Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger der Türkei, reiste am 26. Jänner 2000 in das Bundesgebiet ein und stellte am 28. Jänner 2000 einen Asylantrag. Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 28. Februar 2000 erklärte der Beschwerdeführer niederschriftlich, er sei von April 1997 bis Sommer 1999 in Deutschland gewesen und habe dort um Asyl angesucht. Aus Deutschland sei er mit dem Flugzeug nach Istanbul abgeschoben worden. Am Flughafen sei er für zwölf Tage verhaftet worden. Er sei einvernommen worden, weil er die Türkei illegal verlassen habe. Nach Folterungen sei er dann entlassen worden und habe seine Tätigkeit für die HADEP wieder aufgenommen. Er sei Werber für die HADEP in den Dörfern gewesen. Die Kämpfer an der Front habe er mit Nahrungsmitteln und Kleidern versorgt. Er sei auch selbst militärisch ausgebildet worden. Im Oktober 1999 habe man ihn gelehrt, wie man eine Waffe bediene. Er sei angezeigt worden, weil er für die HADEP arbeite, und um den 5. November 1999 für fünf Tage verhaftet worden. Er sei in der Haft geschlagen und gefoltert worden. Bei seiner Entlassung hätten ihm die Sicherheitskräfte gesagt, er müsse ohnedies in vier Monaten zum Militär. In seinem Akt werde aufscheinen, dass er für die HADEP gearbeitet habe. Beim Militär werde er sowieso getötet werden. Nach seiner Entlassung am 10. November 1999 bis zu seiner Ausreise am 26. Jänner 2000 sei er etwa zwanzigmal verhaftet worden. Vor einer Woche habe er zu Hause angerufen, da sei ihm mitgeteilt worden, dass er einen Einberufungsbefehl bekommen habe. Auf den Vorhalt, er habe angegeben, ab 25. August 1999 bei seinem Vater als Taxifahrer beschäftigt gewesen zu sein, was nicht damit übereinstimme, dass er nachweislich am 16. August 1999 in die Türkei abgeschoben worden und dann für zwölf Tage verhaftet worden sei, erklärte der Beschwerdeführer, er könne sich an die zeitlichen Daten nicht mehr genau erinnern.
Mit Bescheid vom 7. Juni 2000 wies das Bundesasylamt den Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 7 Asylgesetz ab und erklärte seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Türkei gemäß § 8 Asylgesetz für zulässig. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers unglaubwürdig sei. Als dem Beschwerdeführer zur Kenntnis gebracht worden sei, dass für Asylwerber allein auf Grund der erfolglosen Asylantragstellung im Ausland keine Gefahr bestehe, von türkischen Behörden verfolgt zu werden, habe er nur angegeben, er habe alles so erlebt, es sei so. Dies sei nicht geeignet, Glaubwürdigkeit zu bewirken. Außerdem habe er keine sichtbaren Male von den behaupteten Folterungen davongetragen. Seine Angabe, ab 25. August 1999, also zu einem Zeitpunkt, wo er eigentlich noch inhaftiert gewesen sei, im väterlichen Taxiunternehmen als Fahrer beschäftigt gewesen zu sein, bewirke den Verlust jeder Glaubwürdigkeit. Von seiner militärischen Ausbildung im Oktober 1999 habe er lediglich den Namen der Handfeuerwaffe, an der er trainiert worden sei (Kalashnikov), behalten. Er sei nicht in der Lage gewesen, technische Details (wie Angaben zu Kaliber, Magazinskapazität, Gewicht oder Einsatzschussweite) zu nennen. Sein Erklärungsversuch, dass es nur ein ganz kleines Ausbildungscamp gewesen sei und die Teilnehmer sich alles gegenseitig beigebracht hätten, könne seine Glaubwürdigkeit nicht erhöhen bzw. die Widersprüche nicht ausräumen. Den Grund für die Festnahme Anfang November 1999 habe der Beschwerdeführer mehrmals ausgewechselt (weil er Kurde sei, weil er der HADEP angehöre), und schließlich sei er zu einer Verfolgung auf Grund seines bevorstehenden Militärdienstes gelangt. Auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht in der Türkei bilde der bevorstehende Militärdienst des Beschwerdeführers aber keinen asylrelevanten Umstand. Im Übrigen sei es auch unglaubwürdig, dass eine Person in zwei Monaten zwanzigmal verhaftet werde.
