Normen
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Pkt28;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §24b Abs2a idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §27 Abs3;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §38 Abs2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
Rechtsstellung der Flüchtlinge Protokoll 1974 Pkt36;
UBASG 1997 §8 Abs2 idF 1999/I/128;
31996Y091905 Mindestgarantien für Asylverfahren Pkt28;
AsylG 1997 §1 Z4;
AsylG 1997 §23;
AsylG 1997 §24b Abs2a idF 2003/I/101;
AsylG 1997 §27 Abs3;
AsylG 1997 §28;
AsylG 1997 §38 Abs2;
AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
Rechtsstellung der Flüchtlinge Protokoll 1974 Pkt36;
UBASG 1997 §8 Abs2 idF 1999/I/128;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina, reiste mit ihren beiden 1982 und 1987 geborenen Töchtern mittels eines ihr von der Österreichischen Botschaft in Sarajewo ausgestellten "Visum C" im Sommer 2000 in das Bundesgebiet ein und begab sich in der Folge nach Deutschland. Von dort wurde sie in Anwendung des Dubliner Übereinkommens am 7. November 2000 nach Österreich rücküberstellt.
Das Bundesasylamt wies mit Bescheid vom 23. Februar 2001 den Asylantrag der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab und erklärte ihre Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung "nach Bosnien" gemäß § 8 AsylG für zulässig. Auf Grund der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung führte die belangte Behörde am 24. April 2001 eine mündlichen Berufungsverhandlung durch. In dieser gab die Beschwerdeführerin im Wesentlichen Folgendes an (VL = Verhandlungsleiter, BW = Beschwerdeführerin, BWV = Vertreter der Beschwerdeführerin):
"VL: Dem Akt ist entnehmbar, dass Sie Roma sind?
BW: Das ist richtig.
...
BW: Ich war früher mit meiner Familie in Deutschland, in der
letzten Zeit für 3 Monate und vorher 5 Jahre.
...
BW: Nein, wir haben nicht Asyl beantragt. Wir haben in Deutschland eine sogenannte Duldung gehabt. ...
VL: Wurden Sie 1998 von Seiten der deutschen Behörden aufgefordert, nach B u. H. zurückzukehren?
BW: Wir hatten einen ablehnenden Bescheid bekommen und sind dann freiwillig nach B H zurückgekehrt, weil wir Angst hatten, dass wir abgeschoben werden.
VL: Können Sie mir in kurzen Worten schildern, warum Sie nun nach Österreich gekommen sind?
BW: Weil uns die Serben bedroht haben und gegen uns vorgegangen sind. Wir sind sicher nicht freiwillig hergekommen.
VL: Können Sie mir das etwas näher beschreiben?
BW: Das möchte ich nicht, ich schäme mich.
BWV: Die BW war offenbar, so hat sie mir das dargelegt, bei einem Amt wegen der Rückgabe ihres Hauses und habe ich den Eindruck, dass sie dabei bedroht wurde und dass dies nicht das einzige Mal gewesen ist.
...
BW: Wir werden ständig unten bedroht, man sagt, wir hätten
keine Existenzberechtigung. ... Die Serben haben uns beschimpft
und haben sie uns körperlich bedrängt, ich möchte davon nichts erzählen, da werde ich gleich nervös.
VL: Es tut mir leid, dass ich Ihnen solche Fragen stellen muss.
BW: Ich kann ja nicht zuschauen wie sie meine beiden jungen Töchter begrapschen und sich allenfalls an ihnen vergehen.
VL: Beziehen sich diese vorliegenden Ängste auf die Rep. Srpska?
BW: Ja, aber es gibt auch Serben in Tuzla und werden wir überall angefeindet, auch von den Moslems.
BWV: So wie ich das sehe gibt es ein gewisses Gefälle, die größte Gefahr geht offenbar von den Serben aus, aber auch in Tuzla sind die Lebensbedingungen für die Roma fast unerträglich.
