Normen
KVG 1934 §17 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs1;
KVG 1934 §17 Abs1;
KVG 1934 §18 Abs1;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von EUR 3.264,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die B-GmbH (im Folgenden: Gesellschaft) wurde mit Gesellschaftsvertrag vom 11. Dezember 1980 gegründet; ihr Stammkapital beträgt S 4,400.000,--. Gründungsgesellschafter war L. mit einer Stammeinlage von S 4,395.000,-- (auch Geschäftsführer) seine Ehefrau H. mit einer Stammeinlage von S 2.500,-- und deren beider Sohn M. mit einer Stammeinlage von S 2.500,--.
Gegenstand der hier zu beurteilenden Vorschreibung von Börsenumsatzsteuer ist der Abtretungsvertrag vom 26. April 1996; dem ging eine außerordentliche Generalversammlung vom selben Tag voraus. Dabei wurde der Sohn des L., G., zum Alleingeschäftsführer bestellt. Der seinerzeitige Gesellschaftsvertrag erfuhr einige Änderungen, u.a. (Punkt 7.) dahingehend, dass sämtliche Beschlüsse einer Mehrheit von 75 % der abgegebenen Stimmen bedürfen, soferne nicht das Gesetz oder der Gesellschaftsvertrag eine noch größere Mehrheit bestimmt. Lediglich der Beschluss über die Gewinnausschüttung und -verwendung bedürfe nur der einfachen Mehrheit der abgegebenen Stimmen. Im Punkt 10. des Gesellschaftsvertrages wurde bezüglich der Gewinnverwendung geregelt, dass, so lange das nach den Bestimmungen des Rechnungslegungsgesetzes ermittelte Eigenkapital der Gesellschaft nicht unter 10 Mio. S absinke, eine Gewinnausschüttung von mindestens 1 Mio. S zu beschließen sei.
Nach den Feststellungen im angefochtenen Bescheid trat (offenbar auch an diesem Tag) die Gattin H. ihren Anteil von S 2.500,-- an die Tochter He. ab.
Im Abtretungsvertrag trat L. von seinem Anteil von S 4,395.000,-- dem neu eintretenden G. einen Anteil von S 1,100.000,--, der Tochter He. einen Anteil von S 437.500,-- und dem Sohn M. einen Anteil von S 437.500,-- ab, sodass L. ein Anteil von S 2,420.000,-- (= 55 %) verblieb, G. wurde mit 25 % beteiligt und der Anteil der anderen Kinder beträgt je 10 %. G., M. und He.
sind die Beschwerdeführer.
Wörtlich wurde im Abtretungsvertrag, dem keine ausdrückliche
Anführung einer Gegenleistung entnehmbar ist, vereinbart:
"Alle drei vorangeführten Anteilsabtretungen erfolgen seitens
des Anteilsabtretenden unter Vorbehalt des alleinigen, ausschließlichen und lebenslänglichen Fruchtnießungsrechtes an allen abgetretenen Geschäftsanteilen für den Anteilsabtretenden. Die Anteilserwerber räumen dem Anteilsabtretenden dieses Fruchtnießungsrecht nach Maßgabe vorstehender Bestimmung hiermit ein. ...
Die Anteilserwerber erwerben die ihnen hiermit abgetretenen Geschäftsanteile mit allen Rechten und Pflichten, die dem Anteilsabtretenden der Gesellschaft gegenüber sowie gegenüber den Mitgesellschaftern zustanden bzw. oblagen. ...
In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass die derzeitigen Gesellschafter dieser Anteilsübertragungen im Sinne des Punkt '8.' des Gesellschaftsvertrages zugestimmt und von dem ihnen dort eingeräumten Aufgriffsrecht keinen Gebrauch gemacht haben."
Nach erfolgter Anzeige dieser Verträge forderte das Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Linz (Finanzamt) den L. auf, den gemeinen Wert seiner Anteile zum Übergangsstichtag sowie den Jahreswert des Fruchtgenussrechtes einzubekennen.
L. übersandte darauf bezüglich der Ermittlung der gemeinen Werte die Bilanzen zum 31. März 1992, 31. März 1993 und 31. März 1994, die Erklärung über den Einheitswert für diese Jahre und den Einheitswertbescheid für das Betriebsgrundstück zum 1. Jänner 1995. Bezüglich des Fruchtgenussrechtes verwies er auf die jährliche Gewinnausschüttung von mindestens S 1 Mio., deren kapitalisierten Wert nach § 16 Bewertungsgesetz von S 9 Mio., woraus sich auf Grund des Anteiles der drei Erwerber ein Wert von
S 2,250.000,-- bzw. je S 894.886,-- ergebe.
Mit vorläufigen Börsenumsatzsteuerbescheiden vom 15. Juli 1996 schrieb das Finanzamt die Börsenumsatzsteuer mit 250 Groschen je S 100,-- der Bemessungsgrundlage vor. Als Bemessungsgrundlage für das bewertete Fruchtgenussrecht wurde die jährliche Mindestgewinnausschüttung laut Gesellschaftsvertrag herangezogen.