In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, es möge der Lebenserfahrung in Österreich entsprechen, dass eine zwanzigmalige Verhaftung in kurzer Zeit unglaubwürdig sei, dies stimme jedoch nicht für die Türkei. Mitglieder der PKK oder auch der HADEP seien in der Türkei in höchstem Maße von Folterungen, Misshandlungen und schweren Haftstrafen bedroht. Es möge stimmen, dass im Allgemeinen niemand nach seiner Abschiebung in die Türkei festgenommen werde, jedoch stimme dies nicht in seinem Fall. Er sei nämlich ein politisch engagierter Kurde. Hinsichtlich der Tätigkeit beim Taxiunternehmen seines Vaters sei ihm nur ein Irrtum in der Datumsangabe unterlaufen. Bezüglich der zwanzigmaligen Verhaftung habe der Beschwerdeführer bereits während der Einvernahme gesagt, dass es sich nur zweimal um mehrtägige Inhaftierungen (mit Prügeln) gehandelt habe. Die restlichen Male sei er nur zum Verhör auf die Polizeistation mitgenommen worden. Diese Verhöre seien nicht weniger brutal gewesen, hätten jedoch nicht in Haft gemündet. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer Mitglieder der HADEP mit dem Auto in den umliegenden Dörfern mit Nahrungsmitteln und Kleidung versorgt, er habe bei politischen Veranstaltungen bei der Organisation und Durchführung und beim Transport von Gütern geholfen und habe in den umliegenden Dörfern Menschen für die HADEP angeworben. Bezüglich seiner einmonatigen militärischen Ausbildung habe der Beschwerdeführer eine Reihe von Fotos vorgelegt, die während dieser Ausbildung gemacht worden seien und ihn mit der Kalashnikov in der Hand zeigten. Es habe sich um keinen militärischen Grundlehrgang gehandelt, sondern der Beschwerdeführer habe nur Schießen, Laden und den Umgang mit diesen Waffen im Allgemeinen lernen sollen. Die Behörde erster Instanz sei im Übrigen nicht darauf eingegangen, dass ihm asylrelevante Verfolgung im Rahmen des Militärdienstes drohen würde. Durch seine Flucht vor dem Einberufungstermin (nunmehr sei ihm bekannt, dass dieser am 20. Februar 2000 gewesen sei) habe er sich auch noch der Desertion schuldig gemacht und als Kriegsdienstverweigerer deklariert, was für ihn als Kurden und bekanntes HADEP-Mitglied extrem gefährlich werden könne.
Auf Grund der Berufung des Beschwerdeführers beraumte die belangte Behörde für den 29. August 2000 um 08.00 Uhr und für den 30. August 2000 um 14.00 Uhr eine mündliche Verhandlung an. Die Ladung wurde laut dem im Akt befindlichen Rückschein hinterlegt mit dem Beginn der Abholfrist am 7. August 2000. Beigeschlossen war der Ladung eine Unterlage, betitelt "Politische und gesellschaftliche Geschichte der Kurden in der Türkei".
Am 29. August 2000 erschien der Beschwerdeführer nicht zur Verhandlung, ebenso auch nicht am 30. August 2000. Nach dem Verhandlungsprotokoll vom 30. August 2000 wurde festgestellt, dass an diesem Tag vom Verein "Zebra" die Kopie eines Meldezettels vorgelegt worden sei, gemäß welchem am selben Tag eine Wohnsitzänderung des Beschwerdeführers eingetreten sei. Demgemäss - so folgerte der Verhandlungsleiter laut Protokoll - müsse, da bis zum Vortag die alte Adresse als Hauptwohnsitz angeführt sei, die Ladungszustellung ordnungsgemäß erfolgt sein. In einem Schreiben des Vereins "Zebra" vom 12. Dezember 2000 wurde diesbezüblich noch klargestellt, dass der Beschwerdeführer bis ca. 16. August 2000 an seiner alten Adresse gewohnt habe. Die Vermieterin habe das Mietverhältnis fristlos ohne Vorankündigung beendet. Der Beschwerdeführer habe in der Folge versucht, bei seiner Vermieterin zu ergründen, ob Post für ihn gekommen sei, diese habe jedoch jeden Kontakt verweigert.
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet ab. Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der angefochtene Bescheid erweist sich schon deshalb als rechtswidrig, da seine Begründung teilweise aktenwidrig und im Übrigen nicht nachvollziehbar ist.
So findet die Feststellung der belangten Behörde, die Berufung sei "inhaltsleer" und "verzichte" auf eine Auseinandersetzung mit der Glaubwürdigkeitsbeurteilung der Behörde erster Instanz, keine Deckung im Akteninhalt. Im Übrigen besteht die Bescheidbegründung in wesentlichen Teilen aus einer unsystematischen Aneinanderreihung sprachlich oft schwer verständlicher Ausführungen, die keine klare Gedankenführung erkennen lassen und unter den im Gesetz vorgezeichneten Anforderungen an eine Bescheidbegründung im Hinblick auf eine geordnete Darlegung der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens und der für die Entscheidung maßgebenden Erwägungen der Behörde (§ 60 AVG) das Mindestmaß dessen unterschreiten, was von einer Bescheidbegründung zu verlangen ist, damit die Partei ihre Rechte wirksam verfolgen und der Verwaltungsgerichtshof die Entscheidung auf ihre Rechtmäßigkeit prüfen kann (vgl. dazu z.B. das hg. Erkenntnis vom 26. Juli 2001, Zl. 2000/20/0523, mwN).
Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. a, b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 12. Juni 2003
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