Normen
EStG 1988 §39 Abs1 idF 1989/660;
EStG 1988;
EStG 1988 §39 Abs1 idF 1989/660;
EStG 1988;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer erklärte für die Streitjahre neben Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit solche aus Kapitalvermögen aus einer Beteiligung als (echter) stiller Gesellschafter in Höhe von jeweils 0 S. Den den Einkommensteuererklärungen angeschlossenen Beilagen war zu entnehmen, dass Kapitalerträgen in Höhe von 7.552,54 S (für 1997) bzw. 16.622,77 S (für 1998) jeweils Werbungskosten (Bankzinsen und Spesen) in gleicher Höhe gegenüber standen.
Bei Festsetzung der Einkommensteuer für die Jahre 1997 und 1998 rechnete das Finanzamt nur die Lohnsteuer, nicht jedoch die von den Gewinnanteilen einbehaltenen Beträge an Kapitalertragsteuer in Höhe von 1.888,10 S (für 1997) bzw. 4.155,69 S (für 1998) auf die Einkommensteuerschuld an.
Der Beschwerdeführer erhob Berufung mit der Begründung, bei den gegenständlichen Einkünften aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter handle sich um keine endbesteuerungsfähigen Kapitalerträge, weshalb die einbehaltene Kapitalertragsteuer auf die Einkommensteuerschuld anzurechnen sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Gemäß § 39 Abs. 1 EStG 1988 seien Einkünfte aus Kapitalvermögen bis zu 300 S bei der Veranlagung außer Ansatz zu lassen und die auf solch geringfügige, außer Ansatz zu lassende Kapitalerträge entfallende Kapitalertragsteuer sei nach § 46 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht auf die veranlagte Einkommensteuer anzurechnen. Da im gegenständlichen Fall die Einkünfte genau 0 S betrügen, lägen sie unter der Freigrenze und seien daher bei der Veranlagung außer Ansatz zu lassen. Folglich könne auch die darauf entfallende Kapitalertragsteuer nicht auf die Einkommensteuer angerechnet werden. Auch wenn man die Einkünfte in der Höhe von 0 S nicht als Überschuss iSd § 39 EStG sähe, ergäbe sich kein anderes Ergebnis. Der Betrag könne jedenfalls nicht als Verlust angesehen werden, da ein Verlust aus einer Beteiligung als stiller Gesellschafter schon gemäß § 27 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht zu berücksichtigen sei. Einkünfte in der Höhe von 0 S seien "wertmäßig" dem Vorliegen keiner Einkünfte gleichzuhalten, was gleichfalls zur Versagung der Anrechnung der von den Kapitalerträgen einbehaltenen Kapitalertragsteuern führen müsse.
Über die dagegen erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
§ 46 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 600/1996 lautet:
"Auf die Einkommensteuerschuld werden angerechnet:
1. Die für den Veranlagungszeitraum festgesetzten Vorauszahlungen,
2. die durch Steuerabzug einbehaltenen Beträge, soweit sie auf veranlagte Einkünfte entfallen, sowie die Abzugsteuer gemäß § 109a.
Eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer ist auch insoweit vorzunehmen, als die Kapitalerträge unter den Veranlagungsfreibetrag nach § 41 Abs. 3 fallen, aber ohne Anwendung des Freibetrages keine oder eine geringere Einkommensteuer zu erheben wäre. Lohnsteuer, die im Haftungsweg (§ 82) beim Arbeitgeber nachgefordert wurde, ist nur insoweit anzurechnen, als sie dem Arbeitgeber vom Arbeitnehmer ersetzt wurde."
§ 39 Abs. 1 EStG 1988 idF BGBl. Nr. 660/1989 lautet:
"Die Einkommensteuer wird nach Ablauf des Kalenderjahres (Veranlagungszeitraumes) nach dem Einkommen veranlagt, das der Steuerpflichtige in diesem Veranlagungszeitraum bezogen hat. Hat der Steuerpflichtige lohnsteuerpflichtige Einkünfte bezogen, so erfolgt eine Veranlagung nur, wenn die Voraussetzungen des § 41 vorliegen. Sind im Einkommen Einkünfte aus Kapitalvermögen enthalten, so bleiben Überschüsse aus dieser Einkunftsart außer Ansatz, wenn sie 300 S nicht übersteigen."
§ 39 Abs. 1 dritter Satz ist gemäß § 41 EStG 1988 auch auf die Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften anzuwenden.
