VwGH 2001/15/0144

VwGH2001/15/014416.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Sulyok, Dr. Fuchs, Dr. Zorn und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Reinisch, über die Beschwerde des K in G, vertreten durch Dr. Harald Christandl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wielandgasse 14-16/6, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark (Berufungssenat I) vom 20. Juni 2001, Zl. RV 499/1- 8/00, betreffend Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1997, zu Recht erkannt:

Normen

BAO §163;
BAO §167 Abs2;
BAO §184;
BAO §163;
BAO §167 Abs2;
BAO §184;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen von 381,90 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Gastwirt, war im Streitzeitraum 1994 bis 1997 Kunde der B-AG, einem Brauereiunternehmen, bei welcher im Jahr 1999 eine Hausdurchsuchung durchgeführt wurde. Anschließend wurden vom Finanzamt die dabei sichergestellten EDV-Bestände ausgewertet. Diese Auswertungen wurden als Kontrollmitteilung den für die jeweiligen Kunden der B-AG zuständigen Finanzämtern übermittelt.

Im Gefolge einer beim Beschwerdeführer gemäß § 99 Abs. 2 FinStrG durchgeführten Buch- und Betriebsprüfung über die Streitjahre kam der Prüfer unter Berücksichtigung der erwähnten Kontrollmitteilung zum Ergebnis (Tz 14), dass der Beschwerdeführer den Wareneinkauf (Getränkelieferungen) nicht vollständig erfasst habe. Die Nachkalkulation habe ergeben, dass auch die aus den nicht erfassten Wareneinkäufen erzielten Erlöse in den Einnahmen fehlten. Daher würden Sicherheitszuschläge dem Wareneinsatz und dem Umsatz hinzugerechnet. In einer "Stellungnahme im Rahmen der Niederschrift zur Schlussbesprechung" der Betriebsprüfung wurde festgehalten, dass der Beschwerdeführer die Feststellungen bestreite, weil die Behörde trotz mehrmaliger mündlicher Ersuchen um Beweisvorlage die von ihr lediglich behauptete Richtigkeit verschiedener Listen hinsichtlich der zweifelsfreien und lückenlosen Zuordnung der vom Beschwerdeführer bestrittenen angeblichen Lieferungen der B-AG nicht habe nachweisen können.

Das Finanzamt folgte den Prüferfeststellungen und setzte (in wiederaufgenommenen Verfahren) die Umsatz- und Einkommensteuer 1994 bis 1997 mit Bescheiden vom 28. März 2000 entsprechend fest.

In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, die Behörde habe die Prüfungsfeststellungen mit der Behauptung begründet, Bierlieferungen der B-AG seien nicht aufgezeichnet worden. Diese behaupteten "Graulieferungen" bestreite er. Offensichtliche Unrichtigkeiten in den übergebenen EDV-Ausdrucken seien auch von der Behörde erkannt worden. Die Behörde sei nicht in der Lage gewesen, die lediglich behauptete inhaltliche Richtigkeit verschiedener vorgelegter Listen hinsichtlich der zweifelsfreien und lückenlosen Zuordnung der vom Beschwerdeführer bestrittenen angeblichen "Graulieferungen" der B-AG an den Beschwerdeführer nachzuweisen. Die Behörde habe lediglich eine allgemeine Arbeitsablaufbeschreibung übermittelt. In einem Schreiben des Finanzamtes werde etwa ausdrücklich ausgeführt, dass "in einigen Fällen eine eindeutige Identifizierung nicht vorgenommen werden" könne.

