VwGH 99/11/0043

VwGH99/11/004329.4.2003

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des Dr. J in L, vertreten durch Dr. Josef Broinger und Dr. Johannes Hochleitner, Rechtsanwälte in 4070 Eferding, Kirchenplatz 8, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 10. Dezember 1998, Zl. SanRL-51708/24-1998-K/Sa, betreffend Errichtungsbewilligung für eine private Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums, zu Recht erkannt:

Normen

KAG OÖ 1997 §2 Z7;
KAG OÖ 1997 §5 Abs1 Z1;
KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
KAG OÖ 1997 §50 Abs1;
KAG OÖ 1997 §50 Abs2;
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita idF 1995/009;
KAG Wr 1987 §4;
KAG Wr 1987 §42 Abs1 litc;
KAG Wr 1987 §5;
KAG Wr 1987 §7 Abs4;
SpitalG Vlbg 1990 §11 Abs1;
SpitalG Vlbg 1990 §3 litg;
VwGG §42 Abs2 Z1;
KAG OÖ 1997 §2 Z7;
KAG OÖ 1997 §5 Abs1 Z1;
KAG OÖ 1997 §5 Abs2;
KAG OÖ 1997 §50 Abs1;
KAG OÖ 1997 §50 Abs2;
KAG Wr 1987 §4 Abs2 lita idF 1995/009;
KAG Wr 1987 §4;
KAG Wr 1987 §42 Abs1 litc;
KAG Wr 1987 §5;
KAG Wr 1987 §7 Abs4;
SpitalG Vlbg 1990 §11 Abs1;
SpitalG Vlbg 1990 §3 litg;
VwGG §42 Abs2 Z1;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer beantragte mit Schriftsatz vom 11. Juli 1997 die Bewilligung zur Errichtung einer Tagesklinik zur Durchführung tageschirurgischer Eingriffe.

Dieser Antrag wurde von der Oberösterreichischen Landesregierung mit Bescheid vom 10. Dezember 1998 gemäß § 4 in Verbindung mit § 5 Abs. 1 und 2 und § 2 Z. 7 des O.ö. Krankenanstaltengesetzes 1997 (O.ö. KAG 1997) abgewiesen. In der Begründung führte die Oberösterreichische Landesregierung aus, dem Ansuchen des Beschwerdeführers zufolge sollten in sämtlichen chirurgischen Fächern Leistungen erbracht werden. In Ergänzung seines Antrages habe der Beschwerdeführer eine gutachterliche Stellungnahme der K. GmbH vorgelegt, in der ausgeführt werde, dass ambulantes Operieren in Oberösterreich eher die Ausnahme darstelle, bei vorsichtiger Schätzung ein Bedarf von 60.000 ambulanten Operationen in Oberösterreich pro Jahr bestehe und durch die beantragte Tagesklinik eine Wettbewerbssituation gegenüber den bestehenden Einrichtungen geschaffen werde. Nach der Wiedergabe der maßgeblichen Vorschriften führte die Oberösterreichische Landesregierung aus, auf Grund des § 5 Abs. 2 O.ö. KAG 1997 sei bei der Bedarfsprüfung das Versorgungsangebot der bestehenden öffentlichen Krankenanstalten und damit im Zusammenhang stehend ihre mögliche Konkurrenzierung zu prüfen. Die im beantragten Ambulatorium geplanten Operationen sämtlicher chirurgischer Fächer würden zurzeit von den öffentlichen Krankenanstalten in Linz durchgeführt. Im Jahr 1997 seien in Oberösterreich über 100.000 Personen in öffentlichen Krankenanstalten operiert worden. Davon seien ca. 95.000 auf stationäre und ca. 5.300 auf tagesklinische Patienten entfallen. Durch die Kapazitäten der beantragten Tagesklinik seien insofern Auswirkungen auf die öffentlichen Krankenanstalten zu erwarten, als Operationen, die bisher im Rahmen eines stationären Aufenthaltes durchgeführt wurden, nunmehr in der Tagesklinik erbracht werden könnten, was zu einer geringeren Auslastung der in öffentlichen Krankenanstalten vorgehaltenen Betten und OP-Kapazitäten führen würde. Diese Konkurrenzierung werde vom Beschwerdeführer mehrmals ausdrücklich zugegeben. Darüber hinaus wäre auch ein Rückgang der Zahl der tagesklinischen Operationen in den öffentlichen Krankenanstalten, insbesondere in Linz, zu erwarten. Auf Grund des Subsidiaritätscharakters der Ambulanzen öffentlicher Krankenanstalten gegenüber den privaten selbständigen Ambulatorien werde in Entsprechung der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes diese Konkurrenzierung bei der Verneinung des Bedarfs nicht berücksichtigt. Da jedoch eine Auswirkung auf den stationären Bereich gegeben sei und die vorhandenen Kapazitäten in den öffentlichen Krankenanstalten für die Sicherstellung einer erschwinglichen medizinischen Versorgung der Bevölkerung ausreichen und erhalten werden müssten, werde von der Behörde ein zusätzlicher Bedarf an OP-Einrichtungen im Rahmen einer Tagesklinik als nicht gegeben erachtet.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das O.ö. KAG 1997 in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 11/1998 maßgeblich. Die einschlägigen Bestimmungen lauten (auszugsweise):

