Normen
FrG 1997 §37;
EMRK Art8 Abs1;
FrG 1997 §37;
EMRK Art8 Abs1;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem zitierten, im Instanzenzug ergangenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 20. Jänner 2000 auf Aufhebung des mit Bescheid vom 25. September 1992 erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbotes gemäß den §§ 37 und 44 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ab.
Begründend führte die belangte Behörde im Wesentlichen aus:
Der Beschwerdeführer sei mit Urteil des Landesgerichtes Feldkirch vom 19. März 1991 wegen des versuchten Verbrechens nach den §§ 15 StGB, 12 Abs. 1 und 3 Z. 3 SGG und des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei nach § 37 Abs. 1 lit. a Finanzstrafgesetz zu einer Freiheitsstrafe von neun Jahren und einer Geldstrafe von 1 Mio. S verurteilt worden; das Oberlandesgericht Innsbruck habe seiner Berufung keine Folge gegeben. Der Beschwerdeführer habe am 5. Februar 1991 Suchtgift in einer Menge, die zumindest das 25- fache jener ausmachte, deren Weitergabe geeignet wäre, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen, nämlich 4.820 g Heroin, durch Verkauf an zwei Unbekannte in Verkehr zu setzen versucht und Eingangsabgaben für dieses geschmuggelte Suchtgift verheimlicht.
Es sei zu prüfen, ob das Aufenthaltsverbot auch nach den Bestimmungen des Fremdengesetzes 1997 zulässig sei. Die rechtskräftige Verurteilung erfülle die Voraussetzung des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG. Beim Beschwerdeführer, dessen Ehefrau nunmehr österreichische Staatsangehörige sei, handle es sich um einen begünstigten Drittstaatsangehörigen im Sinn des § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG. Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige dürfe gemäß § 48 Abs. 1 FrG nur dann ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn durch ihr Verhalten auch tatsächlich die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet sei. Diese Gefährdung sei aus dem der Verurteilung zu Grunde liegenden Sachverhalt abzuleiten. Verstärkt werde diese Annahme durch den Umstand, dass der Beschwerdeführer mit Strafverfügung vom 5. Juli 2000 wegen Übertretung nach § 107 Abs. 1 Z. 4 iVm § 31 Abs. 1 FrG rechtskräftig habe bestraft werden müssen und am 1. Juli 2000 beim Lenken eines Fahrzeuges ohne entsprechende Lenkberechtigung betreten worden sei. Dabei sei festgestellt worden, dass sich der Beschwerdeführer nach wie vor ohne Aufenthaltsberechtigung in Österreich aufhalte. Der Beschwerdeführer sei mit einer bis 4. Februar 2000 befristeten Wiedereinreisebewilligung eingereist und habe sich am 6. August 1999 in Österreich angemeldet. Von der Möglichkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würde somit auch zum jetzigen Zeitpunkt Gebrauch gemacht werden, weil allein schon das begangene Suchtgiftdelikt im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit dieser Kriminalität die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet erscheinen lasse. Wegen des schwerwiegenden Gesamtverhaltens des Beschwerdeführers sei auch weiterhin die in § 36 Abs. 1 und § 48 Abs. 1 FrG angeführte Gefährlichkeitsprognose zu treffen.