Das Finanzamt wies mit Berufungsvorentscheidung vom 2. November 2000 die Berufung ab. Den nach der Hausdurchsuchung bei der B-AG und nach der technischen Auswertung der dabei sichergestellten EDV-Unterlagen dem Finanzamt übermittelten Kontrollmitteilungen in Tabellenform lägen Datenbanken im Textformat zu Grunde, die von Anfang an und ohne zutun der Abgabenbehörde zwischen zwei Arten von Belieferungen unterschieden: Der sogenannte "Status 6" bezeichne die Ausgangsrechnung an den Kunden, der sogenannte "Status 9" die Lieferung an den Kunden bar ohne Rechnung. Diese beiden Status würden die Bestellungen charakterisieren, die in einem eigens dafür vorgesehenen Mengenfeld lediglich getrennt durch einen Punkt festgehalten worden seien. Der vor dem Punkt eingegebenen Zahl sei die Lieferung einer bestimmten Zahl von Einheiten mit Rechnung mit der Bezeichnung "6", der nach dem Punkt angeführten Zahl sei die Lieferung einer bestimmten Zahl von Einheiten an Letztverbraucher ohne Rechnung und mit Entgegennahme einer Barzahlung mit der Bezeichnung "9" zugewiesen worden. Die jeweiligen Dateien seien jeweils für einen (keinesfalls gemeinsam für mehrere) Kunden geführt worden; bei Auslieferungen sei somit unmittelbar ersichtlich, wieviele Einheiten an ein und denselben Abnehmer körperlich zu liefern gewesen seien und für wieviele Einheiten der Kaufpreis bar einzufordern gewesen sei. Die Kundenstammdaten der B-AG ließen eine genaue Abfrage sowohl nach dem Namen als auch nach der Anschrift des Belieferten zu. Eine Sorglosigkeit bei der Speicherung und Archivierung der personenbezogenen Daten durch den Lieferanten sei nicht zu erkennen. Konkrete Anhaltspunkte für Fehler bei der Zurechnung hätten sich nicht ergeben.

In der vor der belangten Behörde nach Einbringen eines Vorlageantrags des Beschwerdeführers durchgeführten mündlichen Verhandlung bestritt der Vertreter des Beschwerdeführers, dass der Beschwerdeführer "Graulieferungen" erhalten habe. Es müsse sich um einen Fehler in der Liste handeln. Vorhandene Zweifel müssten sich zu Gunsten des Beschwerdeführers auswirken. Auf ausdrückliche Frage der belangten Behörde, worin der Fehler konkret liege, antwortete der Vertreter des Beschwerdeführers, es gäbe verstärkt die Vermutung, dass die Excel-Dateien fehlerhaft seien, weil es auch innerhalb der B-AG zu Übertragungsfehlern gekommen sein solle und Dateien aus Platzgründen verdichtet, "gezippt", mehrfach übertragen usw. sein sollen. Es gäbe Rechnungen über Partyfässer, Festzelttische und -bänke, der Beschwerdeführer habe jedoch keine Möglichkeit, diese irgendwo aufzustellen. Es handle sich somit um eine Falschzuteilung.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab und stellte dabei fest, dass die Wirte schon bei der Bestellung der Waren bei der B-AG die Form der Lieferung (offizielle Lieferung und/oder Graulieferung) bekannt gegeben hätten. Auf Grund dessen sei die Eingabe in den Datenbestand der B-AG in der Form erfolgt, dass nach Aufruf der Kundennummer des betreffenden Wirtes die offizielle Lieferung mengenmäßig eingegeben worden sei. Danach sei ein Punkt gesetzt und nach diesem Punkt sei die mengenmäßige Eingabe der Graulieferung erfolgt. Während für die offizielle Lieferung eine Rechnung mit Angabe des Lieferempfängers ausgedruckt worden sei, sei über die Graulieferung nur der Ausdruck in der "Bierführer-Info-Liste bzw. der Hilfsliste" erfolgt. Die offizielle Lieferung sei nach der vereinbarten Rechnungsmodalität verrechnet worden, die "Letztverbraucherlieferung" sei vom Bierführer sofort bar kassiert worden. Der Wirt habe über diese Letztverbraucherlieferung weder eine Faktura noch einen Zahlungsbeleg erhalten. Die Hilfsliste sei spätestens nach der Tagesabrechnung des Bierführers im jeweiligen Depot vernichtet worden. Diese Feststellungen seien auf Grund von Aussagen als Zeugen vernommener Angestellter der B-AG getroffen worden.

