen (siehe dazu unter anderem die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2 (1998), unter E. Nr. 133, 134 und 137 zu § 60 AVG zitierte Rechtsprechung).
Diesen Anforderungen genügt der angefochtene Bescheid nicht. Die belangte Behörde hat sich darauf beschränkt, auf die bindende Wirkung der rechtskräftigen Bestrafung des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin hinzuweisen. Aus der rechtskräftigen Bestrafung folgt, dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin am 3. April 2001 um 15.55 Uhr einem bei der Beschwerdeführerin beschäftigten Lenker das Probefahrtkennzeichen überlassen hat, obwohl keine Probefahrt durchgeführt wurde. Dass der Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gleichzeitig bestraft wurde, weil er die in § 45 Abs. 6 KFG 1967 genannte Bescheinigung über Ziel und Zweck der Probefahrt nicht ausgestellt habe, spielt im Rahmen der im vorliegenden Verfahren vorzunehmenden Ermessensübung keine Rolle, weil dann, wenn gar keine Probefahrt unternommen und daher durch die Verwendung des Probefahrtkennzeichens eine Übertretung gemäß § 45 Abs. 4 KFG 1967 verwirklicht wird, die Ausstellung einer Bescheinigung über Ziel und Zweck der Probefahrt gar nicht in Betracht kommt.
Die belangte Behörde, deren Bescheid zur Ermessensübung keinerlei Begründung enthält, hätte auf Grund der von ihr getroffenen Tatsachenfeststellungen im Rahmen der Ermessensübung nur die Tatsache berücksichtigen können, dass das Probefahrtkennzeichen am 3. April 2001 nicht bei einer Probefahrt verwendet wurde. Andere Umstände, die für die Beurteilung des Ausmaßes des am 3. April 2001 erfolgten Missbrauches und dessen Verwerflichkeit von Bedeutung hätten sein können, oder andere Tatsachen, die im Rahmen der Ermessensübung zum Nachteil des Beschwerdeführers zu berücksichtigen gewesen wären, wurden nicht festgestellt.
Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. August 2003
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