In ihren Berufungen brachten die Beschwerdeführer vor, nur entgeltliche Verträge würden der Börsenumsatzsteuer unterliegen. In Vorwegnahme der späteren Erbfolge hätte der Vater L. den Beschwerdeführern Gesellschaftsanteile aber schenkungsweise übertragen. Dabei sollte ein um das Fruchtgenussrecht im Wert verminderter Gesellschaftsanteil übertragen werden. Das Fruchtgenussrecht als Gegenleistung anzusehen, sei weder in der Absicht des L. noch in der Absicht der Beschwerdeführer gelegen. Verwiesen wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1995, Zl. 94/16/0261, in welchem Unentgeltlichkeit angenommen und die Börsenumsatzsteuerpflicht verneint worden sei. In jenem Fall habe der Geschenkgeber den Geschenknehmern durch Syndikatsvertrag jegliches Stimmrecht genommen, während im vorliegenden Fall zwar kein Stimmrechtsbindungsvertrag bestehe, allerdings L. durch die Mehrheit der Gesellschaftsanteile nach wie vor allein entscheiden könne, in welcher Höhe Gewinnausschüttungen beschlossen würden. Dadurch wäre ein Syndikatsvertrag überflüssig geworden.
Mit Berufungsvorentscheidungen vom 3. Mai 1999 wies das Finanzamt die Berufungen als unbegründet ab und erklärte die angefochtenen Bescheide gemäß § 200 BAO für endgültig. Der auf das zitierte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes gestützten Auffassung der Beschwerdeführer hielt das Finanzamt entgegen, dass hier kein Stimmbindungsvertrag vorliege und dass das Stimmenverhältnis jederzeit durch weitere Maßnahmen, z.B. Kapitalerhöhung, geändert werden könne, sodass der Übergeber der GmbH-Anteile auch in praktischer Hinsicht nicht mehr bestimmend auf die GmbH einwirken könne. Auch könne die am 26. April 1996 beschlossene einfache Mehrheit bei Gewinnausschüttungs- und Verwendungsbeschlüssen jederzeit durch einen anderen Beschluss geändert werden.
In ihren Vorlageanträgen verwiesen die Beschwerdeführer auf den Umstand, dass ohne Zustimmung des Geschenkgebers in der Gesellschaft keinerlei Beschlüsse möglich seien. Eine Erhöhung des Stammkapitals würde nach § 52 GmbHG einen Beschluss auf Abänderung des Gesellschaftsvertrages voraussetzen, der ohne Zustimmung des Geschenkgebers nicht möglich wäre. Der Geschenkgeber könne so lange über die Verwendung der GmbH-Erträgnisse allein entscheiden, so lange er wolle.
Mit den angefochtenen Bescheiden wies die belangte Behörde diese Berufungen als unbegründet ab. Nach dem zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes löse die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH unter Fruchtgenussvorbehalt keine Börsenumsatzsteuer aus, wenn dem Erwerber infolge einer Stimmrechtsbindungsvereinbarung jegliche eigenständige Disposition genommen sei. Nicht entscheidend sei aber für die Frage der Entgeltlichkeit die Absicht der Parteien.
Hier hätten aber die Beschwerdeführer die ihnen abgetretenen Geschäftsanteile mit allen Rechten und Pflichten, die dem Anteilsabtretenden der Gesellschaft gegenüber sowie gegenüber den Mitgesellschaftern zugestanden bzw. oblegen seien, erworben. Sie hätten also nicht ein Objekt erworben, das als "nudum ius" anzusehen wäre. Eine Stimmbindung in gesellschaftsrechtlichem Sinne liege nicht vor. Daher stelle der Vorbehalt der Fruchtnießung ein Entgelt für die Übertragung des Geschäftsanteils dar.
In ihren dagegen erhobenen Beschwerde erachten sich die Beschwerdeführer in ihrem Recht verletzt, dass unentgeltliche Abtretungen von Geschäftsanteilen an einer GmbH nicht der Börsenumsatzsteuer unterlägen. Sie begehrten, die angefochtenen Bescheide wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete zu den drei Beschwerden eine gemeinsame Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen und sachlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und erwogen:
Der Börsenumsatzsteuer unterliegt gemäß § 17 Abs. 1 KVG der Abschluss von Anschaffungsgeschäften über Wertpapiere. Anschaffungsgeschäfte sind nach § 18 Abs. 1 KVG entgeltliche Verträge, die auf den Erwerb des Eigentums an Wertpapieren gerichtet sind.
