VwGH 2001/04/0035

VwGH2001/04/003517.12.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Blaschek, Dr. Rigler und Dr. Kleiser als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde der K Kommanditgesellschaft GesmbH & Co in R, vertreten durch Dr. Wilfried Ludwig Weh, Rechtsanwalt in 6900 Bregenz, Wolfeggstraße 1, gegen den Bescheid der Wirtschaftskammer Österreich (Präsident), vertreten durch DDr. Rene Laurer, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Gusshausstraße 2, vom 13. Juli 2000, Zl. Präs 242-4/00/Wa/Do, betreffend Grundumlagen für das Jahr 1999, zu Recht erkannt:

Normen

61982CJ0271 Auer / Ministere public VORAB;
61997CJ0219 Drijvende Bokken VORAB;
61998CJ0180 Pavel Pavlov VORAB;
B-VG Art140;
EURallg;
MRK Art11;
WKG 1998 §2 Abs1;
61982CJ0271 Auer / Ministere public VORAB;
61997CJ0219 Drijvende Bokken VORAB;
61998CJ0180 Pavel Pavlov VORAB;
B-VG Art140;
EURallg;
MRK Art11;
WKG 1998 §2 Abs1;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat der Wirtschaftskammer Österreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Wirtschaftskammer Vorarlberg vom 7. Februar 2000, wurde über Antrag der beschwerdeführenden Partei festgestellt, diese sei auf Grund von im Einzelnen genannten Berechtigungen und der damit verbundenen Mitgliedschaften in im Einzelnen genannten Fachorganisationen zur Zahlung einer Grundumlage für das Jahr 1999 in der Höhe von insgesamt S 723.371,-- verpflichtet. Die von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid erhobene Berufung wurde mit Bescheid der Wirtschaftskammer Österreich vom 13. Juli 2000 abgewiesen; der erstinstanzliche Bescheid wurde bestätigt.

Die von der beschwerdeführenden Partei gegen diesen Bescheid an den Verfassungsgerichtshof erhobene Beschwerde wurde, nachdem dieser deren Behandlung mit Beschluss vom 27. November 2000, B 1459/00, B 1466/00, abgelehnt hatte, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof abgetreten.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragte.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die beschwerdeführende Partei erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid im Recht auf

"* Koalitionsfreiheit (nach Art. 11 EMRK) in ihrer gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistung als Grundrecht und allgemeiner Rechtsgrundsatz nach Art. 288 EG

* Gleichheit nach Art. 6 und11 EMRK sowie Art. 1 des

1. ZPEMRK iVm Art. 14 EMRK in seiner gemeinschaftsrechtlichen Gewährleistung als Grundrecht und allgemeiner Rechtsgrundsatz nach Art. 288 EG und nach Art. 6 EG

* Recht auf verfassungskonforme Gesetzeslage

* Recht auf ordnungsgemäße Bescheidbegründung

* Recht auf ein faires Verfahren" verletzt.

Sie bringt nach "Wiederholung des bisherigen Beschwerdevorbringens", in dem sie sich gegen die Notwendigkeit der "Pflichtmitgliedschaft bei einer Institution wie einer Kammer" wendet, im Wesentlichen vor, die so genannte "negative Koalitionsfreiheit" nach Art. 11 EMRK gewährleiste das Recht, Organisationen unter bestimmten Voraussetzungen nicht angehören zu müssen. Nun betreibe die beschwerdeführende Partei ein wirtschaftliches Unternehmen, das Waren herstelle und verkaufe; sie arbeite vorwiegend mit internationalem Kapital und verkaufe ihre Produkte fast ausschließlich im Ausland, nämlich im EG-Raum. Zufolge ihrer Unternehmenstätigkeit gehöre sie der Wirtschaftskammer an, die berufen sei, die gemeinsamen Interessen aller Unternehmen zu vertreten. Dieser "Kammerzwang" verletze die beschwerdeführende Partei in ihrer Koalitionsfreiheit nach Art. 11 EMRK. Auf dem ausländischen Markt stehe sie mit Unternehmen in Konkurrenz, denen die Last der Pflichtmitgliedschaft bei einer Wirtschaftskammer nicht aufgebürdet sei. Anders als diese Unternehmen habe sie aus Liquiditäts- und Ertragsgründen auch nicht die Möglichkeit, weiteren Arbeitgeberorganisationen freiwillig beizutreten. Die beschwerdeführende Partei weise auf im Einzelnen zitierte Urteile des EuGH betreffend Pflichtmitgliedschaft in einem Betriebs- bzw. Berufsrentenfonds hin. Sie erachte die Pflichtmitgliedschaft zur Wirtschaftskammer als dem Gemeinschaftsrecht widersprechend, weil die Kammerorganisation "in vielfältiger Weise" Leistungen erbringe, die andere "besser oder kostengünstiger erbringen könnten oder auf die die Beschwerdeführerin überhaupt gerne verzichten würde". Eine Zwangsorganisation müsse sich aber auf jene Bereiche beschränken, bei denen Solidarität und umfassende Einbeziehung absolut unerlässlich seien. Weil die Kammerorganisationen aber "um ein Vielfaches über dieses Ziel hinausschießen", widerspreche die Pflichtmitgliedschaft den Wirtschaftsfreiheiten des Gemeinschaftsrechts. Beantragt werde, in diesem Zusammenhang dem Europäischen Gerichtshof Fragen betreffend die Vereinbarkeit der Pflichtmitgliedschaft von Unternehmern zur Wirtschaftskammer mit "den Gemeinschaftsfreiheiten und - grundrechten" zur Vorabentscheidung vorzulegen. Überdies werde die Einholung eines rechtsvergleichenden Gutachtens "zum Europäischen Standard der Pflichtmitgliedschaft bei Kammern und dem Stickereiförderungssystem" beantragt. Gerügt werde schließlich, dass die der beschwerdeführenden Partei vorgeschriebenen Umlagen auf Grundlage der Bruttolohn- und - gehaltssumme festgesetzt würden, was unsachlich sei, weshalb angeregt werde, die Grundumlagenfestsetzungen "für das Jahr 1998" beim Verfassungsgerichtshof wegen Verstoßes gegen das Sachlichkeitsgebot und das Willkürverbot anzufechten. Die dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Tatsachen seien überdies mangelhaft festgestellt, die Beitragsaufteilung unzulänglich begründet und auch die Bemessungsgrundlage nicht erörtert worden.