"§ 2

Einteilung

Krankenanstalten im Sinn des § 1 Abs. 1 und 2 sind:

...

7. Selbstständige Ambulatorien (Röntgeninstitute, Zahnambulatorien und ähnliche Einrichtungen), das sind organisatorisch selbstständige Einrichtungen, die der Untersuchung oder Behandlung von Personen dienen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen. Der Verwendungszweck eines selbstständigen Ambulatoriums erfährt dann keine Änderung, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist.

...

§ 4

Errichtungsbewilligung

(1) Die Errichtung einer Krankenanstalt bedarf einer Bewilligung der Landesregierung.

...

§ 5

Bewilligungsvoraussetzungen

(1) Die Errichtungsbewilligung ist, soweit in Abs. 4 nicht anderes bestimmt ist, zu erteilen, wenn

1. ein Bedarf im Sinn des Abs. 2 gegeben ist,

...

(2) Der Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot ist unter Beachtung der Höchstzahl der systemisierten Betten nach dem O.ö. Krankenanstaltenplan (§ 39 Abs. 4) im Hinblick auf das in angemessener Entfernung bereits bestehende Versorgungsangebot öffentlicher, privater gemeinnütziger und sonstiger Krankenanstalten mit Kassenverträgen sowie bei Errichtung einer Krankenanstalt in der Betriebsform eines selbstständigen Ambulatoriums auch im Hinblick auf das Versorgungsangebot durch niedergelassene Kassenvertragsärzte, kasseneigene Einrichtungen und Vertragseinrichtungen der Kassen, bei Zahnambulatorien auch im Hinblick auf niedergelassene Dentisten mit Kassenvertrag, zu beurteilen. ...

...

§ 50

Ambulante Untersuchungen und Behandlungen

(1) In öffentlichen Krankenanstalten der in § 2 Z. 1 und 2 bezeichneten Art sind Personen, die einer Aufnahme in Anstaltspflege nicht bedürfen, ambulant zu untersuchen oder zu behandeln, wenn es

  1. 1. zur Leistung erster ärztlicher Hilfe oder
  2. 2. zur Behandlung nach erster ärztlicher Hilfe oder in Fortsetzung einer in der Krankenanstalt erfolgten Pflege, die im Interesse des Behandelten in derselben Krankenanstalt durchgeführt werden muss, oder

    3. über ärztliche Zuweisung zur Anwendung von Untersuchungs- und Behandlungsmethoden mit solchen Behelfen, die außerhalb der Anstalt in angemessener Entfernung vom Wohnort des Patienten nicht in geeigneter Weise oder nur in unzureichendem Ausmaß zur Verfügung stehen, oder

    ...

    notwendig ist.

    ..."

    2. Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides erkennen lässt, hat die belangte Behörde das Versorgungsangebot der Ambulanzen öffentlicher Krankenanstalten in die Bedarfsprüfung nicht einbezogen. Diese Vorgangsweise ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht zu beanstanden (es genügt hiebei, auf das zum O.ö. KAG 1997 ergangene hg. Erkenntnis vom 25. August 1998, Zl. 98/11/0111, zu verweisen).

