VwGH 2002/05/0108

VwGH2002/05/010815.7.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde des Johann Pils in Amstetten, vertreten durch Dr. Walter Eisl, Rechtsanwalt in 3300 Amstetten, Ardaggerstraße 14, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 4. Jänner 2002, Zl. RU1- V-01025/01, betreffend Erteilung eines Bauauftrages (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Amstetten, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Normen

BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §33;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §48;
BauRallg;
VwRallg;
BauO NÖ 1976 §92 Abs1 Z4;
BauO NÖ 1996 §14 Z4;
BauO NÖ 1996 §33 Abs1;
BauO NÖ 1996 §33 Abs2;
BauO NÖ 1996 §33;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z1;
BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §48;
BauRallg;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Wohnungseigentümer der Wohnung Top Nr. 43 in der Wohnungseigentumsanlage Laurenz-Dorrer-Straße 1 in Amstetten. Die Wohnung liegt im 6. Stock des zehnstöckigen Wohnhauses. Der Beschwerdeführer hat diese Wohnung im Jahre 1995 gekauft. Zu diesem Zeitpunkt war bereits im WC dieser Wohnung ein "Einzellüfter" eingebaut.

In der am 18. Dezember 2000 durchgeführten "Überprüfungsverhandlung" wurde festgehalten, dass es nach Auffassung des Rauchfangkehrermeisters auf Grund der in der Wohnhausanlage eingebauten elektrischen Einzellüfter zu Geruchsbelästigungen bei den übrigen Wohnungseinheiten komme. Der beigezogene Amtssachverständige führte in seinem Gutachten aus, dass die WC's sowie die Bäder der einzelnen Wohneinheiten über eigene Abluftschächte entlüftet werden. Diese Abluftschächte seien für Unterdruckbetrieb bei der ursprünglichen Baubewilligung genehmigt worden. Nunmehr seien bei drei Wohnungseigentümern im

2. , 4. und 6. Stock des Wohngebäudes elektrisch betriebene Ventilatoren eingebaut worden. Dadurch könne es bei den übrigen Wohnungseinheiten, die keine Ventilatoren und Rückschlagklappen bei den einzelnen Raumanschlüssen hätten, zu Geruchsbelästigungen kommen. Bei den Abluftsammlern der WC's sei ein Versorgungsschacht für Wasser und Abwasserleitungen vorhanden. Es sei daher auch möglich, dass auf Grund von Undichtheiten zwischen den Abluftsammlern und dem Versorgungsschacht Gerüche in die einzelnen Wohneinheiten übertragen würden. Soweit dies bautechnisch möglich sei, sollten diese Schächte auf gegenseitige Dichtheit kontrolliert werden. Die technische Ausführung der Einzellüftungsanlagen mit einem gemeinsamen Abluftsammler seien in der ÖNORM M7637 beschrieben. Bei jeder Wohneinheit müsste eine Einzellüftungsanlage mit Rückschlagklappe bei den einzelnen Anschlussleitungen zum Abluftsammler eingebaut sein. Des Weiteren müsste der Abluftsammler für einen Überdruckbetrieb geeignet sein.

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 21. Dezember 2000 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1996 ein baupolizeilicher Auftrag "zur Beseitigung des elektrischen Einzellüfters (eingebaut im bestehenden Abgassammler für das WC)" in dessen Wohnung bis längstens einem Monat ab Zustellung des Bescheides erteilt.

Die dagegen erhobene Berufung des Beschwerdeführers wurde mit Bescheid des Stadtrates der Stadtgemeinde Amstetten vom 25. Juni 2001 gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die dagegen erhobene Vorstellung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Durch den nachträglichen Einbau des Einzellüfters sei die Wohnhausanlage abgeändert worden. Aus dem Gutachten des Amtssachverständigen ergebe sich, dass die hygienischen Verhältnisse in der Wohnhausanlage auf Grund der Geruchsbelästigung durch den Einzellüfter beeinträchtigt werden könnten. Der Einzellüfter wäre daher auch nach § 92 Abs. 1 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig gewesen. Die Bewilligungspflicht nach der NÖ Bauordnung 1996 folge aus dessen § 14 Z. 4. Der Bauauftrag sei daher zu Recht erfolgt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Übereinstimmend gehen die Parteien davon aus, dass der Beschwerdeführer von der Baubehörde aufgefordert worden ist, für den Einbau des Einzellüfters einen Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung einzubringen. Der Beschwerdeführer bestreitet die Baubewilligungspflicht für den Einbau eines solchen Entlüfters und erblickt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides insbesondere darin, dass die Behörden für die Prüfung der Bewilligungspflicht die NÖ Bauordnung 1996 herangezogen hätten.