Für die Datenspeicherung dieser Vorgangsweise habe die B-AG ein eigenes EDV-System benutzt. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass bei Identifizierung der "Status 6"-Lieferungen (offizielle Lieferungen) des betreffenden Abgabepflichtigen ihm auch die "Status 9"-Lieferungen ("Graulieferungen") zuzurechnen seien. Bei jeder Lieferung, sowohl "Status 6" als auch " Status 9", würde über die genannten Datenbanktabellen die Kundennummer sowie der Name und die Anschrift des belieferten Kunden im System der B-AG gespeichert. Die dort eingelangten Daten seien unveränderlich und hätten nachträglich nicht mehr beeinflusst werden können. Die Kundenstammdaten der B-AG hätten eine genaue Abfrage sowohl nach dem Namen als auch nach der Anschrift des Belieferten zugelassen. Die in der "Status 6" Liste enthaltenen offiziellen Lieferungen seien mit den vorhandenen Eingangsrechnungen und Kassaausgängen des Beschwerdeführers verglichen worden. Diesbezüglich seien keine Differenzen festgestellt worden. Anhaltspunkte, dass irgendwelche Getränkelieferungen, die dem Beschwerdeführer zugeordnet worden seien, an andere Personen bzw. Unternehmen erfolgt seien, hätten sich nicht ergeben. Der vom Beschwerdeführer im Berufungsverfahren eingebrachte Hinweis auf eine nicht erfolgte Zurverfügungstellung von Festzelttischen und Partybier ändere daran nichts, weil die Festzelttische leihweise zur Verfügung gestellt worden seien und das Partybier unentgeltlich geliefert worden sei. Deshalb seien auch keine Eingangsrechnungen bei den vom Beschwerdeführer gesammelten Belegen zu überprüfen gewesen. Bei sonstiger lückenloser Übereinstimmung der vorgelegten Listen mit den verbuchten Wareneinkäufen könne die belangte Behörde die Richtigkeit der Listen nicht in Frage stellen. Die Mängel der Aufzeichnungen (Nichterfassen der Graulieferungen) würden zur Schätzung berechtigen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 184 Abs. 1 BAO hat die Abgabenbehörde, soweit sie die Grundlagen für die Abgabenerhebung nicht ermitteln oder berechnen kann, diese zu schätzen, wobei alle Umstände zu berücksichtigen sind, die für die Schätzung von Bedeutung sind. Gemäß § 184 Abs. 3 leg. cit. ist u.a. dann zu schätzen, wenn der Abgabepflichtige Bücher oder Aufzeichnungen, die er nach den Abgabenvorschriften zu führen hat, nicht vorlegt, oder wenn die Bücher oder Aufzeichnungen sachlich unrichtig sind oder solche formelle Mängel aufweisen, die geeignet sind, die sachliche Richtigkeit der Bücher oder Aufzeichnung in Zweifel zu ziehen.

Gemäß § 163 BAO haben Bücher und Aufzeichnungen, die den Vorschriften des § 131 entsprechen, die Vermutung ordnungsmäßiger Führung für sich und sind der Erhebung der Abgaben zugrunde zu legen, wenn nicht ein begründeter Anlass gegeben ist, ihre sachliche Richtigkeit in Zweifel zu ziehen.

Die belangte Behörde gründet den angefochtenen Bescheid und die Schätzungsberechtigung auf die sachliche Unrichtigkeit der vom Beschwerdeführer geführten Bücher und Aufzeichnungen, welche darin bestand, dass er die von der B-AG aufgezeichneten "Graulieferungen" nicht erfasst habe. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass er "außer dieser Problematik" die Bücher ordnungsgemäß, somit davon abgesehen formell richtig geführt habe, und bestreitet den Erhalt solcher Lieferungen.

