VwGH 2000/09/0181

VwGH2000/09/018127.3.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke und Dr. Blaschek als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Hanslik, über die Beschwerde der E Gesellschaft mbH in W, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49, gegen den Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 31. August 2000, Zl. 10/13113/198.8002/2000, betreffend Nichterteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4c Abs. 1 AuslBG, zu Recht erkannt:

Normen

61989CJ0292 Antonissen VORAB;
61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §4c Abs1 idF 1997/I/078;
61989CJ0292 Antonissen VORAB;
61995CJ0171 Recep Tetik VORAB;
ARB1/80 Art6 Abs1;
ARB1/80 Art7;
AuslBG §4c Abs1 idF 1997/I/078;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat dem Arbeitsmarktservice Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin stellte am 30. Juni 2000 an das Arbeitsmarktservice Metall-Chemie Wien den Antrag auf Ausstellung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4c Abs. 1 des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) für den türkischen Staatsangehörigen A O für die berufliche Tätigkeit als Lüftungsspengler. In diesem Antrag erklärte die Beschwerdeführerin unter anderem - ohne Angabe einer Begründung -, dass sie die Vermittlung von Ersatzkräften nicht wünsche.

Mit Bescheid dieser Behörde vom 12. Juli 2000 wurde dieser Antrag gemäß § 4 Abs. 6 Z 3 AuslBG abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen Berufung und führte darin im Wesentlichen aus, es sei kein Parteiengehör gewährt worden. Der beantragte Dienstnehmer sei (mit einer Arbeitserlaubnis) von November 1989 bis Juni 1994 in Österreich tätig gewesen; er habe wegen Absolvierung seiner Wehrpflicht in die Türkei zurückkehren müssen. In ihrer Stellungnahme vom 23. August 2000 brachte die Beschwerdeführerin neuerlich vor, dass der beantragte Dienstnehmer in Österreich über einen längeren Zeitraum seit November 1989 bei verschiedenen Firmen tätig gewesen sei.

Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 31. August 2000 wurde der erstinstanzliche Bescheid vom 12. Juli 2000 gemäß § 66 Abs. 4 AVG ersatzlos behoben (Spruchpunkt 1) und der Antrag der Beschwerdeführerin auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 4c Abs. 1 und § 4 Abs. 1 AuslBG abgewiesen (Spruchpunkt 2).

Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen damit, der beantragte Dienstnehmer weise Vorbeschäftigungen auf, er sei jedoch bisher nicht von der Beschwerdeführerin beschäftigt worden. Das letzte Dienstverhältnis des beantragten Dienstnehmers sei am 10. Juni 1994 beendet worden; seit diesem Zeitpunkt sei er nicht in Österreich beschäftigt worden. Der Tatbestand des Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/80 sei demnach nicht erfüllt. Es sei auch der Tatbestand des Art. 7 des ARB Nr. 1/80 nicht erfüllt, zumal die (bzw. eine) Ehegattin des beantragten Dienstnehmers nicht in Österreich lebe. Im Normalverfahren sei die beantragte Beschäftigungsbewilligung gemäß § 4 Abs. 1 AuslBG deshalb abzulehnen, weil die Beschwerdeführerin schon im Antrag die Vermittlung von Ersatzarbeitskräften abgelehnt habe und überdies deshalb, weil die Ersatzstellung inländischer und ausländischer Lüftungsspengler aus dem Personenkreis der Z 1 bis Z 3 des § 4b Abs. 1 AuslBG möglich sei und diese Personen der beantragten Arbeitskraft im Rang vorgingen. Der beantragte Dienstnehmer, der seit 1989 in Österreich sei, könne nämlich nur dem Personenkreis der Z 4 lit. b in § 4b Abs. 1 AuslBG zugezählt werden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht auf Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach dem AuslBG für die beantragte ausländische Arbeitskraft verletzt. Sie beantragt den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Der § 4c AuslBG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 78/1997 lautet:

"(1) Für türkische Staatsangehörige ist eine Beschäftigungsbewilligung von Amts wegen zu erteilen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 erster und zweiter Unterabsatz oder nach Art. 7 erster Unterabsatz oder nach Art. 7 letzter Satz oder nach Artikel 9 des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei - ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

(2) Türkischen Staatsangehörigen ist von Amts wegen ein Befreiungsschein auszustellen oder zu verlängern, wenn sie die Voraussetzungen nach Art. 6 Abs. 1 dritter Unterabsatz oder nach Art. 7 zweiter Unterabsatz des ARB Nr. 1/1980 erfüllen.

