VwGH 2000/18/0099

VwGH2000/18/009926.5.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des A, geboren 1980, vertreten durch Dr. Mark Maximilian Kletter, Rechtsanwalt in1014 Wien, Tuchlauben 13 (Eingang Kleeblattgasse 4), gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 29. Oktober 1999, Zl. SD 871/99, betreffend Zurückweisung eines Antrags auf Feststellung gemäß § 75 des Fremdengesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
VwRallg;
FrG 1993 §54 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs2;
FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs5;
FrG 1997 §75;
VwRallg;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 29. Oktober 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers, eines Staatsangehörigen von Sierra Leone, vom 20. Juli 1999 auf Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung (nach Sierra Leone) gemäß § 75 Abs. 2 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, als unzulässig zurückgewiesen.

Ein Antrag gemäß § 75 Abs. 1 könne nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden. Der Beschwerdeführer befinde sich seit dem illegalen Grenzübertritt am 3. November 1997 im Bundesgebiet und sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg vom 5. November 1997, rechtskräftig seit 20. November 1997, aus dem Bundesgebiet ausgewiesen worden. Es werde festgestellt, dass der Beschwerdeführer am 5. November 1997 während des Ausweisungsverfahrens vor der Bezirkshauptmannschaft Mattersburg mit Dolmetscher niederschriftlich einvernommen und unter Punkt B.) der genannten Niederschrift gemäß der damals geltenden Bestimmung des § 54 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992, bezüglich eines Feststellungsantrages belehrt worden sei, jedoch keinen solchen gestellt habe. Entgegen den Angaben in der Berufung sei der Beschwerdeführer somit rechtzeitig von der Möglichkeit, einen diesbezüglichen Feststellungsantrag einzubringen, in Kenntnis gesetzt worden. Es sei nicht entscheidungsrelevant, ob die genannte Niederschrift dem Beschwerdeführer entweder wegen des lang zurückliegenden Datums nicht mehr erinnerlich sei (Verständigungsschwierigkeiten bei der Niederschrift mit dem Dolmetscher seien nicht behauptet worden), oder ob die Angaben lediglich getätigt worden seien, um seinen unrechtmäßigen Aufenthalt in Österreich fortzusetzen.

Zum Zeitpunkt der Einbringung des gegenständlichen Antrages, das sei der 19. Juli 1999 gewesen, sei weder ein Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung noch eines Aufenthaltsverbotes anhängig gewesen. Der Berufung sei daher keine Folge zu geben gewesen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Antrag, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 75 Abs. 1 FrG hat die Behörde auf Antrag eines Fremden mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, dass dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 57 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist. Zufolge des § 75 Abs. 2 leg. cit. kann dieser Antrag nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden; hierüber ist der Fremde rechtzeitig in Kenntnis zu setzen.

2. Der Beschwerdeführer wendet sich nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, er habe den Antrag gemäß § 75 Abs. 1 FrG erst eingebracht, als die gegen ihn erlassene Ausweisung bereits rechtskräftig gewesen sei. Auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen begegnet diese Auffassung keinem Einwand.

3.1. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Ansicht der belangten Behörde, aus der besagten Niederschrift vom 5. November 1997 würde sich ergeben, dass er vor der Erlassung der Ausweisung von der Möglichkeit der Antragstellung im Sinn des § 75 Abs. 2 leg. cit. in Kenntnis gesetzt worden sei. Er bringt vor, dass er im November 1997 erst etwa siebzehneinhalb Jahre alt gewesen und unvorbereitet aus einem anderen Kulturkreis nach Österreich gekommen sei. "Ohne besonderen Hinweis" bzw. ohne "ausdrückliche für den Jugendlichen verständliche Belehrung" hätte er das komplizierte Verfahren, das das Fremdenrecht für einen Fall wie den seinen vorsehe, nicht verstehen können. Angesichts seines Asylantrags (den er damit begründet habe, dass ihm aus politischen Gründen in Sierra Leone unmenschliche Behandlung oder Strafe oder die Todesstrafe drohe), der im Ausweisungsverfahren bekannt gewesen sei, hätte er darüber belehrt werden müssen, dass er "nun neuerlich einen ausdrücklichen Antrag stellen müsse". Vor diesem Hintergrund sei die Stellung seines Antrags nach § 75 FrG nicht unzulässig gewesen.