Wegen des langjährigen Aufenthalts des Beschwerdeführers in Österreich und seiner familiären Situation sei davon auszugehen, dass das Aufenthaltsverbot einen schweren Eingriff in sein Privat- und Familienleben darstelle. An der Bekämpfung der Suchtgiftkriminalität bestehe ein schwerwiegendes öffentliches Interesse im Sinn des § 37 FrG. Die Dringlichkeit dieser Maßnahme ergebe sich auch aus der in der neuen Verwaltungsübertretung zum Ausdruck kommenden Unbelehrbarkeit des Fremden. Der Beschwerdeführer habe an Änderungen im Hinblick auf sein Privat- und Familienleben vorgebracht, dass nunmehr seine Ehefrau österreichische Staatsangehörige sei und er lebensgefährlich erkrankt sei. Der Beschwerdeführer könne sich allfällig erforderlichen weiteren medizinischen Behandlungen auch in einem anderen Land unterziehen. Weiters könne die Nähe zu seiner Familie auch dadurch hergestellt werden, dass diese ihn im Ausland besuche. Laut Auskunft seines Hausarztes Dr. T vom 18. September 2000 sei der Beschwerdeführer bis zu einem gewissen Maß bewegungsfähig bzw. reisefähig. Er habe nur mehr einen halben Dickdarm und leide an den damit verbundenen Beschwerden. Das öffentliche Interesse an der Bekämpfung des Suchtgifthandels rechtfertige nach wie vor die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes und es habe das nach der Haftentlassung gesetzte Fehlverhalten des Beschwerdeführers das maßgebliche öffentliche Interesse noch verstärkt. So sei dieser trotz rechtskräftigem Aufenthaltsverbot nach Ablauf seiner Wiedereinreisebewilligung unrechtmäßig im Bundesgebiet verblieben. Auf Grund dieser Umstände seien die maßgeblichen öffentlichen Interessen nach wie vor gegeben und höher zu veranschlagen als der zweifellos vorliegende Eingriff in sein Privat- und Familienleben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde nach Vorlage der Verwaltungsakten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen:
Gemäß § 114 Abs. 3 FrG gelten Aufenthaltsverbote, deren Gültigkeitsdauer bei Inkrafttreten dieses Bundesgesetzes noch nicht abgelaufen sind, als nach diesem Bundesgesetz erlassene Aufenthaltsverbote mit derselben Gültigkeitsdauer. Solche Aufenthaltsverbote sind auf Antrag oder - wenn sich aus anderen Gründen ein Anlass für die Behörde ergibt, sich mit der Angelegenheit zu befassen - von Amts wegen aufzuheben, wenn sie nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes nicht hätten erlassen werden können. Demnach kommt es also darauf an, ob der von der Behörde zur Begründung des Aufenthaltsverbotes herangezogene Sachverhalt auch bei fiktiver Geltung des FrG im Zeitpunkt der Verhängung des Aufenthaltsverbotes diese Maßnahme gerechtfertigt hätte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 2002, Zl. 2001/21/0189). Für eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides unter diesem Gesichtspunkt finden sich keine Anhaltspunkte; sie wird in der Beschwerde auch nicht releviert.
Gemäß § 44 FrG ist ein Aufenthaltsverbot auf Antrag oder von Amts wegen aufzuheben, wenn die Gründe, die zu seiner Erlassung geführt haben, weggefallen sind. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein solcher Antrag nur dann zum Erfolg führen, wenn sich seit Erlassung des Aufenthaltsverbotes die dafür maßgebenden Umstände zu Gunsten des Fremden geändert haben, wobei im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag auch auf die nach der Verhängung des Aufenthaltsverbotes eingetretenen und gegen die Aufhebung dieser Maßnahme sprechenden Umstände Bedacht zu nehmen ist. Bei der Beurteilung nach § 44 FrG ist maßgeblich, ob eine Gefährlichkeitsprognose im Grund des § 36 Abs. 1 (oder § 48 Abs. 1) FrG dergestalt (weiterhin) zu treffen ist, dass die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes erforderlich ist, um eine vom Fremden ausgehende erhebliche Gefahr im Bundesgebiet abzuwenden, und ob die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes im Grund des § 37 FrG zulässig ist (vgl. auch dazu das hg. Erkenntnis Zl. 2001/21/0189). Angesichts des gravierenden Fehlverhaltens des Beschwerdeführers im Bereich der Suchtgiftkriminalität seines nach Ablauf des Wiedereinreisesichtvermerks gesetzten fremdenrechtlichen Fehlverhaltens und des von ihm begangenen kraftfahrrechtlichen Deliktes kann unter Würdigung des gesamten Sachverhaltes die Auffassung der belangten Behörde nicht als rechtswidrig gesehen werden, dass weiterhin eine Gefährlichkeitsprognose zu Lasten des Beschwerdeführers getroffen werden müsse. Sein inländischer Aufenthalt nach seiner Wiedereinreise nach Österreich in der Dauer von etwas über einem Jahr bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist noch zu kurz, um einen Wegfall seiner Gefährlichkeit auf dem Gebiet der Suchtgiftkriminalität bejahen zu können.
