VwGH 2001/20/0228

VwGH2001/20/022827.2.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Sulzbacher, Dr. Grünstäudl und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Nichtowitz, über die Beschwerde des P in Wien, geboren 1984, vertreten durch Dr. Christa Springer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, An der Hülben 4, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 5. Februar 2001, Zl. 220.362/0- XII/05/00, betreffend Zurückweisung einer Berufung in einer Asylangelegenheit (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §25 Abs2;
AsylG 1997 §32 Abs1;
AsylG 1997 §25 Abs2;
AsylG 1997 §32 Abs1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Aus der Beschwerde und dem vorgelegten Verwaltungsakt ergibt sich folgender Sachverhalt:

Der Beschwerdeführer, seinen Angaben nach ein am 1. Jänner 1984 geborener Staatsangehöriger Sierra Leones, gelangte am 4. September 2000 in das Bundesgebiet und stellte am 5. September 2000 einen Asylantrag. Im Hinblick auf das vom Beschwerdeführer angegebene Geburtsdatum wurde dieser im Verfahren zunächst gemäß § 25 Abs. 2 AsylG durch den örtlich zuständigen Jugendwohlfahrtsträger vertreten. In der Niederschrift über die Einvernahme des Beschwerdeführers vom 5. Oktober 2000 wurde vom Bundesasylamt Folgendes festgehalten:

"Vorh.: Das Bundesasylamt geht aufgrund Ihres Aussehens davon aus, dass Sie wesentlich älter als 16 Jahre sind und wird Ihr Alter mit 20 Jahren angenommen. Es wird daher der Bescheid an Sie persönlich und nicht an das Jugendamt zugestellt.

Möchten Sie dazu etwas angeben?

Antw.: Es stimmt schon, dass ich älter aussehe, als ich bin. Ich bin aber wirklich 16 Jahre alt. Im Jänner nächsten Jahres werde ich 17. Ich bleibe dabei, dass ich mein richtiges Geburtsdatum angegeben habe. Ich habe nicht gebadet und bin ungepflegt und schaue vielleicht deshalb älter aus.

Das Amt für Jugend und Familie gibt keine Stellungnahme dazu ab."

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 9. November 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers, dessen Geburtsdatum in diesem Bescheid mit "geb. 1980 alias 01.01.1984" angegeben ist, gemäß § 6 Z 3 AsylG abgewiesen und gemäß § 8 AsylG ausgesprochen, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Sierra Leone zulässig sei. Zur Begründung der Annahme, der Beschwerdeführer sei "1980" geboren, wurde ausgeführt, das Bundesasylamt gehe "aufgrund" seines "Ansehens" davon aus, er sei "wesentlich älter als 16 Jahre alt, somit nicht mehr minderjährig".

Vor Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides an den Beschwerdeführer holte das Bundesasylamt eine Meldeanfrage ein, die ergab, dass der Beschwerdeführer seit 17. Oktober 2000 an der Wohnadresse 1170 Wien, R.-Gasse, (Hauptwohnsitz) gemeldet war. An diese Adresse wurde der genannte Bescheid des Bundesasylamtes dem Beschwerdeführer (nach zwei erfolglosen Zustellversuchen) am 15. November 2000 durch Hinterlegung beim Zustellpostamt zugestellt. Die Sendung wurde vom Beschwerdeführer innerhalb der Abholfrist nicht behoben.

Aufgrund einer Vorsprache des Beschwerdeführers beim Bundesasylamt, bei der er angab, ein behördliches Schriftstück bei der Post nicht beheben zu können, wurde ihm der erstinstanzliche Bescheid am 13. Dezember 2000 auch persönlich ausgefolgt. Der Beschwerdeführer wurde darauf hingewiesen, dass der Bescheid aufgrund der durch Hinterlegung erfolgten Zustellung bereits in Rechtskraft erwachsen sei.