3.2. Für das mit dem genannten Bescheid beendete Ausweisungsverfahren war § 54 Abs. 1 und 2 des Fremdengesetzes, BGBl. Nr. 838/1992 (im Folgenden: FrG aus 1992), maßgeblich, der den Regelungen des § 75 Abs. 1 und Abs. 2 FrG entspricht. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes wird durch die in § 54 Abs. 2 aus FrG 1992 festgelegte zeitliche Beschränkung, der zufolge ein Antrag nach § 54 Abs. 1 leg. cit. nur während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes eingebracht werden kann, keine verfahrensrechtliche Frist normiert. Eine Antragstellung während des Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes stellt somit eine materielle Voraussetzung für die Feststellung der Unzulässigkeit der Abschiebung in einen bestimmten Staat dar. Aus welchen Gründen der Fremde eine rechtzeitige Antragstellung nach § 54 Abs. 1 FrG aus 1992 versäumt hat, ist für die Rechtsfolge des Anspruchsverlustes bedeutungslos. Nach dem klaren Gesetzeswortlaut tritt die Rechtsfolge der Fristversäumung zwingend ein. Wenn auch der Fremde über die Möglichkeit eines derartigen Feststellungsantrages rechtzeitig in Kenntnis zu setzen ist, hat die Unterlassung dieser Belehrung nicht zur Folge, dass dem Fremden eine Antragstellung auch nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens zur Erlassung einer Ausweisung oder eines Aufenthaltsverbotes offen stünde. Die vorgeschriebene Belehrung des Fremden ist kein Ereignis, das für die Frist zu einer Antragstellung nach § 54 Abs. 1 leg. cit. rechtliche Bedeutung hat. (Vgl. zum Ganzen das hg. Erkenntnis vom 9. Februar 1999, Zl. 96/18/0011, mwH.) Diese Rechtsprechung kommt auch für § 75 FrG zum Tragen.

Auf dem Boden dieser Rechtslage ist daher selbst einer Unterlassung der Mitteilung im Sinn des § 54 Abs. 2 FrG aus 1992 nicht die Wirkung beizumessen, dass dem Beschwerdeführer eine Antragstellung auch nach rechtskräftigem Abschluss des Ausweisungsverfahrens offengestanden wäre. Von daher braucht der Frage, ob der Beschwerdeführer - wie die belangte Behörde meint - nicht ohnehin im Sinn des § 54 Abs. 2 FrG aus 1992 im Ausweisungsverfahren rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden sei, nicht näher nachgegangen zu werden. Vor diesem Hintergrund zeigt der Beschwerdeführer mit dem unter II.3.1. wiedergegebenen Vorbringen keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheids auf, hat er doch - wie oben dargestellt - seinen Antrag nach § 75 FrG erst nach dem rechtskräftigen Abschluss des Ausweisungsverfahrens im Jahr 1997 gestellt. Dass dieser Antrag von der belangten Behörde als verspätet zurückgewiesen und nicht abgewiesen wurde, hat den Beschwerdeführer in keinem Recht verletzt (vgl. nochmals das genannte Erkenntnis Zl. 96/18/0011).

3.3. Die Verfahrensrüge, dem Beschwerdeführer seien die Niederschrift vom 5. November 1997 und deren Auslegung erstmals im angefochtenen Bescheid zur Kenntnis gebracht worden, weshalb er im Verwaltungsverfahren nicht darauf habe eingehen können, erweist sich nach dem Gesagten als nicht zielführend.

4.1. Die Beschwerde führt gegen den angefochtenen Bescheid ferner ins Treffen, der Beschwerdeführer habe im Verwaltungsverfahren ein "mit Beweisanboten untermauertes Vorbringen" dahingehend erstattet, dass sich die Umstände in dem in Rede stehenden Staat seit der Abweisung seines Asylantrags geändert hätten und die Behörde daher zu prüfen gehabt hätte, ob nicht "eine neuerliche Entscheidung iSd § 75 Abs 5 FrG geboten gewesen" wäre.

4.2. Gemäß § 75 Abs. 5 erster Satz FrG ist der Bescheid, mit dem über einen Antrag gemäß Abs. 1 rechtskräftig entschieden wurde, auf Antrag oder von Amts wegen abzuändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt wesentlich geändert hat, sodass die Entscheidung hinsichtlich dieses Landes anders zu lauten hat. Die Anwendung des § 75 Abs. 5 FrG setzt somit voraus, dass eine rechtskräftige Entscheidung nach § 75 Abs. 1 FrG vorliegt. Da dies unstrittig nicht der Fall ist, geht der Beschwerdehinweis auf § 75 Abs. 5 FrG fehl.

5. Da die behauptete Rechtswidrigkeit nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

6. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Mai 2003

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