Für die Erteilung eines Beseitigungsauftrages ist zwar nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Rechtslage im Zeitpunkt der Bescheiderlassung maßgeblich. Hinsichtlich der Beurteilung der Bewilligungspflicht der vom Bauauftrag betroffenen baulichen Anlage ist jedoch davon auszugehen, dass diese nicht nur im Zeitpunkt der Erteilung des Auftrages sondern auch im Zeitpunkt der Errichtung gegeben sein muss (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 20. April 2001, Zl. 99/05/0225, und die bei Hauer/Zaussinger, Niederösterreichisches Baurecht, 6. Auflage, zu § 35 Abs. 2 Z. 3 BO referierte hg. Judikatur, S. 423 ff). Da der Einbau des Einzellüfters vor Inkrafttreten der NÖ Bauordnung 1996 erfolgt ist, hatten die Behörden im Beschwerdefall zu prüfen, ob die vorgenommene bauliche Maßnahme sowohl nach der NÖ Bauordnung 1976 als auch nach der NÖ Bauordnung 1996 baubewilligungspflichtig (bzw. anzeigepflichtig) war. Gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1976 bedurfte einer Bewilligung der Baubehörde die Instandsetzung und die Änderung von Bauwerken, wenn die Festigkeit tragender Bauteile, die Brandsicherheit, die sanitären Verhältnisse, das Orts- und Landschaftsbild beeinträchtigt oder Rechte der Nachbarn verletzt werden konnten. Gemäß § 14 Z. 4 der NÖ Bauordnung 1996 bedürfen einer Baubewilligung die Abänderung von Bauwerken, wenn die Standsicherheit tragender Bauteile, der Brandschutz oder die hygienischen Verhältnisse beeinträchtigt, ein Widerspruch zum Ortsbild entstehen oder Rechte nach § 6 verletzt werden könnten.

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid den von den Baubehörden auf § 35 Abs. 2 Z. 3 Niederösterreichische Bauordnung 1996 (NÖ Bauordnung 1996) gestützten Bauauftrag als rechtmäßig beurteilt. Nach dieser Gesetzesstelle hat jedoch die Behörde den Abbruch des Bauwerks anzuordnen, wenn für das Bauwerk keine Baubewilligung (§ 23) oder Anzeige (§ 15) vorliegt und der Eigentümer den für die fehlende Bewilligung erforderlichen Antrag oder die Anzeige nicht innerhalb der von der Baubehörde bestimmten Frist ab Zustellung der Aufforderung hiezu eingebracht hat.

Liegt jedoch wie im Beschwerdefall eine Baubewilligung des Bauwerks vor und wurde das Bauwerk teilweise (vgl. § 35 Abs. 2 Z. 1 NÖ Bauordnung 1996) in Abweichung von der erteilten Baubewilligung ausgeführt, kann ein Entfernungsauftrag nur unter den Voraussetzungen des § 33 NÖ Bauordnung 1996 erteilt werden. Die Zitierung der falschen Gesetzesstelle durch die Behörden ist im Beschwerdefall jedoch nicht von entscheidender Bedeutung und führt auf Grund folgender Erwägungen nicht zur begehrten Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

Diese letztgenannte Gesetzesstelle hat folgenden Wortlaut (auszugsweise):

"§ 33.

