Normen
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §6 Z3;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;
FrG 1997 §57;
Spruch:
Der Spruchpunkt II. des obgenannten Bescheides wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger des Iran und nach seinen Angaben assyrischer Christ, reiste gemeinsam mit seiner Mutter und seinem minderjährigen Sohn am 5. August 1999 (nach seinen ursprünglichen Aussagen mittels Lkw) in das Bundesgebiet ein und ersuchte um Asyl. Diesen Antrag begründete er vor dem Bundesasylamt damit, dass er im Jahr 1999 als Buschauffeur einen ihm bekannten Priester mitgenommen habe, von dem er einige Kreuze und Heiligenbilder erhalten und die er im Bus aufgehängt habe. Als ihn später andere Mitfahrende nach den Heiligenbildern gefragt hätten, habe er ihnen unter Hinweis darauf, dass er Christ sei, die Bilder erklärt. Auch habe er ihnen Bilder und Kreuze, die ihm der Priester gegeben habe, überlassen. Als sie ihn nach einer Kirche gefragt hätten, in die sie gehen könnten, habe ihnen der Beschwerdeführer die Philadelphia-Kirche in Teheran genannt. Etwa zwei Wochen später sei er zu einem Sicherheitskommitee gebracht worden, wo er drei Tage inhaftiert, geschlagen und ihm vorgeworfen worden sei, dass er für den christlichen Glauben werben würde. Man habe ihm gesagt, dass Leute, die Propaganda für den christlichen Glauben betrieben, umgebracht würden. Ein Bekannter seines Schwiegervaters, der Mitglied des Sicherheitskommitees sei, habe die Freilassung des Beschwerdeführers veranlasst, diesem aber geraten, den Iran zu verlassen, weil er der Propaganda für den christlichen Glauben beschuldigt werde. Bei dieser Einvernahme vor dem Bundesasylamt legte der Beschwerdeführer seine Taufbestätigung über seine im September 1964 erfolgte Taufe nach chaldäischkatholischem Ritus vor.
Nachdem dem Beschwerdeführer am 2. Februar 2000 die Aussage seiner Mutter vorgehalten worden war, gab er an, legal im Flugzeug nach Europa gereist zu sein. Er habe befürchtet, zurückgeschoben zu werden, wenn er die Wahrheit sage.
Am 17. April 2000 zog der Beschwerdeführer seinen Asylantrag zurück und führte aus, dass er beim US-Konsulat in Wien einen Antrag auf Auswanderung in die USA gestellt habe.
Am 3. Juli 2000 stellte der Beschwerdeführer erneut einen Asylantrag und wies zunächst darauf hin, dass "alles, was ich bis jetzt gesagt habe, erlogen war". Er habe bei seinen bisherigen Angaben über Ratschlag eines Bekannten "Vieles nicht gesagt, Verhaftungen, Probleme bei der Arbeitsstelle usw.". Gefragt nach den Änderungen seines Vorbringens gab der Beschwerdeführer an, er sei im Juli 1999 drei Tage lang inhaftiert gewesen, weil er Bibeln an die Arbeitsstelle für seine Kollegen mitgenommen habe. Nachdem er habe unterschreiben müssen, dass er den Islam beschimpft habe, habe man ihn freigelassen und ihm eine Ladung vor das Gericht angekündigt. Ein Bekannter habe ihm gesagt, er hätte eine schwere Strafe bzw. die Verurteilung zum Tode zu erwarten, weshalb er den Iran verlassen habe.
Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 21. (auch 24.) August 2000 wurde der Asylantrag des Beschwerdeführers vom 3. Juli 2000 gemäß § 6 Z 3 AsylG als offensichtlich unbegründet abgewiesen und gemäß § 8 AsylG die Zulässigkeit der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in den Iran festgestellt. Die offensichtliche Tatsachenwidrigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers begründete die Erstbehörde im Wesentlichen mit den eingestandenen Falschaussagen des Beschwerdeführers.
