VwGH 2002/10/0046

VwGH2002/10/004622.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Novak und Dr. Mizner als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde der R in Wien, vertreten durch Dr. Eric Agstner, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Tuchlauben 11, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 4. Dezember 2001, MA 15-II-R 41/2001, betreffend Sozialhilfe, zu Recht erkannt:

Normen

SHV Richtsätze Wr 1973 §5 Abs3;
SHV Richtsätze Wr 1973 §5 Abs3;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführerin für die Zeit vom 19. April 2001 bis inklusive 18. Mai 2001 unter Berücksichtigung der Mietbeihilfe für den Monat Mai 2001 gemäß den §§ 8, 12 und 13 des Wiener Sozialhilfegesetzes, LGBl. Nr. 11/1973 (WSHG), sowie der §§ 1, 4 und 5 der Verordnung der Wiener Landesregierung vom 27. Februar 1973, LGBl. Nr. 13 (Richtsatzverordnung), eine Geldaushilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes in der Höhe von EUR 217,44 gewährt.

Nach der Begründung sei der Beschwerdeführerin auf Grund ihres Antrages vom 27. April 2001 vom Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 12 - Sozialreferat, eine Geldaushilfe für den genannten Zeitraum in Höhe von EUR 70,49 zuerkannt worden. In der dagegen erhobenen Berufung habe die Beschwerdeführerin vorgebracht, die Sozialhilfe sei unzulässiger Weise "verkürzt" worden. Ein Betrag des tatsächlich durchschnittlichen Heizbedarfes für den Zeitraum bis 30. April 2001 in Höhe von EUR 134,44 sei nicht gewährt worden. Ebenso sei eine Abgeltung der Stromkosten, die auch als Heizkosten ihren Niederschlag fänden, nicht in Erwägung gezogen worden. Weiters sei der Mietenbedarf nicht in tatsächlich anfallender Höhe gewährt und ein Mietenselbstbehalt abgezogen worden.

Nach Wiedergabe der angewendeten Bestimmungen legte die belangte Behörde dar, die Beschwerdeführerin bewohne mit zweien ihrer insgesamt vier Kinder, nämlich mit Andreas R. und Michelle J., eine Wohnung mit 54,77 m2, wofür monatlich EUR 402,94 Miete zu bezahlen sei. Die Beschwerdeführerin beziehe eine Witwenpension von monatlich EUR 639,89 (vierzehn Mal pro Jahr). Andreas R. beziehe eine Waisenrente von monatlich EUR 263,98 (vierzehn Mal pro Jahr). Laut einem am 4. Juni 1999 abgeschlossenen Vergleich (mit dem Kindesvater) stünden der Beschwerdeführerin für ihre Tochter Michelle J. monatlich Alimente von EUR 47,96 zu; für den beim Kindesvater lebenden minderjährigen Wilhelm J. sei sie zur Zahlung von monatlichen Alimenten in Höhe von EUR 47,96 verpflichtet. Der monatliche Sozialhilferichtsatz für einen Mitunterstützten mit Anspruch auf Familienbeihilfe betrage im Jahre 2001 EUR 113,73. Da die Waisenrente für Andreas R. diesen Richtsatz überschreite, sei er nicht auf Sozialhilfe angewiesen und daher nicht in die Berechnung einzubeziehen. Die minderjährige Michelle J. habe nur einen Alimentationsanspruch in Höhe von EUR 47,96, der unter dem Richtsatz für Mitunterstützte mit Anspruch auf Familienbeihilfe liege. Ihr Lebensbedarf sei daher durch die Alimente nicht gedeckt, was zur Folge habe, dass die Einrechnung von deren Alimenten zu keiner Minderung des Bedarfes der Beschwerdeführerin führe. Die Alimentationsverpflichtung der Beschwerdeführerin für ihren minderjährigen Sohn Wilhelm J. in Höhe von EUR 47,96 sei bei ihrem Sozialhilfebedarf (erhöhend) zu berücksichtigen.

Der Berechnung des Sozialhilfeanspruches der Beschwerdeführerin sei der Richtsatz für einen Erwachsenen und ein Kind in Höhe von EUR 607,25 zu Grunde gelegt worden. Dieser Richtsatz sei ein gemäß § 13 Abs. 4 WSHG erhöhter Richtsatz, der bei Familien mit Kindern im Einzelfall herangezogen werden könne. Von diesem erhöhten Richtsatz sei ein durchschnittlicher Mietbedarf nicht abzuziehen. Gemäß § 5 Abs. 3 der Richtsatzverordnung dürfe die Mietbeihilfe in der Regel bei drei bis vier Personen und einer Wohnungsgröße bis inklusive 70 m2 einen Betrag von EUR 249,41 nicht überschreiten.

Die belangte Behörde errechnete daraufhin für den streitgegenständlichen Zeitraum den "Sozialhilfebedarf" der Beschwerdeführerin (erhöhter Richtsatz für einen Erwachsenen und ein Kind samt Unterkunftsbedarf und Alimente für den mj. Willi J.), dem sie die Gesamtsumme von deren Einkommen gegenüberstellte. Danach wurde der Beschwerdeführerin Sozialhilfe in Höhe von EUR 217,41 zuerkannt.