Vermeidung und Behebung von Baugebrechen

(1) Der Eigentümer eines Bauwerks hat dafür zu sorgen, dass dieses in einem der Bewilligung (§ 23) oder der Anzeige (§ 15) entsprechenden Zustand ausgeführt und erhalten wird. Er hat Baugebrechen, durch welche

die Standsicherheit,

die äußere Gestaltung,

der Bandschutz,

die Sicherheit von Personen und Sachen

beeinträchtigt werden oder

die zu unzumutbaren Belästigungen (§ 48) führen können,

zu beheben.

(2) Kommt der Eigentümer eines Bauwerkes seiner Verpflichtung nach Abs. 1 nicht nach, hat die Baubehörde nach Überprüfung des Bauwerks, unter Gewährung einer angemessenen Frist, die Behebung des Baugebrechens zu verfügen.

(...)"

Im Falle eines baubewilligungspflichtigen Vorhabens kann demnach ein Baugebrechen im Sinne des § 33 NÖ Bauordnung 1996 auch dann vorliegen, wenn durch eine bewilligungsbedürftige aber nicht bewilligte oder anzeigepflichtige aber nicht angezeigte Abänderung oder das Fehlen eines unentbehrlichen Bauteils oder Zubehörs ein Zustand eines Bauwerkes verursacht wurde, der seine Standfestigkeit, sein Aussehen, den Brandschutz oder die Sicherheit von Personen und Sachen beeinträchtigt oder zu einer örtlich unzumutbaren Belästigung im Sinne des § 48 führen kann. Sind diese nicht genehmigten bzw. nicht nicht-untersagten Abweichungen vom bewilligten Projekt nachträglich nicht bewilligbar, sind diese Konsenswidrigkeiten auf Grund eines Auftrages nach § 33 leg. cit. zu beheben (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Mai 2002, Zl. 2001/05/0835, m.w.N.).

Der Einbau eines "Einzellüfters" der hier zu beurteilenden Art in den Abluftschacht war gemäß § 92 Abs. 1 Z. 4 NÖ Bauordnung 1976 bewilligungspflichtig, die Bewilligungspflicht dieser baulichen Maßnahme ergibt sich nunmehr aus § 14 Z. 4 NÖ Bauordnung 1996. Da eine solche Baubewilligung im Beschwerdefall fehlt, liegt eine Konsenswidrigkeit vor, die im § 33 Abs. 1 NÖ Bauordnung 1996 genannte öffentliche Interessen beeinträchtigt, weil dadurch von der Benützung der damit zu entlüftenden Sanitärräume jedenfalls Emissionen ausgehen, die Menschen durch Geruch im Sinne des § 48 NÖ Bauordnung 1996 unzumutbar belästigen können. Die Erlassung des Beseitigungsauftrages durch die Baubehörden erfolgte demnach ohne Rechtsirrtum.

Insofern der Beschwerdeführer auf § 95 NÖ Bauordnung 1976 verweist ist dem entgegen zu halten, dass geringfügige Vorhaben der dort umschriebenen Art (Arbeiten zur Erhaltung, Instandsetzung oder Verbesserung von Bauwerken) nur dann bewilligungsfrei waren (also weder bewilligungs- noch anzeigepflichtig waren), wenn nicht die Voraussetzungen des § 92 Abs. 1 Z. 4 leg. cit. zutrafen. Dass dies im Beschwerdefall nicht der Fall ist, wurde oben dargelegt.

Die Beiziehung eines medizinischen Sachverständigen zur Prüfung der Frage, ob durch den eingebauten Lüftungsfilter eine "Hygienebeeinträchtigung oder Geruchsbelästigung" erfolgt, war im Auftragsverfahren nicht zu erörtern, weil hier nur zu prüfen war, ob Bewilligungspflicht im maßgeblichen Zeitpunkt gegeben war. Dies ist im gegebenen Zusammenhang aber schon dann anzunehmen, wenn die im Gesetz geforderte Beeinträchtigung oder Verletzung von Rechten eintreten kann. Es reicht daher die bloße Möglichkeit der Verletzung von Nachbarrechten. Dem Bewilligungsverfahren ist die Prüfung der tatsächlichen Beeinträchtigung und Verletzung von Nachbarrechten vorbehalten.

Der angefochtene Bescheid erweist sich aus diesen Gründen frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 15. Juli 2003

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