VL: Wie waren die Lebensbedingungen?
BW: In Tuzla hatten wir kein Wasser und gar nichts, es hilft uns niemand, wir können uns an niemanden wenden. Wir haben in Tuzla um Hilfe angesucht, ich weiß nicht welche Behörde das war, weil ich mich in Tuzla nicht auskenne, man will uns einfach nicht weiterhelfen. Wir haben keine ausreichenden sanitären Möglichkeiten. Ich habe dort eine Infektionskrankheit bekommen auf Grund der mangelnden hygienischen Bedingungen.
..."
Mit Bescheid vom 22. Mai 2001 wies die belangte Behörde die Berufung der Beschwerdeführerin gemäß § 7 AsylG ab (Spruchpunkt I.). Außerdem stellte die belangte Behörde gemäß § 8 AsylG iVm § 57 FrG fest, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Bosnien-Herzegowina zulässig sei (Spruchpunkt II.).
Begründend wird im erwähnten Bescheid zunächst festgehalten, dass die Beschwerdeführerin moslemischen Glaubens und Angehörige des Roma-Volkes sei. Sie habe sich vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet bereits 1991 etwa ein Jahr lang in Österreich und sodann etwa fünf Jahre in der Bundesrepublik Deutschland aufgehalten. 1998 sei sie mit ihren beiden minderjährigen Töchtern nach Bosnien-Herzegowina zurückgekehrt, wo sie - die Rückgabe ihres vormals in ihrem Eigentum stehenden Wohnhauses sei ihr nicht ermöglicht worden - zuletzt in einem Zelt gelebt habe.
Der Bescheid setzt fort mit Feststellungen zur allgemeinen Situation in Bosnien-Herzegowina. Daraus ist Folgendes hervorzuheben:
"In der Föderation Bosnien und Herzegowina sind spezifische, speziell gegen Angehörige der Volksgruppe der Roma gerichtete staatliche Maßnahmen nicht bekannt. Nach vorliegenden Informationen haben Personen wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Roma in der Föderation Bosnien und Herzegowina keine Verfolgung zu befürchten. Allgemein teilt diese Personengruppe das gleiche Schicksal wie die restliche Bevölkerung von B und H. Eine Diskriminierung findet nicht statt. Konkrete fundierte Erkenntnisse zur Situation der Roma in der RS liegen derzeit nicht vor. ...
Angehörige der Volksgruppe der Roma haben Zugang zu
Flüchtlingssiedlungen. Die Lagerbedingungen werden von UNHCR-
Vertretern als besser bezeichnet als die vieler Bürger in Bosnien-
Herzegowina. Zur Situation der Roma in der Republica Srpska liegen
wenig Erkenntnisse vor. ... Angehörige der Volksgruppe der Roma
können an den Hilfsprogrammen in Bosnien-Herzegowina ebenso
teilhaben wie alle anderen Hilfsbedürftigen auch.
... Abgeschobene Staatsangehörige von Bosnien-Herzegowina
werden in der Regel lediglich zur Aufnahme der Personalien
polizeidienstlich behandelt. ... Sozial besonders schutzbedürftige
Personen unter den Rückkehrern wie alleinstehende Frauen mit Kindern oder ältere Menschen, die ohne familiären Anhang und mittellos sind, müssen, soweit sie nicht auf Hilfe weit entfernter Verwandter oder Bekannter zählen können, oder Übergangsunterkünfte Aufenthalt in sogenannten Sammelunterkünften nehmen. Die Lebensbedingungen in diesen Unterkünften sind hart und mit den Lebensbedingungen in westeuropäischen Staaten nicht vergleichbar. Alle verfügbaren Informationen und ein intensiver Austausch vor Ort mit befindlichen Institutionen wie UNHCR, OHR, IOM und IRK zeigen, dass mit den harten Bedingungen in diesen Unterkünften keine konkrete Gefahr für Leib und Leben verbunden ist. Die Sammelunterkünfte (sogenannte Collective Centers CC) werden von UNHCR beaufsichtigt.