Im Nachhang zu der am 19. Dezember 2000 zur Post gegebenen Berufung brachte der Beschwerdeführer mit einem am 31. Jänner 2001 beim Bundesasylamt eingelangten Schreiben unter Verweis auf die erfolgte Beendigung seiner "Betreuung durch die MA 11" (Jugendwohlfahrtsträger) vor, "dass meine Altersangabe richtig ist. (...) Ich bitte das Bundesasylamt Wien, mir zu begründen, wie die Feststellung meines Alters erfolgt ist und welche gesetzlichen Grundlagen dafür angewandt wurden." Das Bundesasylamt vermerkte auf diesem im vorgelegten Verwaltungsakt erliegenden Schreiben, betreffend die Feststellung des Alters werde auf den Bescheid vom 9. November 2000 verwiesen. Das Schreiben beziehe sich "auf keine bestimmte Angelegenheit, die mit den asylrechtlichen Vorschriften in Zusammenhang stehen. Daher wird d. Anbringen gem. § 13/6 AVG nicht in Verhandlung genommen." Der belangten Behörde wurde das Schreiben - der Aktenlage nach - nicht zur Kenntnis gebracht.

Mit Bescheid vom 5. Februar 2001 wies die belangte Behörde die gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 32 Abs. 1 AsylG als verspätet zurück. In diesem Bescheid wird die darin entschiedene Angelegenheit durch die Angabe des Namens, des Geburtsdatums und der Staatsangehörigkeit des Beschwerdeführers näher bezeichnet. Das Geburtsdatum wird dabei mit "geb.: 01.01.1984" angegeben. Die belangte Behörde stellte ohne Auseinandersetzung mit dem Alter des Beschwerdeführers fest, dass der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer am 15. November 2000 durch Hinterlegung zugestellt worden sei. In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei an der Adresse 1170 Wien, R.- Gasse, seit dem 17. Oktober 2000 aufrecht gemeldet. Weder aus dem Verwaltungsakt noch aus der vom Beschwerdeführer im Zuge des Parteiengehörs abgegebenen Stellungnahme vom 25. Jänner 2001 gehe hervor, dass der Beschwerdeführer am Tag der Hinterlegung von der Abgabestelle ortsabwesend gewesen sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:

Der Beschwerdeführer macht in der Beschwerde, in der er sein Geburtsdatum erneut mit 1. Jänner 1984 angibt, geltend, er sei an der Abgabestelle 1170 Wien, R.-Gasse, nicht anwesend gewesen und habe daher von dem Zustellvorgang keine Kenntnis erlangt. Infolge Abwesenheit von der Abgabestelle sei ihm der Bescheid des Bundesasylamtes erst mit der persönlichen Ausfolgung an ihn am 13. Dezember 2000 zugekommen, weshalb seine Berufung vom 19. Dezember 2000 rechtzeitig sei.

Die Beschwerde ist im Ergebnis im Recht. Die belangte Behörde ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass sich der Stellungnahme des Beschwerdeführers vom 25. Jänner 2001 nicht entnehmen lasse, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Zustellung des erstinstanzlichen Bescheides nicht mehr an der Abgabestelle gewohnt bzw. sich dort nicht (mehr) regelmäßig aufgehalten hätte, jedoch kommt es auf diesen Umstand im vorliegenden Fall nicht an. Im angefochtenen Bescheid ist nämlich das Geburtsdatum des Beschwerdeführers entsprechend dessen Angaben in erster Instanz mit 1. Jänner 1984 angegeben. Da auch die von der belangten Behörde in diesem Bescheid getroffenen Feststellungen (im Gegensatz zum erstinstanzlichen Bescheid, auf dessen Feststellungen aber nicht verwiesen wird) kein davon abweichendes Geburtsdatum enthalten, wäre das angeführte Geburtsdatum der rechtlichen Beurteilung durch die belangte Behörde zugrunde zu legen gewesen. Ausgehend davon wäre der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer nicht persönlich, sondern gemäß § 25 Abs. 2 AsylG an dessen gesetzlichen Vertreter zuzustellen gewesen.

Auf Grundlage des im angefochtenen Bescheid enthaltenen Geburtsdatums und der daraus folgenden Minderjährigkeit des Beschwerdeführers ist die belangte Behörde daher in rechtlich unschlüssiger Weise davon ausgegangen, dass der erstinstanzliche Bescheid dem Beschwerdeführer rechtswirksam zugestellt wurde. Die mit dem angefochtenen Bescheid ausgesprochene Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers wegen Verspätung erweist sich daher als rechtswidrig.

Der angefochtene Bescheid - gegen den gemäß § 26 Abs. 2 VwGG ungeachtet der Frage seiner rechtswirksamen Zustellung an den Beschwerdeführer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden konnte - war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 1 VwGG aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 27. Februar 2003

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