Dagegen erhob dieser Berufung und brachte vor, eine Abweisung seines Asylantrages nach § 6 AsylG sei nur dann zulässig, wenn kein "sonstiger Hinweis auf Verfolgung" feststehe. Ein notorisches Verfolgerland wie der Iran könne dieser Voraussetzung niemals gerecht werden. Die Behörde übersehe, dass ihm vorgeworfen werde, "Mitglied der Philadelphia-Kirche, einer missionarisch tätigen Kirche" im Iran gewesen zu sein. Die Behörde habe jedoch diesbezügliche Feststellungen unterlassen, obwohl nach in der Berufung zitierten Länderberichten privater Organisationen etwa 200.000 Christen unterschiedlicher Glaubensrichtungen im Iran lebten und die Missionstätigkeit und damit auch die Missionierung des Islam zur Tradition und zum Selbstverständnis "dieser Kirche" gehörten. Missionarisch tätige Christen seien nach diesen Berichten gefährdet, Opfer von Menschenrechtsverletzungen im Iran zu werden.
In der Berufungsverhandlung vor der belangten Behörde gab der Beschwerdeführer auf die Frage, ob "das bisherige Vorbringen hinsichtlich des fluchtsauslösenden Ereignisses (Verhaftung wegen angeblicher Weitergabe von Bibeln etc.) gelogen" gewesen sei, an, dass sein" Vorbringen hinsichtlich der religiös motivierten Verfolgung zur Gänze falsch" gewesen sei. Als Ursache für das Verlassen des Iran brachte der Beschwerdeführer nun vor, er sei als (Bus)Fahrer eines Tages, ohne dass er den Grund dafür kenne, von drei Personen angehalten worden, die ihn in ein Gebäude gebracht hätten und wo er geschlagen worden sei. Man habe dem Beschwerdeführer nur gesagt, dass er einen "Kläger" bzw. Feind ("Basidji") habe, dem er nicht gefalle und der mit ihm machen könne, was er wolle. Telefonisch habe man ihm mit dem Umbringen und mit der Entführung seines Kindes gedroht. Da er zu dieser Zeit auch von seiner Frau verlassen worden sei, sei er in einer Krise gewesen und aus dem Iran ausgereist.
Nachdem die belangte Behörde dem Beschwerdeführer verschiedene Länderberichte über den Iran vorgehalten hatte, wies sie seine Berufung unter Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides (nur dieser Spruchpunkt ist Gegenstand der vorliegenden Beschwerde) "gemäß §§ 6, 8 AsylG" ab. Dazu stellte sie als entscheidungswesentlichen Sachverhalt fest, dass der Beschwerdeführer iranischer Staatsangehöriger "und assyrischer Christ" sei, der im August 1999 in Begleitung seiner Mutter (und seines minderjährigen Sohnes) den Iran verlassen habe. Hingegen könne die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohungssituation durch einen "Kläger" im Iran sowie die damit zusammenhängende Inhaftierung und Misshandlung sowie Bedrohung in Telefonanrufen, weil offensichtlich den Tatsachen nicht entsprechend, der Berufungsentscheidung nicht als Sachverhalt zugrundegelegt werden. Ein Hinweis auf eine dem Beschwerdeführer sonst drohende Verfolgungsgefahr sei nicht hervorgekommen.
Zur als erwiesen festgestellten Tatsache, dass der Beschwerdeführer assyrischer Christ sei, verwies die belangte Behörde auf die von diesem vorgelegte Taufbestätigung. Die Angaben zur nunmehr behaupteten Bedrohungssituation durch einen "Kläger" im Iran und zu den von diesem ausgehenden Gefahren erachtete die belangte Behörde unter anderem wegen der wechselnden Angaben des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und dem daraus abgeleiteten "Ausmaß an bewusster Täuschung" für gänzlich unglaubwürdig. Ein Hinweis auf eine dem Beschwerdeführer sonst drohende Verfolgungsgefahr im Sinn des § 6 zweiter Satz AsylG sei nicht hervorgekommen, da die von ihm behauptete "Weitergabe christlich-religiöser Gegenstände", die von iranischen Behörden allenfalls als "Missionsversuch" gewertet und als Anknüpfungspunkt asylrelevanter Verfolgung gesehen werden könnte, nicht den Tatsachen entspräche. Aus dem Umstand, dass Christen im Iran "Benachteiligungen und Diskriminierungen" ausgesetzt seien - wozu die belangte Behörde auf einen im Akt befindlichen Bericht des Deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge über die Situation von Christen in ausgewählten Ländern des Vorderen Orients verwies -, lasse sich "ein sonstiger Hinweis" auf eine Verfolgungsgefahr im Sinn des § 6 zweiter Satz AsylG nicht ableiten, zumal dadurch eine dem Beschwerdeführer drohende Verfolgung im Sinn der Genfer Flüchtlingskonvention "nicht indiziert" werde.