Alle Rückkehrer nach B und H dürfen grundsätzlich ihren Wohnsitz frei wählen. Falls sie vorläufig nicht an ihren ehemaligen Wohnort zurückkehren können oder wollen, werden Rückkehrer in sogenannten Sammelunterkünften untergebracht. Durch Unterbringung in einer Sammelunterkunft mit einem Dach über dem Kopf, drei Mahlzeiten am Tag und medizinische Grundversorgung sichergestellt. Darüber hinaus wird keine Unterstützung von staatlicher Seite geleistet. Es wird immer die Sammelunterkunft zugewiesen, die dem Vorkriegswohnort des Rückkehrers am nächsten liegt. ...
Schikanen und Diskriminierungen gegen Angehörige des Roma-Volkes sind in der Republica Srpska stärker ausgeprägt bzw. in den letzten Jahren feststellbar gewesen, als in der Föderation. Angehörige der Roma-Völker befinden sich in einer schlechten sozioökonomischen Situation und könnten 70 % von ihnen ihre physische Existenz nicht ohne Sozialhilfe (!) sichern.
Die allgemeine Versorgungslage hat sich im Gebiet der Föderation Bosnien-Herzegowina, dort vor allem im kroatisch dominierten Teil, in letzter Zeit weitgehend zunehmend verbessert. Die Situation in der Republica Srpska war bis dato deutlich schlechter, jedoch hat sie sich in jüngster Vergangenheit weitgehend normalisiert. Die Versorgung mit Grundnahrungsmitteln ist im ganzen Land gewährleistet. ...
Die Versorgung mit Lebensmitteln insbesondere Grundnahrungsmitteln, aber auch mit Kleidung und Heizmaterial, ist landesweit - nicht zuletzt durch internationale Hilfsprogramme - sichergestellt. Eine Verschlechterung der Versorgungslage durch die Rückkehr von Flüchtlingen ist bislang nicht eingetreten. Laut Auskunft der WHO und des UNHCR wird prinzipiell allen nach B und H zurückkehrenden Flüchtlingen das gleiche Recht des freien Zugangs zum Gesundheitswesen eingeräumt, wie den bereits hier lebenden Personen. Alle Bürger haben in B und H das Recht einen Arzt zu konsultieren und eine kostenlose Behandlung in Krankenhäusern und Kliniken zu erhalten. Die Bereitstellung von Medikamenten erfolgt in der Regel über humanitäre Hilfsorganisationen."
Der Beschwerdeführerin sei es - so die belangte Behörde weiter - nicht gelungen, konkrete gegen ihre Person gerichtete Verfolgungsmaßnahmen von erheblicher Eingriffsintensität aus einem "vom Schutzzweck" der FlKonv umfassten Grund aufzuzeigen. Die von ihr relevierten Diskriminierungen von Seiten serbischer bzw. moslemischer Volksangehöriger bzw. damit einhergehende "Insultationen geringeren Ausmaßes" könnten eine Asylgewährung mangels ausreichender Eingriffsintensität nicht rechtfertigen. Den von ihr diesbezüglich geäußerten Umständen könne nicht entnommen werden, dass sie bei einem weiteren Verbleib in Bosnien-Herzegowina mit massiveren Eingriffen in ihre persönliche Integrität aus dem Grunde der Volksgruppenzugehörigkeit zu rechnen gehabt hätte. Allein der Umstand, dass sie mit ihren beiden Töchtern nach 1998 zwei Jahre lang ohne massivere Übergriffe gegen ihre Person in ihrer Heimat gelebt habe, indiziere, dass sie auch pro futuro nicht mit Verfolgungshandlungen von massiver Eingriffsintensität zu rechnen habe. Im Verfahren sei nicht hervorgekommen, dass sie sich mit ihren beiden Töchtern in einer völlig ausweglosen sozialen Situation befunden hätte, zumal auch für Angehörige der Roma - zumindest auf dem Gebiet der Föderation Bosnien und Herzegowina - eine vitale Grundversorgung gesichert sei. Den zugänglichen Dokumentationsunterlagen sei insbesondere entnehmbar, dass die Beschwerdeführerin mit ihren beiden Töchtern bei einer Rückkehr beispielsweise via Sarajewo sehr wohl in den Genuss einer Unterkunft und ausreichender Nahrungsmittel und Kleidung gelangen bzw. mit medizinischer Versorgung rechnen könne.
