Normen
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z6 idF 1998/I/124;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Vorarlberg Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß §§ 10, 11a, 12, 13 und 14 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) ab.
Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer, 1975 in Bludenz geboren und türkischer Staatsangehöriger, habe seit 4. Dezember 1977 ununterbrochen seinen Hauptwohnsitz in Österreich. Er habe in Österreich die Volks- und Hauptschule besucht und anschließend eine Ausbildung als Autospengler absolviert. Seit 25. September 1997 sei er als Metallarbeiter beschäftigt.
Am 12. Mai 1993 sei der Beschwerdeführer wegen geschlechtlicher Nötigung und öffentlicher unzüchtiger Handlungen vom Gendarmerieposten Thüringen zur Anzeige gebracht worden. Der damals 17-jährige Beschwerdeführer habe Anfang des Jahres 1993 mehrfach Fußgängerinnen belästigt, indem er sich vor ihnen entblößt und exhibitionistische Handlungen an sich selbst vorgenommen habe; in einem Fall habe er eine andere Person zur Duldung einer geschlechtlichen Handlung genötigt. Das Strafverfahren sei mit Beschluss des Bezirksgerichtes Bludenz vom 23. August 1993 gemäß § 9 Abs. 1 Z 1 Jugendgerichtsgesetz für eine Probezeit von zwei Jahren vorläufig eingestellt worden; gleichzeitig sei dem Beschwerdeführer die Auflage erteilt worden, einen Betrag von S 2.000,-- zu Gunsten eines Krankenpflegevereines zu bezahlen.
Von der Bezirkshauptmannschaft Bludenz sei er wie folgt bestraft worden:
"mit Bescheid vom 17.12.1994, Zl. BHBL-X-alt-1994/19623, wegen Übertretungen nach den §§ 52 lit. a Z 10a und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 500,--;
mit Bescheid vom 17.12.1994, Zl. BHBL-X-alt-1994/19623, wegen einer Übertretung nach § 102 Abs. 5 lit. b KFG 1967 mit einer Geldstrafe von S 200,--;
mit Bescheid vom 02.01.1995, Zl. BHBL-X-alt-1995/0630, wegen Übertretungen nach den §§ 4 Abs. 5 und 99 Abs. 3 lit. b StVO mit einer Geldstrafe von S 3.000,--;
mit Bescheid vom 11.12.1996, Zl. BHBL-X-alt-1997/2789, wegen Übertretungen nach den §§ 20 Abs. 2 und 99 Abs. 3 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 1.600,--;
mit Bescheid vom , Zl. BHBL-X-alt-1997/6957, wegen Übertretungen nach den §§ 5 Abs. 1 und 99 Abs. 1 lit. a StVO mit einer Geldstrafe von S 12.000,--;
mit Bescheid vom 12.12.1998, Zl. BHBL-X-alt-1998/14123, wegen Übertretungen nach den §§ 5 Abs. 2 und 99 Abs. 1 lit. b StVO mit einer Geldstrafe von S 22.000,--;
mit Bescheid vom 13.01.1999, Zl. BHBL-X-alt-1999/0764, wegen einer Übertretung nach § 108 Abs. 1 Z 2 Fremdengesetz mit einer Geldstrafe von S 500,--;
mit Bescheid Zl. BHBL-X-alt-1999/0765, wegen einer Übertretung nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 39 Abs. 5 Führerscheingesetz mit einer Geldstrafe von S 5.000,--;
mit Bescheid vom 04.03.2000, Zl. BHBL-X-9-2000/8822, wegen einer Übertretung nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Führerscheingesetz mit einer Geldstrafe von S 10.000,--;
mit Bescheid vom 24.03.2000, Zl. BHBL-X-9-2000/4412, wegen einer Übertretung nach § 37 Abs. 1 in Verbindung mit § 1 Abs. 3 Führerscheingesetz mit einer Geldstrafe von S 10.000,--."
In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG aus, der Beschwerdeführer habe das Vergehen der geschlechtlichen Nötigung nach § 202 StGB begangen. Auch wenn das Verfahren nach den Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes vorläufig eingestellt worden sei, bedeute dies dennoch, dass der Beschwerdeführer den Tatbestand der geschlechtlichen Nötigung objektiv erfüllt hätte und es lediglich wegen seines jugendlichen Alters zu keiner Verurteilung gekommen sei. In der Zeit zwischen 1994 und 1999 habe der Beschwerdeführer wegen zehn Verwaltungsübertretungen bestraft werden müssen. Besonders schwer wögen die beiden rechtskräftigen Bestrafungen gemäß § 5 StVO ("Alkohol"). Der Beschwerdeführer hätte bei seiner Anhaltung durch den Gendarmerieposten Bludenz am 10. Mai 1997 einen Blutalkoholgehalt von 1,6 %o aufgewiesen; bei der Amtshandlung am 12. Dezember 1998 habe er trotz deutlicher Alkoholisierungsmerkmale die Vornahme eines Alkoholtestes verweigert. Bei einer höheren Alkoholkonzentration stünden Störungen des Wahrnehmungs- und Koordinationsvermögens im Vordergrund. Das Fahren in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand stelle daher ein erhöhtes Gefahrenpotenzial im Straßenverkehr dar und bedeute eine gravierende Missachtung von Vorschriften, die zum Schutz von Leib und Leben Dritter erlassen worden seien. Seit Jänner 1999 habe der Verleihungswerber dreimal bestraft werden müssen, weil er einen PKW auf öffentlichen Straßen gelenkt habe, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung gewesen zu sein. Die Art und Häufigkeit der Rechtsverletzungen sowie der Umstand, dass ein Teil der Verwaltungsübertretungen nach Stellung des Antrages auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft begangen worden sei, zeigten, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich an die österreichische Rechtsordnung zu halten. Sein - unbestrittenes - Verhalten lasse den Schluss zu, dass er möglicherweise auch in Zukunft wesentliche Vorschriften missachten werde, die zur Abwehr und Unterdrückung von Gefahren für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit bzw. für die anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen erlassen worden seien. Es könne daher derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer Gewähr dafür biete, keine Gefahr für die genannten Interessen zu sein, weshalb er die Voraussetzung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG nicht erfülle.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 i.d.F. der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lauten auszugsweise:
"Verleihung
§ 10. (1) Die Staatsbürgerschaft kann einem Fremden verliehen werden, wenn
...