Mit dem Hinweis auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers zeigt die Beschwerde jedoch eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides im Umfang der Beurteilung nach § 37 FrG auf. Aus den vom Beschwerdeführer mit seinem Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbotes vorgelegten Urkunden geht hervor, dass der Beschwerdeführer ständige Obsorge und Betreuung durch seine Familie brauche; der Patient bedürfe im Fall lebensbedrohlicher Verschlimmerung mit der Notwendigkeit der Herbeiholung sofortiger ärztlicher Hilfe sowie zur Hilfestellung im täglichen Leben bei fehlender physischer Belastbarkeit und wegen der psychischen Sicherstellung, um plötzliche lebensbedrohende Verschlimmerungen zu verhindern, der Hilfe seiner Ehefrau (Untersuchungsbericht vom 2. Juli 1997). Eine konservative Therapie habe keine dauerhafte Heilung erbracht; der Beschwerdeführer sei schwer krank, erkennbar auch am erheblichen Gewichtsverlust von 20 bis 30 kg (Attest vom 22. April 1999). Mit diesem Vorbringen wird zwar - worauf die belangte Behörde zutreffend hingewiesen hat - nicht dargetan, dass sich der Beschwerdeführer erforderlichen weiteren medizinischen Behandlungen nicht auch in einem anderen Land unterziehen könne; die belangte Behörde unterließ jedoch Feststellungen, in welchem Ausmaß der Beschwerdeführer der Hilfe seiner Familie, insbesondere seiner Ehefrau, bedürfe. Diesbezüglich stellte sie lediglich fest, es könne die Nähe zu seiner Familie auch dadurch hergestellt werden, dass diese ihn im Ausland besuche.
Damit wird aber auf die Interessenlage der Familie des Beschwerdeführers nicht ausreichend Bedacht genommen. Der in Art. 8 Abs. 1 EMRK und § 37 FrG enthaltene Schutz des Familienlebens umfasst zwar keine Verpflichtung, durch die Anerkennung der Wahl des Familiensitzes das Führen des Familienlebens in Österreich garantieren zu müssen (vgl. das Urteil des EGMR vom 28. November 1996, Zl. 73/1995/579/665, ÖJZ 1997/22 (MRK) "Ahmut"), und es ist auch nicht von vornherein eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen einen begünstigten Drittstaatsangehörigen unzulässig. Weiters ist es den Vertragsstaaten der EMRK gestattet, die öffentliche Ordnung dadurch aufrecht zu erhalten, indem sie die Ausweisung von Fremden verfügen, die strafbare Handlungen begangen haben. Ihre Entscheidungen auf diesem Gebiet müssen jedoch, soweit sie in ein nach Art. 8 Abs. 1 EMRK geschütztes Recht eingreifen können, in einer demokratischen Gesellschaft notwendig, d.h. durch ein dringendes soziales Bedürfnis gerechtfertigt sein und sie müssen insbesondere gegenüber dem verfolgten berechtigten Ziel verhältnismäßig sein (vgl. das Urteil des EGMR vom 13. Juli 1995, Zl. 18/1994/465/546, ÖJZ 1995/48 (MRK) "Nasri").
Bei dieser Verhältnismäßigkeitsprüfung ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass die Familie des Beschwerdeführers wegen der österreichischen Staatsangehörigkeit seiner Ehefrau eine besonders starke Anknüpfung an das Inland hat. Die Intensität des mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen Eingriffs in das Familienleben des Beschwerdeführers hängt nun davon ab, in welchem Umfang er auf die Hilfe seiner Ehefrau, der wegen ihrer österreichischen Staatsangehörigkeit ein Verlassen des Bundesgebietes nicht ohne Weiteres zumutbar ist, angewiesen ist. Es ist nicht auszuschließen, dass ein solcherart bewirkter gravierender Eingriff in das Familienleben die Aufrechterhaltung des Aufenthaltsverbotes als eine unverhältnismäßige und somit unzulässige Maßnahme werten ließe.
Durch die Unterlassung entsprechender Feststellungen hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit einem Verfahrensmangel belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 15. Oktober 2003
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