Rechtlich sei zu folgern, dass die Beschwerdeführerin bei einer Rückkehr nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit mit Verfolgungshandlungen von asylrechtlich relevanter Eingriffsintensität zu rechnen habe. Es könne nicht davon ausgegangen werden, dass sie sich allenfalls ihr drohenden Übergriffen von Seiten Privater "nicht durch Ortswechsel dauerhaft entziehen hätte können bzw. stellt das der Behörde vorliegende Berichtsmaterial auch nicht dar, dass ihr gegebenenfalls bei Schutzersuchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit jegliche Hilfestellung verweigert worden wäre". Insgesamt ergebe sich, dass der Beschwerdeführerin eine Rückkehr nach Bosnien-Herzegowina objektiverweise zumutbar wäre.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat nicht näher festgehalten, wohin genau die Beschwerdeführerin 1998 nach ihrem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland zurückkehrte. Aus der Feststellung, der Beschwerdeführerin sei die Rückgabe des vormals in ihrem Eigentum stehenden Wohnhauses nicht ermöglicht worden, ergibt sich jedoch, dass die belangte Behörde eine Rückkehr in die in der Republica Srpska gelegene Stadt Bijeljina - dort befand sich laut den nicht in Zweifel gezogenen Angaben der Beschwerdeführerin ihr ehemaliges Wohnhaus - zugrunde legte.
Die von ihr in Bijeljina, ihrem ursprünglichen Heimatort, vorgefundenen Verhältnisse (vgl. dazu zuletzt auch das hg. Erkenntnis vom 15. Mai 2003, Zl. 2001/01/0499) beschrieb die Beschwerdeführerin vor dem Bundesasylamt damit, dass es unmöglich gewesen sei, dort zu leben; "die Serben" seien sehr gefährlich, es gäbe Kriminalität und Vergewaltigungen; sie (die Beschwerdeführerin) hätte Angst gehabt. In der mündlichen Berufungsverhandlung ergänzte die Beschwerdeführerin (siehe dazu die obige wörtliche Wiedergabe), dass "die Serben" gegen sie und ihre Töchter vorgegangen seien; sie seien beschimpft und körperlich bedrängt worden; sie (die Beschwerdeführerin) könne ja nicht zusehen, "wie sie meine beiden jungen Töchter begrapschen und sich allenfalls an ihnen vergehen".
Die belangte Behörde traf zu allfälligen Vorfällen in Bijeljina keine näheren Feststellungen. Sie vermeinte allerdings, dass die Beschwerdeführerin keine konkreten gegen ihre Person bzw. gegen die Person ihrer Töchter gerichteten Verfolgungshandlungen von erheblicher Eingriffsintensität aufzuzeigen vermocht habe. Die von ihr relevierten Diskriminierungen bzw. damit einhergehende Insultationen geringeren Ausmaßes könnten eine Asylgewährung mangels ausreichender Eingriffsintensität nicht rechtfertigen. Konkrete Anzeichen für massive Verfolgungshandlungen von Seiten Privater wegen ethnischer Gründe unter Verletzung der dem Staat grundsätzlich auferlegten Garantenstellung habe die Beschwerdeführerin nicht nachvollziehbar aufzuzeigen vermocht.