Zum geltend gemachten Heizbedarf bemerkte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführerin mit Bescheid vom 27. November 2001 die Heizbeihilfe für April 2001 zuerkannt worden sei. Hinsichtlich eines allfälligen Mehrbedarfes sei die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 10. Oktober 2001 aufgefordert worden, auch für den Zeitraum vom 19. April bis 18. Mai 2001 den Mehrbedarf durch Originalrechnungen für Heizöl zu belegen. Innerhalb der gesetzten Frist sei jedoch keine Reaktion erfolgt, sodass dem Mehrbegehren nicht habe entsprochen werden können. Was die Gas- und Stromkosten anlange, so sei darüber bereits mit mündlich verkündetem Bescheid der Magistratsabteilung 12 vom 29. Mai 2001 entschieden worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

§ 1 Abs. 1 WSHG legt fest, dass die Sozialhilfe jenen Menschen die Führung eines menschenwürdigen Lebens zu ermöglichen hat, die dazu der Hilfe der Gemeinschaft bedürfen. Auf welche Weise dies erreicht wird, konkretisiert sich in den weiteren Bestimmungen des Gesetzes bzw. auf Verordnungsebene.

Gemäß § 8 Abs. 1 WSHG hat Anspruch auf Hilfe zur Sicherung des Lebensbedarfes nach Maßgabe der folgenden Bestimmungen dieses Abschnittes, wer den Lebensbedarf für sich und die mit ihm in Familiengemeinschaft lebenden unterhaltsberechtigten Angehörigen nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln beschaffen kann und ihn auch nicht von anderen Personen oder Einrichtungen erhält.

Zum Lebensbedarf gehört gemäß § 11 Abs. 1 Z. 1 WSHG der Lebensunterhalt.

Nach § 12 WSHG umfasst der Lebensunterhalt insbesondere Unterkunft, Nahrung, Bekleidung, Körperpflege, Hausrat, Beheizung, Beleuchtung, Kochfeuerung und andere persönliche Bedürfnisse. Zu den persönlichen Bedürfnissen gehört auch die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben in angemessenem Ausmaß.

Die Bemessung von Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes hat nach § 13 Abs. 1 WSHG unter Anwendung von Richtsätzen zu erfolgen. Die Richtsätze sind durch Verordnung der Landesregierung (Richtsatzverordnung) festzusetzen. Gemäß § 13 Abs. 3 WSHG ist der Richtsatz so zu bemessen, dass er den monatlichen Bedarf an Nahrung, Beleuchtung, Kochfeuerung, Instandsetzung der Bekleidung, Körperpflege, Wäschereinigung sowie in angemessenem Ausmaß den Aufwand für die Pflege der Beziehungen zur Umwelt und die Teilnahme am kulturellen Leben deckt. Nach § 13 Abs. 4 WSHG kann der Richtsatz im Einzelfall überschritten werden, wenn infolge der persönlichen oder familiären Verhältnisse des Hilfe Suchenden ein erhöhter Bedarf besteht. Dies gilt insbesondere bei alten, kranken oder behinderten Menschen sowie bei Familien mit Kindern. Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, insbesondere die Unterkunft, Bekleidung, Hausrat und Beheizung, ist gemäß § 13 Abs. 6 WSHG durch zusätzliche Geld- oder Sachleistungen zu decken, deren Ausmaß nach den Erfordernissen des einzelnen Falles zu bemessen ist. In der Richtsatzverordnung werden die Richtsätze zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit monatlichen Geldbeträgen festgesetzt (vgl. § 1 Abs. 1). Die Richtsätze sollen somit den in § 13 Abs. 3 WSHG näher umschriebenen monatlichen (Durchschnitts-)Bedarf decken. Hievon kann unter den in Abs. 4 (Richtsatzüberschreitung) und Abs. 5 (Richtsatzunterschreitung) dieser Gesetzesstelle genannten Voraussetzungen abgegangen werden. Der nicht durch den Richtsatz gedeckte Bedarf im Rahmen des Lebensunterhaltes, also der in § 13 Abs. 3 WSHG nicht im Einzelnen aufgezählte Bedarf, kann gemäß § 13 Abs. 6 WSHG als Sonderbedarf geltend gemacht werden. Auf das Vorbringen der Beschwerdeführerin, auch ein Aufwand, der vom Wesen her bereits im Richtsatz enthalten sein solle, könne ein "vom Richtsatz nicht gedeckter Bedarf" im Sinne des § 13 Abs. 6 WSHG sein, ist zu erwidern, dass diese Auffassung vom Verwaltungsgerichtshof nicht geteilt wird (vgl. dazu etwa das Erkenntnis vom 24. November 2003, Zl. 2003/10/0050, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird). Soweit die Beschwerdeführerin die Auffassung vertritt, der angefochtene Bescheid sei rechtswidrig, weil die Miete nicht in der tatsächlich anfallenden Höhe gewährt worden sei, ist auf die Ausführungen des Erkenntnisses vom heutigen Tag, Zlen. 2002/10/0044, 0045, zu verweisen. Danach ist es Sache des Antragstellers im Rahmen seiner Mitwirkungspflicht darzulegen, auf Grund welcher konkreter Umstände in persönlicher oder familiärer Hinsicht bei ihm eine Situation vorliegt, die sich von der im allgemeinen bestehenden Bedarfslage anderer Hilfe Suchender deutlich unterscheidet und solcherart einen erhöhten Wohnbedarf begründet. Ein entsprechendes Vorbringen wurde von der Beschwerdeführerin nicht erstattet.

Da die belangte Behörde im Beschwerdefall keinen durchschnittlichen Mietbedarf ("Mietenselbstbehalt") abgezogen hat, gehen die diesbezüglichen Ausführungen der Beschwerde ins Leere. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

Von den beantragten mündlichen Verhandlungen wurde gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen.

Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Dezember 2003

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