Gemäß § 1 Abs. 1 des Wirtschaftskammergesetzes 1998, in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 103/1998, sind die Wirtschaftskammern (Landeskammern, Bundeskammer) zur Vertretung der gemeinsamen Interessen ihrer Mitglieder errichtet. Die Fachorganisationen (Fachgruppen im Bereich der Landeskammern, Fachverbände im Bereich der Bundeskammer) vertreten gemäß § 1 Abs. 2 leg. cit. die Interessen ihrer Mitglieder.

Die Wirtschaftskammern und Fachorganisationen fördern gem. § 1 Abs. 3 leg. cit. die gewerbliche Wirtschaft und einzelne ihrer Mitglieder durch entsprechende Einrichtungen und Maßnahmen.

Mitglieder der Wirtschaftskammern und Fachorganisationen sind gem. § 2 Abs. 1 leg. cit. alle physischen und juristischen Personen sowie sonstige Rechtsträger, die zum selbstständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, des Bergbaues, des Handels, des Geld-, Kredit- und Versicherungswesens, des Verkehrs, der Nachrichtenübermittlung, des Tourismus und der Freizeitwirtschaft berechtigt sind.

Gemäß § 121 Abs. 1 leg. cit. haben die Mitglieder zur Finanzierung der Organisation nach Maßgabe entsprechender Beschlüsse der zuständigen Organe durch Umlagen im Sinne der nachfolgenden Bestimmungen beizutragen.

Die Grundumlage wird gem. § 123 Abs. 3 leg. cit. von der Fachgruppentagung beschlossen und von der Direktion der Landeskammer vorgeschrieben und eingehoben.

Die Grundumlage kann gem. § 123 Abs. 7 leg. cit. festgesetzt werden

1. ausgehend von einer allgemein leicht feststellbaren Bemessungsgrundlage (zum Beispiel Brutto-Lohn- und Gehaltssumme, Umsatzsteuer, durchschnittliche Zahl der Beschäftigten oder von Betriebsmitteln, Rohstoffeinsatz, Sozialversicherungsbeiträge, Betriebsvermögen) in einem Hundert- oder Tausendsatz der Bemessungsgrundlage oder mit festen Beträgen,

  1. 2. in einem festen Betrag,
  2. 3. in einer auch mehrfachen Kombination der Varianten nach Z. 1 und Z. 2.

    Was zunächst die Beschwerdebehauptung anlangt, die Pflichtmitgliedschaft zur Wirtschaftskammer sei gemeinschaftsrechtswidrig, ist die beschwerdeführende Partei - wie bereits im angefochtenen Bescheid - auf das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 22. September 1983, Rs 271/82, Slg. 1983, 2727, hinzuweisen, wonach "die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die die Pflichtmitgliedschaft in einer

    berufsständischen Kammer vorschreiben, ... als solche nicht

    unvereinbar mit dem Gemeinschaftsrecht" sind. Voraussetzung für die Vereinbarkeit dieser Verpflichtung mit dem Gemeinschaftsrecht ist allerdings "die Beachtung der wesentlichen Grundsätze" des Gemeinschaftsrechts, "namentlich des Diskriminierungsverbotes."

