VwGH 2001/20/0148

VwGH2001/20/014822.10.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Steiner und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Moritz als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des T (auch W) in K, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 23. November 2000, Zl. 217.583/0-IV/10/00, betreffend § 13 Abs. 2 Asylgesetz (mitbeteiligte Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Normen

AsylG 1997 §13 Abs2;
FlKonv Art33 Abs2;
AsylG 1997 §13 Abs2;
FlKonv Art33 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Chinas, stellte mit Schreiben vom 8. Dezember 1999 einen Asylantrag. Darin führte er aus, vom Landesgericht für Strafsachen Wien am 14. Februar 1997 rechtskräftig nach §§ 142 und 143 StGB (somit wegen schweren Raubes) zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden zu sein. Er habe inzwischen einen Läuterungsprozess durchgestanden, der ihm seine Besserung angedeihen lasse. Bei einer Auslieferung nach China hätte er mit der Todesstrafe zu rechnen. Seinem Antrag legte der Beschwerdeführer ein Schreiben der österreichischen Forschungsstiftung für Entwicklungshilfe vom 4. März 1999 bei, wonach Straftäter, die nach China zurückkämen, grundsätzlich der Gefahr einer Doppelstrafe ausgesetzt seien (Art. 10 des Strafgesetzbuches in der Fassung vom 1. Jänner 1997). Das Strafgesetzbuch spreche zwar von der Möglichkeit eines Absehens von der Strafe oder der Geltendmachung von mildernden Umständen. Bezüglich eines Drogenhändlers habe es Amnesty International Deutschland aber für wahrscheinlich erachtet, dass er im Falle seiner Abschiebung nach China zum Tode verurteilt werde, auch wenn er für seine Straftat bereits in Deutschland verurteilt worden sei. Da auch Räuber in China mit der Todesstrafe zu rechnen hätten, könne eine solche Vermutung auch für den vorliegenden Fall bestehen.

Bei seiner Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 27. Jänner 2000 erklärte der Beschwerdeführer im Wesentlichen, er sei nie Mitglied einer politischen Partei, einer bewaffneten Gruppierung oder einer anderen illegalen Organisation gewesen. Im Juni 1989 habe er sich während der Studentenunruhen einer Verbindung angeschlossen, die dann für illegal erklärt worden sei. Deswegen sei er zu einer sechsmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt worden, von der er drei Monate im Gefängnis verbracht habe. Im Falle seiner Rückkehr nach China würde er dort zum Tode verurteilt werden, und zwar deswegen, weil die von ihm in Österreich begangene Straftat eine solche gegen Chinesen gewesen sei. Im Jänner 1996 hätten in Graz in einem Chinalokal einige Leute um eine größere Geldsumme gespielt. Der Beschwerdeführer hätte dann das Geld geraubt bzw. sei an diesem Raubüberfall beteiligt gewesen.

Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 16. Mai 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz wegen des Vorliegens eines Asylausschlussgrundes abgewiesen. (Die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Volksrepublik China wurde gemäß § 8 Asylgesetz für nicht zulässig erklärt.)

In seiner Berufung gegen diesen Bescheid brachte der Beschwerdeführer vor, er wolle richtig stellen, dass er als Schüler am 4. Juni 1989 einer Demonstration beigewohnt und aus politischen Gründen zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt worden sei und eine bedingte Strafe von fünf Jahren als Jugendlicher erhalten habe.

Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid wurde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abgewiesen. Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Berufung sei nahezu inhaltsleer und beschränke sich auf eine Richtigstellung. Von einer mündlichen Berufungsverhandlung sei daher Abstand zu nehmen gewesen. Der lange Zeit zurückliegende, richtiggestellte Sachverhalt wäre selbst im Falle seines Zutreffens nicht asylrelevant. Der Beschwerdeführer habe nicht vorgebracht, jetzt noch oder neuerlich im Falle seiner Rückkehr wegen dieses Sachverhaltes verfolgt zu werden. Allenfalls dann, wenn im Zuge einer Doppelbestrafung eine Neuaufrollung des Strafprozesses wegen jener Tat, die in Österreich stattgefunden habe, erfolge, könnte auch die länger zurückliegende Tat des Beschwerdeführers Relevanz erlangen. Im Ergebnis führe dies aber nur zur Gewährung eines Abschiebungsschutzes, welcher dem Beschwerdeführer bereits von der Behörde erster Instanz zuerkannt worden sei.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 13 Abs. 2 erster Satz Asylgesetz ist Asyl ausgeschlossen, wenn Fremde aus gewichtigen Gründen eine Gefahr für die Sicherheit der Republik darstellen oder von einem inländischen Gericht wegen eines besonders schweren Verbrechens rechtskräftig verurteilt worden sind und wegen dieses strafbaren Verhaltens eine Gefahr für die Gemeinschaft bedeuten.

Indem die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers als unbegründet abwies ohne jedoch den Spruch des erstinstanzlichen Bescheides zu ändern, bestätigte sie die Entscheidung des Bundesasylamtes, dass dem Beschwerdeführer "gemäß § 13 Abs. 2 Asylgesetz" kein Asyl gewährt werde.

Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits im hg. Erkenntnis vom 6. Oktober 1999, Zl. 99/01/0288, auf dessen Begründung insofern gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, ausgeführt hat, genügt es nicht, dass der Asylwerber ein abstrakt als schwer einzustufendes Delikt (vgl. dazu z.B. das zu § 14 Abs. 1 Z 5 AsylG ergangene hg. Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 99/01/0449) verübt hat. Die Tat muss sich darüber hinaus im konkreten Einzelfall als objektiv und subjektiv besonders schwerwiegend erweisen. Besteht für das zukünftige Verhalten des Täters aber eine günstige Prognose, darf § 13 Abs. 2 Asylgesetz im Sinne des Art. 33 Abs. 2 der Genfer Flüchtlingskonvention nicht angewendet werden. Schließlich hat die belangte Behörde noch eine Güterabwägung vorzunehmen, ob die Interessen des Zufluchtsstaates jene des Flüchtlings überwiegen. Bei dieser Güterabwägung hat sie die Verwerflichkeit eines Verbrechens und die potentielle Gefahr für die Allgemeinheit den Schutzinteressen des Asylwerbers, beinhaltend das Ausmaß und die Art der ihm drohenden Maßnahmen, gegenüber zu stellen.

Im vorliegenden Fall ist das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien betreffend die vom Beschwerdeführer in Österreich begangene Tat im Akt nicht enthalten. Die belangte Behörde hat die konkreten Tatumstände, aus denen sich die objektive und subjektive Schwere der Tat ergeben könnte, auch sonst nicht festgestellt. Auch hat die belangte Behörde weder eine Prognose hinsichtlich des künftig zu erwartenden Verhaltens des Beschwerdeführers angestellt noch eine Güterabwägung im oben dargestellten Sinn vorgenommen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.

Wien, am 22. Oktober 2003

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