Darüber hinaus sei die vom Beschwerdeführer behauptete Bedrohung durch einen "Kläger" offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen, sodass der Asylantrag des Beschwerdeführers auch nach § 6 Z 2 AsylG eindeutig jeder Grundlage entbehre. Zur Entscheidung nach § 8 AsylG wurde im angefochtenen Bescheid auf die mangels Glaubwürdigkeit des Vorbringens des Beschwerdeführers fehlenden stichhaltigen Gründe für eine Bedrohung seiner Person im Sinn des § 57 FrG verwiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Die Beschwerde führt ins Treffen, es sei entgegen der Ansicht der belangten Behörde allgemein bekannt, dass christliche Minderheiten im Iran Repressalien ausgesetzt seien. Der Beschwerdeführer sei Angehöriger einer dieser benachteiligten Minderheiten, sodass schon auf Grund dieses Vorbringens nicht davon ausgegangen werden könne, es fehlten "sonstige Hinweise" für eine Verfolgungsgefahr in seinem Herkunftsstaat im Sinn des § 6 AsylG.
Der angefochtene Bescheid stützt sich in Bezug auf die Abweisung des Asylantrages des Beschwerdeführers primär auf die Z 3 der letztgenannten Bestimmung (sowie zusätzlich - allerdings nur in der Begründung des angefochtenen Bescheides - auch auf § 6 Z 2 leg. cit.).
Gemäß § 6 AsylG sind Asylanträge gemäß § 3 leg. cit. als offensichtlich unbegründet abzuweisen, wenn sie eindeutig jeder Grundlage entbehren. Dies ist nach den angesprochenen Ziffern 2 und 3 des § 6 AsylG dann der Fall, wenn ohne sonstigen Hinweis auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat nach dem Vorbringen der Asylwerber offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen ist (Z 2) oder das Vorbringen der Asylwerber zu einer Bedrohungssituation offensichtlich den Tatsachen nicht entspricht (Z 3).
Zunächst kann der belangte Behörde im vorliegenden Fall nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Hinblick auf die vom Beschwerdeführer in der Berufungsverhandlung eingestandene Unrichtigkeit seiner Angaben vor der Erstbehörde über das fluchtauslösende Ereignis die Auffassung vertrat, auch die vom Beschwerdeführer nunmehr behauptete Bedrohungssituation durch einen "Kläger" entspreche (angesichts im angefochtenen Bescheid zusätzlich aufgezeigter Unstimmigkeiten dieser Angaben) offensichtlich nicht den Tatsachen.
Die Abweisung eines Asylantrages als "offensichtlich unbegründet" erfordert jedoch, wie die belangte Behörde an sich auch zutreffend erkannt hat, zusätzlich zu den Voraussetzungen der jeweiligen Ziffer des § 6 AsylG das Fehlen eines sonstigen Hinweises auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat des betreffenden Asylwerbers.
Ausgehend von ihrer auf der vorgelegten Taufbestätigung des Beschwerdeführers beruhenden Feststellung, der Beschwerdeführer sei "assyrischer Christ", gelangte die belangte Behörde unter Bezugnahme auf einen Auszug des erwähnten Berichtes des Deutschen Bundesamtes für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (vgl.
dort Seite 170) zur Auffassung, der Beschwerdeführer müsse im Iran
zwar mit "Benachteiligungen und Diskriminierungen" rechnen, doch
sei deshalb eine Verfolgungsgefahr im Sinn der Genfer
Flüchtlingskonvention "nicht indiziert". Dieser allgemeinen
Aussage über "Benachteiligungen" von Christen im Iran folgt im
herangezogenen Berichtsteil aber - auf derselben Seite - eine
Passage, nach der sich unter anderem "die Chaldäer" (die nach dem
gleichen Bericht eine Untergruppe der assyrischen Christen
darstellen und denen der Beschwerdeführer nach der auf Seite 15 im
Verwaltungsakt befindlichen Taufbestätigung zugehört ("baptized
......according to the Chaldean Catholic Rite")) nicht an das
"ungeschriebene Gesetz des Missionsverbotes" halten und
"Mitglieder dieser Kirchen ... staatlicher Verfolgung ausgesetzt"
seien. Mit diesen Berichtsangaben hat sich die belangte Behörde bei Beurteilung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 zweiter Satz AsylG betreffend das Fehlen eines sonstigen Hinweises auf Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers nicht auseinander gesetzt und damit ihren Bescheid mit einem wesentlichen Verfahrensmangel belastet.
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. April 2002
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