Im Fall des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. November 1993, Zl. 92/16/0177, war die schenkungsweise Übertragung von stimmrechtslosen Vorzugsaktien durch Eltern an ihre Kinder gegenständlich; die Geschenkgeber blieben Mitglieder des Vorstandes der AG und behielten sich das lebenslängliche und unentgeltliche Fruchtgenussrecht vor. Der Verwaltungsgerichtshof stellte darauf ab, dass in diesem Fall nur das bloße Eigentum an den stimmrechtslosen Aktien übertragen worden sei und daher keine Verpflichtung eingegangen worden sei, durch die Tätigkeit erzielte Erträgnisse an die Übergeber zu überlassen. Für die Übergabe des bloßen Eigentums an den Vorzugsaktien sei von den Beschwerdeführern kein Entgelt erbracht worden.
Im Fall des Erkenntnisses vom 30. August 1995, Zl. 94/16/0261, ging es um die schenkungsweise Übertragung von Gesellschaftsanteilen an einer GesmbH, wobei sich die Geschenkgeber ein lebenslängliches und unentgeltliches Fruchtgenussrecht vorbehielten. Unter einem wurde ein Syndikatsvertrag abgeschlossen, wonach sich die Geschenknehmer verpflichteten, von ihrem Stimmrecht ausnahmslos im gleichen Sinne Gebrauch zu machen, wie einer der Geschenkgeber.
Unter Zitierung des oben genannten Erkenntnisses führte der Verwaltungsgerichtshof dazu aus, dass ein Objekt erworben worden sei, welches als nudum ius anzusehen sei, weil im Wege der Syndikatsvereinbarung zufolge der Stimmbindung an einen der Geschenkgeber von vornherein jegliche eigenständige Disposition über das mit einem Geschäftsanteil an einer GmbH an sich verbundene Stimmrecht genommen worden war. Ausgehend davon wurde auch in jenem Fall die von der Behörde angenommene Entgeltlichkeit abgelehnt.
Mit beiden Erkenntnissen hat sich Achatz ausführlich auseinander gesetzt (Verkehrsteuerliche Konsequenzen der Schenkung von Gesellschaftsanteilen unter Fruchtgenussvorbehalt - Anmerkungen zu VwGH 18. November 1993, 92/16/0177, GesRZ 1995, 81 ff, sowie: Schenkung von GmbH-Anteilen unter Fruchtgenussvorbehalt - VwGH 30. August 1995, 94/16/0261: keine Börsenumsatzsteuerpflicht!, SWK 1995, A 731). Im erstgenannten Aufsatz wirft der Autor die Frage auf, wie der Fall vom 18. November 1993 zu entscheiden gewesen wäre, wenn die Übernehmer zwar nicht über Stimmrechte verfügt hätten, aber zum Vorstand der betreffenden Familien-AG bestellt worden wären; genau dieser Fall liegt hier vor, weil G. Geschäftsführer der Gesellschaft wurde und mit seinem 25 %-Anteil eine Abberufung verhindern kann.
Zu prüfen ist nach Auffassung Achatz', ob die "Gegenleistung" nach dem Willen der Parteien Abgeltung für den Gesellschaftsanteil sein soll oder eher den Charakter einer Belastung trägt, die der Bedachte im eigenen Interesse auf sich nimmt. "Wird etwa ein Gesellschaftsanteil in Vorwegnahme der Erbfolge bereits zu Lebzeiten durch Schenkung übertragen, und behält sich der Geschenkgeber den Fruchtgenuss vor, wendet weder der Beschenkte den Fruchtgenuss für die Erlangung des Anteils auf, noch zielt der Übertragende auf die Erlangung einer Gegenleistung". Dieser Auffassung ist zu folgen, zumal der Verwaltungsgerichtshof in den genannten Erkenntnissen die Bedachtnahme auf den Willen der Parteien nicht ausgeschlossen hat; gerade hier, wenn der Vater einen Teil seines Anteils an seine Kinder überträgt, kann keinesfalls angenommen werden, dass der Fruchtgenuss als Entgelt für die Übertragung der Anteile gedacht ist.
Im vorliegenden Fall zeigen die Beschwerdeführer richtig auf, dass der Abtretende durch seine 55 %-Mehrheit über die Gewinnausschüttung und -verwendung allein dispositionsbefugt ist. Die belangte Behörde hat das Fruchtgenussrecht (also das Ergebnis einer Gewinnausschüttung) als Gegenleistung angesehen und ist damit zu einer Entgeltlichkeit gelangt. Gerade bezüglich der Gewinnausschüttung haben die Erwerber der Gesellschaftsanteile aber keinerlei Disposition erlangt, sondern verbleibt die volle Entscheidungsbefugnis darüber weiterhin beim Abtretenden.
Das vorliegende Vertragswerk ist vielmehr als Schenkung unter Auflage zu beurteilen, bei der die Auflage keine Gegenleistung darstellt, sondern nur der Wert durch die Auflage vermindert wird (Schubert in Rummel I3, § 938 RZ. 8). Daher kommt auch im vorliegenden Fall Entgeltlichkeit als Wesensmerkmal des Anschaffungsgeschäftes nicht in Betracht.
Da die belangte Behörde dies verkannte, belastete sie die angefochtenen Bescheide mit Rechtswidrigkeit ihres Inhaltes. Sie waren gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Juni 2003
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