    Die von der beschwerdeführenden Partei zur Stütze ihrer gegenteiligen Auffassung auszugsweise wiedergegebenen Urteile des Europäischen Gerichtshofes betreffen die Mitgliedschaft in einem Betriebs- (Urteil vom 21. September 1999, C-219/97 , Slg. 1999, I- 6121) bzw. Berufsrentenfonds (Urteil vom 12. September 2000, C- 180/98 - C 184/98 ). In beiden Urteilen wurde die Gemeinschaftsrechtskonformität der Pflichtmitgliedschaft einmal zu einem Betriebs-, im anderen Fall zu einem Berufsrentenfonds unter dem Gesichtspunkt der Vereinbarkeit mit Wettbewerbsregeln bejaht. Diesen Urteilen ist nichts zu entnehmen, was die von der beschwerdeführenden Partei aufgestellte Behauptung einer Gemeinschaftsrechtswidrigkeit der vorliegenden Pflichtmitgliedschaft stützen könnte.

    Die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, die Regelung einer Pflichtmitgliedschaft zur Wirtschaftskammer sei nicht notwendig, weil die von der Wirtschaftskammer zu besorgenden Aufgaben durch "andere besser und kostengünstiger" erbracht werden könnten bzw. die beschwerdeführende Partei darauf "überhaupt gerne verzichten würde", ist noch kein hinreichender Grund für die Annahme, die genannten Bestimmungen des Handelskammergesetzes entsprächen den "wesentlichen Grundsätzen des Gemeinschaftsrechts" nicht im gebotenen Ausmaß.

    Angesichts der die Vereinbarkeit einer Pflichtmitgliedschaft in einer Kammer bejahenden Judikatur des Europäischen Gerichtshofes besteht kein Anlass, in dieser Frage eine Vorabentscheidung einzuholen.

    Soweit die beschwerdeführende Partei einen Widerspruch der Regelungen des Wirtschaftskammergesetzes zu Art. 11 EMRK behauptet, ist sie auf den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 2000, B 1459/00, 1466/00, und die dort zitierte Judikatur zur Unbedenklichkeit der Pflichtmitgliedschaft im Selbstverwaltungssystem hinzuweisen; auf dem Boden dieser Judikatur besteht - auch auf Grund des Vorbringens der beschwerdeführenden Partei - kein Anlass, beim Verfassungsgerichtshof ein Gesetzesprüfungsverfahren zu beantragen.

    Zur Anregung, die Grundumlagenfestsetzungen "für das Jahr 1998" beim Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzwidrigkeit anzufechten, wird zunächst bemerkt, dass der angefochtene Bescheid über die Grundumlage der beschwerdeführenden Partei für das Jahr 1999 (nicht aber für das Jahr 1998) abspricht. Im Übrigen hat die beschwerdeführende Partei die Unsachlichkeit der Grundumlagenfestsetzung zwar behauptet, sie hat diese Behauptung aber nicht so konkret begründet, dass dadurch Zweifel an der Gesetzmäßigkeit dieser Bestimmungen geweckt worden wären.

    Auch bei ihrem unter dem Gesichtspunkt einer Verletzung von Verfahrensvorschriften erstatteten Beschwerdevorbringen hat sich die beschwerdeführende Partei konkreter Darlegungen enthalten. Sie hat es solcherart unterlassen, die Wesentlichkeit der behaupteten Verfahrensmängel im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG aufzuzeigen; schon aus diesem Grunde ist auch dieses Beschwerdevorbringen nicht zielführend.

    Was aber schließlich den Antrag auf Einholung eines rechtsvergleichenden Gutachtens "zum Europäischen Standard der Pflichtmitgliedschaft bei Kammern und dem Stickereiförderungssystem" anlangt, so ist nicht zu ersehen, dass die Beurteilung, ob die beschwerdeführende Partei durch den angefochtenen Bescheid in den geltend gemachten Rechten verletzt wurde, eines derartigen Gutachtens bedürfte; auch die beschwerdeführende Partei hat nicht dargelegt, inwieweit ein "europäischer Standard der Pflichtmitgliedschaften bei Kammern und dem Stickereiförderungssystem" im Gegenstand Relevanz besitzen könnte.

    Die sich soweit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

    Von der - insbesondere zur Erörterung des beantragten Gutachtens über den europäischen Standard der Pflichtmitgliedschaft bei Kammern und dem Stickereiförderungssystem beantragten -Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden. Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 f VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

    Wien, am 17. Dezember 2003

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