Diese Beurteilung greift zu kurz und wird dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht voll gerecht. Genauer betrachtet hat sie nämlich sexuelle Übergriffe gegen ihre Person bzw. gegen ihre Töchter thematisiert, wenn sie in der Berufungsverhandlung einerseits von "körperlichem Bedrängen" berichtet und andererseits im Ergebnis den Wegzug aus ihrem Heimatort Bijeljina nach Tuzla damit begründet, dass sie nicht zusehen könne "wie sie meine beiden jungen Töchter begrapschen und sich allenfalls an ihnen vergehen". Mag aus diesen Angaben auch nicht ableitbar gewesen sein, dass - wie in der Beschwerde nunmehr vorgebracht wird - eine Vergewaltigung stattgefunden habe, so deuteten sie doch auf eine sexuelle Insultierung hin, der Verfolgungscharakter nicht ohne Weiteres abgesprochen werden durfte. Im Hinblick darauf wäre es geboten gewesen, Überlegungen in diese Richtung anzustellen. Eine nähere Beschäftigung mit der aufgezeigten Problematik wäre ungeachtet dessen erforderlich gewesen, dass die Beschwerdeführerin erklärte, sie wolle das Vorgehen "der Serben" nicht näher beschreiben, weil sie sich schäme, bzw. sie wolle "davon" nichts erzählen, da werde sie "gleich nervös". Auch diese Auskünfte stellen im Übrigen ein beachtliches Indiz für einen nicht unwesentlichen Eingriff in ihre Intimsphäre dar, über das die belangte Behörde nicht stillschweigend hätte hinweg gehen dürfen.
Die belangte Behörde hat die Angaben der Beschwerdeführerin über das "Begrapschen" ihrer Töchter - möglicherweise im Hinblick auf die zum Ausdruck gebrachte Scham - nicht näher hinterfragt. Tatsächlich mag eine weiter gehende Befragung der Beschwerdeführerin zu diesem Thema im Rahmen der konkreten Berufungsverhandlung an Grenzen gestoßen bzw. nicht zumutbar gewesen sein, und zwar vor allem deshalb, weil abgesehen von der Schriftführerin alle sonst in der Verhandlung anwesenden Personen (insbesondere Verhandlungsleiter und Dolmetscher) männlichen Geschlechts waren. Im Hinblick auf diesen letzten Gesichtspunkt erweist sich das Verfahren der belangten Behörde aber aus nachstehenden Erwägungen als mangelhaft:
Zunächst ist in diesem Zusammenhang auf einschlägige Beschlüsse des Exekutiv-Komitees für das Programm des UNHCR zu verweisen, insbesondere auf den Beschluss Nr. 64 (XLI) aus 1990 über Flüchtlingsfrauen und internationalen Rechtsschutz, gemäß dessen lit. a Abschnitt iii die Staaten aufgefordert werden, wo immer dies notwendig ist, ausgebildete weibliche Anhörer in den Verfahren zur Feststellung des Flüchtlingsstatus zur Verfügung zu stellen, und den entsprechenden Zugang der weiblichen Asylsuchenden zu diesen Verfahren, auch wenn die Frauen von männlichen Familienmitgliedern begleitet werden, zu sichern. Vergleichbares ist in Punkt 28 der Entschließung des Rates vom 20. Juni 1995 über Mindestgarantien für Asylverfahren festgehalten, wo es heißt, dass es die Mitgliedstaaten anstreben, erforderlichenfalls in Asylverfahren qualifizierte weibliche Bedienstete und weibliche Dolmetscher zu beteiligen, insbesondere wenn Asylbewerberinnen auf Grund der erlebten Ereignisse oder ihrer kulturellen Herkunft Schwierigkeiten haben, ihre Antragsgründe umfassend darzulegen.