§ 39 Abs. 1 dritter Satz wurde mit BGBl. Nr. 660/1989 eingeführt und sollte nach den Materialien (1162 BlgNR 17. GP 5) zweierlei bewirken: Erstens sollte die Freigrenze der Entkriminalisierung jener Steuerpflichtigen dienen, denen der Veranlagungsfreibetrag mangels lohnsteuerpflichtiger Einkünfte nicht zusteht sowie jener Lohnsteuerpflichtigen, die neben anderen Einkünften auch geringfügige - und damit leicht zu übersehende - Kapitalerträge erzielen. Zweitens sollten damit Verwaltungskosten eingespart werden, weil sonst auch geringste Kapitalertragsteuern aus Sparguthaben (z.B. von Kindern im Rahmen des Schulsparens) durch eine kostenintensive Veranlagung rückzuerstatten wären. Das bei Wirksamkeit der Freigrenze vorgesehene Anrechnungsverbot für Kapitalertragsteuer - so die Materialien weiter - bewirke, dass diese z.B. bei gebundenen Spareinlagen oder bei Wertpapieren in Höhe von maximal 30 S nicht mehr rückzahlbar sei.
Dazu ist zu bemerken, dass im Zeitpunkt der Einführung dieser Bestimmung eine Endbesteuerung bestimmter Kapitalerträge noch nicht vorgesehen war und die Kapitalertragsteuer für Erträge aus Spareinlagen und Wertpapieren 10 % betragen hat. Vor diesem Hintergrund ergibt sich, dass der Gesetzgeber für (geringfügige) Einnahmen aus Kapitalvermögen eine Freigrenze samt Anrechnungsverbot schaffen wollte. Nur wenn die Einnahmen 300 S nicht übersteigen, konnte es zu der in den Materialien angesprochenen "nicht rückzahlbaren Kapitalertragsteuer in Höhe von maximal 30 S" kommen.
Im gegenständlichen Fall hat der Beschwerdeführer nicht endbesteuerungsfähige Kapitalerträge, die einem Kapitalertragsteuerabzug unterlagen, nämlich Einkünfte aus der Beteiligung als echter stiller Gesellschafter (vgl. § 27 Abs. 1 Z 2, § 93 Abs. 2 Z 2 EStG 1988) in Höhe von 7.552,54 S (1997) bzw. 16.622,77 S (1998) erzielt. Nach Abzug von Werbungskosten (Zinsen und Spesen) in eben dieser Höhe ergaben sich (wohl in Anwendung der Bestimmung des zweiten Satzes des § 27 Abs. 1 Z 2 leg.cit.) Einkünfte aus Kapitalvermögen von 0 S. Der Kapitalertragsteuerabzug war nach § 93 Abs. 5 EStG 1988 von den Kapitalerträgen ohne jeden Abzug vorzunehmen.
Bei der Einkommensteuer geht es um die Besteuerung der im Einkommen zu Tage tretenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit (vgl. etwa das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. Mai 2003, 98/14/0065). Die von der belangten Behörde gefundene Interpretation des § 39 Abs. 1 dritter Satz EStG 1988 bewirkt, dass bei Vorliegen hoher Einnahmen verbunden mit entsprechend hohen Werbungskosten Kapitalertragsteuer von erheblich mehr als 30 S (bzw. 75 S unter Zugrundelegung des nunmehrigen Kapitalertragsteuersatzes von 25 %) nicht rückzahlbar (anrechenbar) werden kann. Diese Auslegung führt zu einer sachlich nicht gerechtfertigten Besteuerung gar nicht erzielter Einkünfte (Überschüsse), wobei verschärfend hinzukommt, dass bei geringfügiger Verschiebung der Einnahmen-Ausgaben-Relation zu Gunsten der Einnahmen (somit einer höheren Leistungsfähigkeit des Abgabepflichtigen) eine Anrechnung wiederum möglich würde und die Steuerlast im Ergebnis trotz höherer Leistungsfähigkeit sinken könnte. Um dieses auch verfassungsrechtlich bedenkliche Ergebnis zu vermeiden, ist § 39 Abs. 1 EStG in einer die Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen berücksichtigenden Auslegung so zu verstehen, dass die Freigrenze bei kapitalertragsteuerpflichtigen Einkünften auf die Summe der Einnahmen zu beziehen ist und daher nur Einnahmen unter 300 S außer Ansatz zu bleiben haben (in diesem Sinne auch Lattner/Herzog, Die Anrechnung oder Rückerstattung der Kapitalertragsteuer, RdW 1990, 92 ff, und jeweils zustimmend Quantschnigg/Schuch, aaO, Tz. 7 zu § 39, sowie Wiesner/Atzmüller/Grabner/Leitner/Wanke, EStG, Anm. 15 zu § 39).
Daraus folgt, dass die belangte Behörde die Anrechnung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer gemäß § 46 Abs. 1 Z 2 EStG 1988 nicht hätte versagen dürfen. Indem die belangte Behörde dies getan hat, hat sie den Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet. Der angefochtene Bescheid war sohin gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Umrechnung der entrichteten Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z 2 EuroG, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 24. Juni 2003
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)