(3) Die Rechte türkischer Staatsangehöriger auf Grund der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes bleiben unberührt. Für die Verfahrenszuständigkeit und die Durchführung der Verfahren gemäß Abs. 1 und 2 gelten, soweit dem nicht Bestimmungen des ARB Nr. 1/1980 entgegenstehen, die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes."

Art. 6 und Art. 7 Satz 1 (Abs. 1) des Beschlusses des Assoziationsrates EWG-Türkei vom 19. September 1980, Nr. 1/80 (ARB Nr. 1/80), lauten:

"Artikel 6

(1) Vorbehaltlich der Bestimmungen in Art. 7 über den freien

Zugang der Familienangehörigen zur Beschäftigung hat der türkische

Arbeitnehmer, der dem regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates

angehört, in diesem Mitgliedstaat

- nach einem Jahr ordnungsgemäßer Beschäftigung

Anspruch auf Erneuerung seiner Arbeitserlaubnis bei dem gleichen

Arbeitgeber, wenn er über einen Arbeitsplatz verfügt;

- nach drei Jahren ordnungsgemäßer Beschäftigung -

vorbehaltlich des den Arbeitnehmer aus den Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs - das Recht, sich für den gleichen Beruf bei einem Arbeitgeber seiner Wahl auf ein unter normalen Bedienungen unterbreitetes und bei den Arbeitsämtern dieses Mitgliedstaates eingetragenes anderes Stellenangebot zu bewerben;

(2) Der Jahresurlaub und die Abwesenheit wegen Mutterschaft, Arbeitsunfall oder kurzer Krankheit werden den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt. Die Zeiten unverschuldeter Arbeitslosigkeit, die von den zuständigen Behörden ordnungsgemäß festgestellt worden sind, sowie die Abwesenheit wegen langer Krankheit werden zwar nicht den Zeiten ordnungsgemäßer Beschäftigung gleichgestellt, berühren jedoch nicht die Aufgrund der vorherigen Beschäftigungszeit erworbenen Ansprüche.

(3) Die Einzelheiten der Durchführung der Absätze 1 und 2 werden durch einzelstaatliche Vorschriften festgelegt.

Artikel 7

Die Familienangehörigen eines dem regulären Arbeitsmarkt

eines Mitgliedstaates angehörenden türkischen Arbeitnehmers, die

die Genehmigung erhalten haben, zu ihm zu ziehen

- haben vorbehaltlich des den Arbeitnehmern aus den

Mitgliedstaaten der Gemeinschaft einzuräumenden Vorrangs das

Recht, sich auf jedes Stellenangebot zu bewerben, wenn sie dort

seit mindestens drei Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben;

- haben freien Zugang zu jeder von ihnen gewählten

Beschäftigung im Lohn- oder Gehaltsverhältnis, wenn sie dort seit mindestens fünf Jahren ihren ordnungsgemäßen Wohnsitz haben."

Die Beschwerdeführerin hält den angefochtenen Bescheid deswegen für rechtswidrig, weil der beantragte Dienstnehmer in den Jahren 1989 bis 1994 als Lüftungsspengler beschäftigt worden sei und demnach die Voraussetzungen einer dreijährigen ordnungsgemäßen Vorbeschäftigung im Sinne des Art. 6 Abs. 1 erster Unterabsatz ARB Nr. 1/80 erfülle.

Mit ihrem Vorbringen zeigt die Beschwerdeführerin keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.

Wie der EuGH in seinem Urteil vom 23. Jänner 1997 in der Rechtssache C-171/95 , Recep Tetik gegen Land Berlin, ausführte, ist die Voraussetzung der Zugehörigkeit zum regulären Arbeitsmarkt eines Mitgliedstaates nämlich grundsätzlich nur dann weiterhin gegeben, wenn der Betroffene alle Formalitäten erfüllt, die im betreffenden Mitgliedstaat gegebenenfalls vorgeschrieben sind, etwa in dem er sich als Arbeitssuchender meldet und der Arbeitsverwaltung dieses Mitgliedstaates während des dort vorgeschriebenen Zeitraums zur Verfügung steht. Mit diesem Erfordernis lässt sich gewährleisten, dass der türkische Staatsangehörige innerhalb des angemessenen Zeitraums, der ihm zur Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses einzuräumen ist, sein Aufenthaltsrecht in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht missbraucht, sondern tatsächlich eine neue Beschäftigung sucht. Es ist Sache des betreffenden Mitgliedstaates und beim Fehlen entsprechender Rechtsvorschriften die des angerufenen nationalen Gerichts, einen solchen angemessenen Zeitraum festzulegen, der lang genug sein muss, um die tatsächlichen Chancen des Betroffenen, eine neue Beschäftigung zu finden, nicht zu beeinträchtigen (vgl. die Randnummern 41, 42 und 48 des genannten Urteils; und das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 99/09/0179).

Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass der beantragte türkische Dienstnehmer den österreichischen Arbeitsmarkt schon im Jahr 1994 verlassen hat und seither in Österreich nicht beschäftigt wurde. Bis zur Entscheidung der belangten Behörde (zugestellt im September 2000) war ein Zeitraum von mehr als 6 Jahren vergangen, in dem der Beschwerdeführer keine neue Arbeitsstelle gefunden hatte. Damit war aber - ungeachtet des Umstandes, dass der beantragte türkische Arbeitnehmer seit dem Beitritt Österreichs zur Europäischen Union mit 1. Jänner 1995 überhaupt keine Beschäftigungszeiten aufweist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 31. Jänner 2001, Zl. 99/09/0131, und die darin angegebene Judikatur) - jedenfalls ein Zeitraum überschritten, der einem türkischen Arbeitnehmer (nach Wirksamwerden des ARB Nr. 1/80 durch den Beitritt Österreichs zur Europäischen Union) im Sinne des Urteiles des EuGH im Fall Tetik (Randnummer 46) vernünftigerweise einzuräumen gewesen wäre, um eine neue Beschäftigung zu finden. Dies insbesondere auch vor dem Hintergrund, dass für Angehörige aus Mitgliedstaaten der Gemeinschaft ein der Stellensuche dienender Zeitraum von sechs Monaten als grundsätzlich ausreichend anzusehen ist und nur für den Fall, dass der Betroffene nach Ablauf dieses Zeitraumes den Nachweis erbringt, er suche weiterhin mit begründeter Aussicht auf Erfolg Arbeit, ihm eine weiteres Aufenthaltsrecht zugebilligt wird (vgl. hiezu das Urteil des EuGH vom 26. Februar 1991, in der Rechtssache C-292/89 , The Queen gegen Immigration Appeal Tribunal Ex Parte Gustaff Desiderius Antonissen, Sammlung der Rechtsprechung 1991 Seite I-0745, Randnummer 21).

Die Beschwerdeführerin hat somit unberücksichtigt gelassen, dass eine in der Vergangenheit allenfalls gegeben gewesene Zugehörigkeit eines türkischen Arbeitnehmers zum regulären Arbeitsmarkt - ohne dass dies vorliegend allerdings für den beantragten Dienstnehmer geprüft werden muss - nicht auf Dauer (unbestimmte Zeit) die Zugehörigkeit zum Arbeitsmarkt dieses Mitgliedstaates bewirkt. Es war daher nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde schon unter Berücksichtigung dieses unbestrittenen Sachverhaltes, dass der beantragte türkische Dienstnehmer seit dem Jahr 1994 nicht beschäftigt war und Leistungen aus dem Versicherungsfall der Arbeitslosigkeit, der Krankheit oder Invalidität nicht bezogen hat und auch nicht als arbeitssuchend zum Zwecke der Arbeitsvermittlung vorgemerkt war, im Beschwerdefall zu dem Ergebnis gelangte, der beantragte türkische Dienstnehmer erfülle die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4c Abs. 1 AuslBG nicht. Andere Umstände, aus denen sich die Erfüllung der Voraussetzungen des § 4c Abs. 1 AuslBG ergeben könnte, sind dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht zu entnehmen (vgl. das genannte Erkenntnis Zl. 99/09/0179, und die darin angegebene Judikatur).

Soweit in der Beschwerde auf die Voraussetzungen nach § 4 Abs. 6 Z 3 lit. b AuslBG verwiesen wird, geht dieses Vorbringen jedenfalls an dem von der belangten Behörde gebrauchten Ablehnungsgrund des § 4 Abs. 1 AuslBG vorbei. Dass sie in ihrem Antrag ohne Angabe von Gründen die Vermittlung von Ersatzkräften abgelehnt hat, bestreitet die Beschwerdeführerin nicht. Es war daher - ohne dass das Vorhandensein von Ersatzkräften aus dem Personenkreis der Z 1-3 des § 4b Abs. 1 AuslBG geprüft werden muss - nicht rechtswidrig, wenn die belangte Behörde die Erteilung einer Beschäftigungsbewilligung nach § 4 Abs. 1 AuslBG abgelehnt hat (vgl. hiezu etwa das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 2002, Zl. 99/09/0093).

Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit § 41 AMSG und der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 27. März 2003

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