Nach § 167 Abs. 2 BAO hat die Abgabenbehörde unter sorgfältiger Berücksichtigung der Ergebnisse des Abgabenverfahrens nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. In den Fällen, in denen die Behörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung zu ihrer Erledigung gelangt, obliegt dem Verwaltungsgerichtshof die Prüfung, ob die Tatsachenfeststellungen auf aktenwidrigen Annahmen oder auf logisch unhaltbaren Schlüssen beruhen oder in einem mangelhaften Verfahren zustande gekommen sind (vgl. etwa die hg. Erkenntnisse vom 25. September 2002, 97/13/0125 und vom 30. Jänner 2003, 98/15/0093). Hievon ausgehend hält die Beweiswürdigung der belangten Behörde der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle stand.

Die belangte Behörde begründete die Tatsache der an den Beschwerdeführer erfolgten und von ihm nicht verbuchten Lieferungen ("Graulieferungen") damit, dass die im EDV-Bestand der B-AG, der Lieferantin des Beschwerdeführers, unter seiner Kundennummer angeführten Barverkäufe mit den unter seiner Kundennummer angeführten, auf Rechnung erfolgten und von ihm verbuchten Lieferungen verknüpft seien. Diese Praktiken in der B-AG seien durch Zeugenaussagen von Angestellten der B-AG belegt worden. Hinsichtlich der offiziellen Lieferungen habe sich eine genaue Übereinstimmung mit den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers gefunden. Diese Feststellung lässt der Beschwerdeführer unbekämpft.

Der Beschwerdeführer bringt vor, die Behörde ignoriere die vom Beschwerdeführer begründeten Zweifel an den lediglich auf Grund der sogenannten "Status 9"-Lieferungen nachgewiesenen Graulieferungen, "dies umso mehr als - wenngleich allenfalls nur im Einzelfall - die Richtigkeit auf Grund schon offensichtlicher Fehler der an sich unbestrittenen 'Status 6' Lieferungen angezweifelt werden muss und die Behörde nicht bereit oder in der Lage ist, über Behauptungen hinausgehende Nachweise zur Untermauerung ihrer Feststellung zu liefern". Mit diesen allgemeinen Ausführungen kann der Beschwerdeführer die Beweiswürdigung der belangten Behörde nicht erschüttern.

Soweit der Beschwerdeführer "im Übrigen" auf die "umfangreichen schriftlichen und mündlichen Äußerungen und Anträge im Rahmen des Berufungsverfahrens" verweist, zeigt er in der Beschwerde nicht auf, welche Zweifel an der Richtigkeit der behördlichen Feststellungen sich woraus ergeben könnten. Sollte der Beschwerdeführer damit die in der Sachverhaltsdarstellung seiner Beschwerde erwähnten Festzelttische und -bänke im Auge haben, wäre ihm entgegenzuhalten, dass diese - in den Tabellen ohnehin mit der Menge "0" erfassten - Gegenstände von der belangten Behörde nicht als gelieferte Waren, sondern als leihweise zur Verfügung gestellte Gegenstände gewertet wurden, weshalb sie in den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers nicht vorzufinden sein mussten und die in der Beschwerde auch angezweifelte Richtigkeit und Übereinstimmung der Listen über offizielle Lieferungen mit den Aufzeichnungen des Beschwerdeführers nicht in Frage stellen.

Der Beschwerdeführer trägt weiters vor, die Behörde habe verkannt, dass es sich bei den vorgelegten Aufschreibungen keinesfalls um Aufschreibungen der B-AG gehandelt habe, sondern dass diese auf Grund EDV-technischer Auswertungen durch die Finanzverwaltung erstellt worden seien. Worin die Unrichtigkeit dieser Auswertungen allerdings gelegen wäre, legt der Beschwerdeführer nicht dar.

Gegen die Höhe der Schätzung wird in der Beschwerde nichts ausgeführt.

Da die Beschwerde eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides somit nicht aufzuzeigen vermochte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 16. Dezember 2003

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