Den erwähnten internationalen Dokumenten soll § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG Rechnung tragen, der bestimmt, dass Asylwerber, die ihre Furcht vor Verfolgung auf Eingriffe in ihre sexuelle Selbstbestimmung gründen, von Organwaltern desselben Geschlechts einzuvernehmen sind (vgl. die ausdrückliche Bezugnahme auf den oben erwähnten EXCOM-Beschluss in den ErläutRV zu § 27, 686 BlgNR 20. GP 27). Diese Bestimmung gilt zunächst einmal für das erstinstanzliche Verfahren vor dem Bundesasylamt. Man wird darüber hinaus jedoch davon ausgehen müssen, dass sie auch für im Rahmen der von der belangten Behörde durchzuführenden Verhandlungen erfolgende Einvernahmen zur Anwendung zu gelangen hat. Selbst wenn man § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG als erstinstanzliche Vorschrift begreift, folgt das nämlich einerseits schon aus dem allgemeinen Grundsatz, dass die Berufungsbehörde bei Durchführung ihres Verfahrens, soweit nicht Abweichendes bestimmt ist, die Vorschriften des Verfahrens erster Instanz anzuwenden hat (vgl. Walter/Mayer, Verwaltungsverfahrensrecht8 (2003) Rz 532). Andererseits entspricht dieses Ergebnis den besagten internationalen Dokumenten, deren Umsetzung § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG erkennbar dient (siehe nunmehr ausdrücklich auch die am 1. Mai 2004 in Kraft tretende Regelung des § 24b Abs. 2a AsylG idF der AsylG-Novelle 2003, BGBl I Nr. 101). Dass sich darüber hinaus in den von der genannten Bestimmung erfassten Konstellationen in allen Stadien des Asylverfahrens auch die Beiziehung eines Dolmetschers gleichen Geschlechts als geboten erweist, versteht sich bei verständiger Würdigung dieser Vorschrift nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes von selbst, weil nur insoweit dem von § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG verfolgten Zweck (Abbau von Hemmschwellen) adäquat Rechnung getragen werden kann (siehe zur Problematik umfassender UNHCR, Richtlinien zum internationalen Schutz: Geschlechtsspezifische Verfolgung im Zusammenhang mit
Artikel 1 A (2) des Abkommens von 1951 bzw. des Protokolls von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, Punkt 36, wiedergegeben in NVwZ-Beilage I 2003, 69; vgl. auch Feller/Türk/Nicholson (Hrsg.), Refugee Protection in International Law (2003) 349 f mwN.).
Im vorliegenden Fall sind Hinweise auf sexuelle Übergriffe gegenüber der Beschwerdeführerin erst in der Berufungsverhandlung zu Tage getreten. Ab diesem Zeitpunkt hat sich daher - zugrunde legend, dass auch die belangte Behörde § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG zu beachten hat - die Notwendigkeit ergeben, die Beschwerdeführerin durch eine Person weiblichen Geschlechts einzuvernehmen. Diesem Erfordernis konnte der mit der Rechtssache betraute männliche Organwalter der belangten Behörde nicht Rechnung tragen; insoweit war er an der weiteren Verfahrensführung rechtlich verhindert. Damit ist aber im Sinn des § 8 Abs. 2 UBASG - gemäß dieser Bestimmung dürfen einem Mitglied der belangten Behörde Rechtssachen, für die es zuständig ist, nur im Falle seiner Behinderung durch Verfügung des Vorsitzenden des unabhängigen Bundesasylsenates abgenommen werden - ein "Abnahmefall" eingetreten (siehe auch § 38 Abs. 2 AsylG), für den die hier maßgebliche Geschäftsverteilung der belangten Behörde für das Kalenderjahr 2001 zwar keine ausdrückliche Regelung vorsieht, der aber in gesetzeskonformer, auf § 27 Abs. 3 letzter Satz AsylG Bedacht nehmender Auslegung dieser Geschäftsverteilung zwanglos dem dort normierten Fall einer mehr als zweimonatigen Verhinderung des zunächst zuständigen Mitglieds (vgl. Artikel 4, Punkt 2.; demnach ist eine zugewiesene Sache dem Mitglied vom Vorsitzenden abzunehmen, wenn das Mitglied mehr als zwei Monate verhindert ist, wobei die abgenommene Rechtssache an dem der Abnahme folgenden Arbeitstag wie ein neu eingelangtes Geschäftsstück behandelt wird) unterstellt werden kann.