6. er nach seinem bisherigen Verhalten Gewähr dafür bietet, dass er zur Republik bejahend eingestellt ist und weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet;
...
§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes macht der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde geltend, die Annahme der belangten Behörde, die Verleihung der Staatsbürgerschaft nach § 10 StbG sei ausgeschlossen, sei
"nicht richtig, da der in Österreich geborene Beschwerdeführer weder eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellt noch andere in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannte öffentliche Interessen gefährdet. Daran ändern auch die von der belangten Behörde zitierten Verwaltungsübertretungen nichts. Bei richtiger rechtlicher Beurteilung hätte sohin die erkennende Behörde vom Vorliegen ausgehen müssen, weshalb eine Ermessensübung gemäß § 11 leg. cit. für zulässig betrachtet werden hätte müssen".
Anschließend an diese Passage folgen in der Beschwerde allgemeine Rechtsausführungen zu § 11 StbG, aus denen der Beschwerdeführer den Schluss zieht, dass die belangte Behörde im Beschwerdefall das Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes ausgeübt habe, wenn sie die vom Beschwerdeführer im Jahre 1993 begangene Straftat als Grund für die Versagung der Staatsbürgerschaft herangezogen habe.
Als Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt der Beschwerdeführer, die belangte Behörde hätte das von ihr gemäß § 11 StbG ausgeübte freie Ermessen nicht begründet und die für die Einbürgerung des Beschwerdeführers sprechenden Gründe unberücksichtigt gelassen.
Den - insbesondere die Integration des Beschwerdeführers ins Treffen führenden - Argumenten in der Beschwerde, die sich ausschließlich mit der Übung von Ermessen nach § 11 StbG beschäftigen, ist zu entgegnen, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid deutlich zum Ausdruck gebracht hat, dass sie die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers auf die Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG gestützt hat, während der Bescheidbegründung kein Anhaltspunkt zu entnehmen ist, dass die belangte Behörde Ermessen im Sinne des § 11 StbG geübt hätte. Bei der Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG handelt es sich um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung; bei der Beurteilung, ob sie vorliegt, ist der Behörde kein Ermessen eingeräumt (vgl. das Erkenntnis vom 8. März 1999, Zl. 98/01/0255). Der Beschwerdeführer weist in seiner Beschwerde zwar zutreffend darauf hin, dass erst bei Vorliegen aller der in § 10 Abs. 1 genannten Voraussetzungen eine Ermessensübung nach § 11 StbG in Frage komme, setzt sich jedoch mit den im Rahmen des § 10 Abs. 1 Z 6 StbG von der belangten Behörde behandelten Argumenten, die auf ein Fehlen dieser Voraussetzung hinauslaufen, nicht auseinander. Die auf eine unrichtige Ermessensübung durch die belangte Behörde abzielenden Betrachtungen des Beschwerdeführers in der Beschwerde gehen daher ins Leere und berühren die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Bescheides in keiner Weise. Da sämtliche Beschwerdeargumente nur die Bestimmung des § 11 StbG im Auge haben, dem bekämpften Bescheid jedoch keine Ermessensentscheidung zu Grunde lag, kann eine nähere Behandlung dieser Ausführungen dahinstehen.
Der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass unter dem Gesichtspunkt der hier allein zu prüfenden Frage, ob das Verleihungshindernis nach § 10 Abs. 1 Z 6 StbG vorliegt (zur Prüfung dieser Voraussetzung vgl. aus der ständigen Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 2. Oktober 2001, Zl. 2000/01/0534, m. w.N.), sich die Prognose der belangten Behörde, der Beschwerdeführer biete keine Gewähr dafür, dass er nicht möglicherweise auch in Zukunft eine Gefahr im Sinne der genannten Bestimmung darstellen werde, als zutreffend erweist. Dies angesichts des Umstandes, dass der Beschwerdeführer rund dreieinhalb Jahre vor Erlassung des angefochtenen Bescheides trotz erheblicher Alkoholisierung ein Fahrzeug gelenkt hat und etwa zwei Jahre vor Bescheiderlassung neuerlich wegen eines "Alkoholvergehens" im Straßenverkehr bestraft worden ist (vgl. das Erkenntnis vom 18. Februar 2003, Zl. 2002/01/0091). Dazu kommt die dreimalige Bestrafung wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges auf öffentlichen Straßen, ohne im Besitz einer gültigen Lenkerberechtigung zu sein, innerhalb eines Zeitraumes von rund einem Jahr, wobei die beiden letzten Vergehen nach Antragstellung im vorliegenden Verfahren begangen wurden.
Nach dem Gesagten steht der bekämpfte Bescheid mit dem Gesetz im Einklang, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 15. Mai 2003
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