    Die Verneinung eines Bedarfs nach einer Krankenanstalt (mit dem Versorgungsangebot, das der Beschwerdeführer in Aussicht nimmt) wird von der belangten Behörde im Wesentlichen damit begründet, dass auf diese Weise das Versorgungsangebot öffentlicher Krankenanstalten hinsichtlich Operationen, die im Rahmen eines stationären Aufenthaltes durchgeführt werden, konkurrenziert würde. Die belangte Behörde geht damit erkennbar (ebenso wie in ihrer Gegenschrift) von der Rechtsansicht aus, das "stationäre" Versorgungsangebot öffentlicher Krankenanstalten sei in die Bedarfsprüfung hinsichtlich einer beantragten Tagesklinik einzubeziehen. Mit dieser Auffassung verkennt die belangte Behörde die Rechtslage.

    Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 12. Oktober 1999, Zl. 99/11/0191, zum Vorarlberger Spitalsgesetz Folgendes ausgeführt:

    "Dazu kommt, dass die belangte Behörde mit ihrer Aussage, tageschirurgische Leistungen seien nur dem stationären Bereich zuzurechnen und in den ambulanten Bereich fielen nur Fälle, in denen 'der Patient nach Beendigung der ambulanten Behandlung ohne Weiteres die Einrichtung verlassen kann', die gesetzliche Bestimmung des Begriffes 'selbständiges Ambulatorium' in § 3 lit. g Vlbg. SpitalG nicht beachtet, wonach 'der Verwendungszweck ... dann keine Änderung' erfährt, 'wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist'. Die von ihr getroffene Unterscheidung von tageschirurgischen und ambulanten Behandlungen beruht offenbar auf - hier nicht anzuwendenden - Bestimmungen über die Abrechnung der Kosten des Betriebes von Krankenanstalten zwischen deren Trägern und den Trägern der Sozialversicherung."

    Diese Judikatur ist auf das - im hier maßgeblichen Umfang - im Wesentlichen gleich lautende O.ö. KAG 1997 zu übertragen. Gemäß § 5 Abs. 2 erster Satz O.ö. KAG 1997 ist der Bedarf nach einer Krankenanstalt mit dem angegebenen Anstaltszweck und dem in Aussicht genommenen Leistungsangebot zu beurteilen. Im Beschwerdefall handelt es sich unstrittig um das Angebot tageschirurgischer Eingriffe. Solche sind im Hinblick auf § 2 Z. 7 letzter Satz O.ö. KAG 1997, wonach der Verwendungszweck eines selbständigen Ambulatoriums dann keine Änderung erfährt, wenn dieses Ambulatorium über eine angemessene Zahl von Betten verfügt, die für eine kurzfristige Unterbringung zur Durchführung ambulanter diagnostischer und therapeutischer Maßnahmen unentbehrlich ist, im Lichte des zitierten hg. Erkenntnisses vom 12. Oktober 1999 als ambulante Behandlungen zu qualifizieren. Damit scheidet aber eine Einbeziehung des "stationären" Versorgungsangebots öffentlicher Krankenanstalten in die Bedarfsprüfung aus.

    Die belangte Behörde wird im fortgesetzten Verfahren bei der Beurteilung der Frage, ob die geplante Einrichtung geeignet ist, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung wesentlich zu erleichtern bzw. zu fördern, ob also von einem Bedarf im Sinne des Gesetzes die Rede sein kann, zu prüfen haben, von welcher Anzahl tageschirurgischer Eingriffe im maßgeblichen Einzugsgebiet auszugehen ist, die in einschlägigen Facharztordinationen nicht mehr mit einem vertretbaren Risiko vorgenommen werden können, bei denen es aber einer Aufnahme in (stationäre) Anstaltspflege nicht bedarf. Sollte es sich dabei um eine vernachlässigbare Größe handeln, wird ein Bedarf schon deshalb zu verneinen sein (vgl. hiezu die zum Wiener Krankenanstaltengesetz ergangenen hg. Erkenntnisse vom 26. März 1998, Zl. 96/11/0090, und vom 27. Juni 2000, Zl. 99/11/0310). Andernfalls kommt es darauf an, ob der Bedarf bereits durch andere im Einzugsbereich des geplanten Ambulatoriums bestehende, mit diesem vergleichbare Einrichtungen im Sinne des § 5 Abs. 2 erster Satz O.ö. KAG 1997 (mit Ausnahme der Anstaltsambulatorien öffentlicher Krankenanstalten) hinreichend gedeckt ist (dazu fehlen im angefochtenen Bescheid jegliche Ermittlungen und darauf beruhende Feststellungen).

    Aus diesen Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

    3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001, BGBl. II Nr. 501.

    Wien, am 29. April 2003

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