Normen
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
AVG §71 Abs1 Z1;
VwGG §46 Abs1;
Spruch:
Dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird stattgegeben.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 8. April 2002 wurde die Berufung des Antragstellers gegen den seinen Asylantrag abweisenden Bescheid vom 20. Dezember 2000 abgewiesen und die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Antragstellers nach Bangladesch als zulässig festgestellt.
Gegen diesen Bescheid erhob der Antragsteller durch seinen mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien bestellten Verfahrenshelfer fristgerecht Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof, welcher jedoch Mängel im Sinne der §§ 28 f VwGG anhafteten, weil eine Kopie des angefochtenen Bescheids sowie eine dritte, für den Bundesminister für Inneres bestimmte Beschwerdeausfertigung fehlten. Der Verwaltungsgerichtshof setzte dem Antragsteller mit Verfügung vom 14. Juni 2002 eine Frist von zwei Wochen zur Behebung dieser Mängel; die eingebrachte Beschwerde wurde an den Vertreter des Antragstellers zurückgestellt. Der Antragsteller kam dieser Aufforderung nicht vollständig nach, weil innerhalb der zur Behebung der Mängel gesetzten Frist ein Schriftsatz vom 27. Juni 2002 beim Verwaltungsgerichtshof einlangte, mit welchem zwar die ursprüngliche Beschwerde, aber weder eine Bescheidkopie noch eine dritte Beschwerdeausfertigung vorgelegt wurden.
Da die Versäumung der Mängelbehebungsfrist gemäß § 34 Abs. 2 VwGG als Zurückziehung der Beschwerde gilt, wurde das Verfahren mit hg. Beschluss vom 18. Juli 2002, Zl. 2002/20/0309, gemäß § 33 Abs. 1 zweiter Satz VwGG eingestellt.
Gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung richtet sich der vorliegende, am 27. August 2002 zur Post gegebene Wiedereinsetzungsantrag, mit dem eine Kopie des angefochtenen Bescheides und eine dritte Beschwerdeausfertigung sowie eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten BR vorgelegt wurden. Zur Begründung seines Wiedereinsetzungsantrages bringt der Antragsteller vor, dass ihm der Einstellungsbeschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 18. Juli 2002 am 13. August 2002 zugestellt worden sei und er erst mit Zustellung dieses Beschlusses davon Kenntnis erhalten habe, dass seinem fristgerecht eingebrachten Mängelbehebungsschriftsatz vom 27. Juni 2002 irrtümlich die in diesem Schriftsatz angeführten Beilagen (Bescheidkopie und eine dritte Beschwerdeausfertigung) nicht beigelegt waren.
Zur Begründung des - fristgerechten - Wiedereinsetzungsantrages bringt der Beschwerdeführer sodann Folgendes vor:
"Bei der Unterfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes durch den bestellten Verfahrenshelfer lagen diese Urkunden (neben der zurückgestellten Beschwerde) bei. Nach entsprechender Kontrolle und Unterfertigung des Mängelbehebungsschreibens wurde dieses samt Beilagen zwecks Kuvertierung und Postabfertigung an Frau BR übergeben.
Es handelt sich bei Frau BR um eine langjährige, äußerst sorgfältige Angestellte des bestellten Verfahrenshelfers, der anlässlich der Kuvertierung das Versehen unterlaufen ist, die Bescheidkopie sowie die zusätzliche Beschwerdeausfertigung nicht beizulegen. Es handelt sich um das erste derartige Versehen, das Frau BR unterlaufen ist.
Der Antragstellervertreter konnte sich, zumal es sich bei Frau BR um eine geradezu penible Angestellte handelt, darauf verlassen, dass die im Mängelbehebungsschreiben ausdrücklich in übersichtlicher Weise angeführten Beilagen, die anlässlich der Unterschriftsleistung auch angeschlossen waren, auch abgefertigt werden. Es begründet jedenfalls kein - dem Beschwerdeführer zurechenbares - Verschulden, das über einen minderen Grad des Versehens hinaus ginge, wenn der Rechtsanwalt nicht auch noch die näheren Umstände der Postabfertigung überwacht, sodass ihm das Zurückbleiben der Beilagen in der Kanzlei entging (...) Der Beschwerdeführer hat somit durch ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis die mit Verfügung vom 14.06.2002 gesetzte Frist versäumt, wodurch ihm ein Rechtsnachteil durch Einstellung des Verfahrens und der Versagung des ihm zustehenden Rechtsschutzes entstand."
Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.
Der Verwaltungsgerichtshof vertritt in ständiger Rechtsprechung die Auffassung, dass ein Verschulden des Parteienvertreters einem Verschulden der Partei selbst gleichzusetzen ist. Dies gilt auch für den bestellten Verfahrenshelfer (vgl. z.B. den hg. Beschluss vom 16. Mai 2002, Zlen. 2002/20/0182, 0183). Die Bewilligung der Wiedereinsetzung kommt somit im Hinblick auf die Bestimmung des § 46 Abs. 1 zweiter Satz VwGG nur in Betracht, wenn dem Antragsteller und seinem Vertreter kein Versehen oder nur ein minderer Grad des Versehens angelastet werden kann. Ein Versehen einer Kanzleikraft ist dem Rechtsanwalt nur dann als Verschulden anzulasten, wenn er die gebotene und ihm zumutbare Kontrolle gegenüber der Kanzleikraft unterlassen hat (vgl. u.a. den hg. Beschluss vom 15. Oktober 1998, Zl. 97/18/0512).
Der Verwaltungsgerichtshof hat keinen Grund, an den durch eine eidesstattliche Erklärung der Kanzleiangestellten BR belegten Angaben des Antragstellervertreters im Wiedereinsetzungsantrag zu zweifeln. Demnach hat der Vertreter des Antragstellers bei Unterfertigung des Mängelbehebungsschriftsatzes vom 27. Juni 2002 kontrolliert, dass die in diesem Schriftsatz im Einzelnen angeführten Beilagen (Bescheidkopie und eine dritte Beschwerdeausfertigung) dem Schriftsatz beigelegen sind. Durch die Kontrolle der Beilagen bei Unterfertigung und die anschließende Übergabe des Schriftsatzes an eine dem Rechtsanwalt als zuverlässig bekannte, mit der Postabfertigung vertraute, langjährige Kanzleiangestellte hat jener seiner anwaltlichen Sorgfaltspflicht entsprochen. Dass der Rechtsanwalt die sonst verlässliche, langjährige Kanzleikraft nach der Übergabe der Poststücke bei der Kuvertierung und Postabfertigung nicht in jedem Fall persönlich überwacht, ist keine Verletzung der anwaltlichen Sorgfaltspflicht (vgl. etwa den bereits angeführten hg. Beschluss vom 15. Oktober 1998). Das Zurückbleiben der Beilagen bei der Postabfertigung ist daher ein unvorhergesehenes und unabwendbares Ereignis, an welchem den Vertreter des Antragstellers kein die Bewilligung der Wiedereinsetzung hinderndes Verschulden trifft.
Somit war dem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 1 lit. e VwGG gebildeten Senat stattzugeben. Bei diesem Ergebnis ist nunmehr das Verfahren über die zur Zl. 2002/20/0309 eingebrachte Beschwerde fortzusetzen.
Wien, am 12. September 2002
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)