Gegenständlich ist eine Abnahme unterblieben und die Beschwerdeführerin trotz der in der Berufungsverhandlung hervorgekommenen Hinweise auf sexuelle Übergriffe - bei erkennbarer Hemmung, über das Erlebte näher zu berichten - nicht von einer Person weiblichen Geschlechts einvernommen worden. Damit ist das von der belangten Behörde abgeführte Verfahren (auch im Hinblick auf die Nichtbeiziehung eines weiblichen Dolmetschers) nach dem Gesagten insgesamt mit einem Verfahrensfehler behaftet, weshalb das nunmehr in der Beschwerde erhobene Vorbringen, die ständigen Verfolgungshandlungen gegen die Person der Beschwerdeführerin hätten mit "verbalen Beschimpfungen" begonnen und sich letztendlich bis zu Vergewaltigungen fortgesetzt, keine unzulässige Neuerung darstellt (vgl. nunmehr auch die im Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/01/0154, wiedergegebenen Angaben einer der Töchter der Beschwerdeführerin). Unterstellt man jedoch solche Verfolgungshandlungen, so kann keine Rede davon sein, dass es an einer asylrelevanten Eingriffsintensität gefehlt habe. Dass die Beschwerdeführerin - wie die belangte Behörde in ihrem Bescheid ergänzend andeutet - gegebenenfalls die Möglichkeit gehabt hätte, wirksamen staatlichen Schutz in Anspruch zu nehmen, ist den getroffenen Feststellungen zur Situation in der Republica Srpska nicht ausreichend deutlich entnehmbar.
Ausgehend von asylrelevanter Verfolgung der Beschwerdeführerin in Bijeljina (der Republica Srpska) und weiter ausgehend von der - hier allerdings nicht näher überprüften - Prämisse der belangten Behörde, dass sich die Beschwerdeführerin drohenden Übergriffen "durch Ortswechsel dauerhaft entziehen hätte können", stellt sich die Frage, ob ihr im moslemisch/kroatischen Teil des Gesamtstaates Bosnien-Herzegowina (in der Föderation Bosnien-Herzegowina) auch nunmehr eine interne Schutzalternative offen steht. Im Hinblick auf den dem Wegzug aus Bijeljina folgenden längeren Aufenthalt der Beschwerdeführerin in Tuzla bedürften insbesondere die dort gegebenen Möglichkeiten einer Untersuchung. Die belangte Behörde hat eine Analyse in Richtung "interne Schutzalternative" nicht vorgenommen. Zwar hat sie allgemeine Feststellungen zur Situation in Bosnien-Herzegowina getroffen, die aus ihrer Sicht eine Rückkehrmöglichkeit eröffnen. Eine abschließende Beurteilung in dem Sinn, es existiere für die Beschwerdeführerin eine interne Schutzalternative, ist dem Verwaltungsgerichtshof auf Grundlage dieser Feststellungen jedoch schon deshalb nicht möglich, weil bezüglich der demnach allein stehenden Frauen mit Kindern oder älteren Menschen ohne familiären Anhang zur Verfügung stehenden Sammelunterkünfte weiter ausgeführt wird, dass konkret jene Sammelunterkunft zugewiesen werde, die dem Vorkriegswohnort des Rückkehrers - das ist hier aber eben Bijeljina - am nächsten liege. Überdies hat sich die belangte Behörde insoweit nicht mit der konkreten Situation der knapp 50- jährigen Beschwerdeführerin auseinander gesetzt, als sie auf den aktenkundigen Umstand ihrer chronischen Lungenkrankheit nicht näher eingegangen ist.
Zusammenfassend ergibt sich, dass der bekämpfte Bescheid mit wesentlichen Verfahrensmängeln behaftet ist. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 3. Dezember 2003
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