VwGH 2002/18/0114

VwGH2002/18/011420.6.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des P in Wien, geboren am 17. Oktober 1971, vertreten durch Dr. Peter Philipp, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Graben 17, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 25. April 2002, Zl. SD 801/01, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §11;
SMG 1997 §28 Abs6;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §48 Abs1;
EMRK Art8 Abs2;
SMG 1997 §11;
SMG 1997 §28 Abs6;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 25. April 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen Staatsangehörigen von Mauritius, gemäß § 48 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 18. Juli 1998 mit einem für drei Monate gültigen Touristenvisum in das Bundesgebiet eingereist und habe am 29. Oktober 1998 eine österreichische Staatsbürgerin namens Melanie S. geheiratet. Er habe auf Grund eines am Tag der Eheschließung gestellten Antrags eine für ein Jahr gültige Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft mit einer Österreicherin erhalten. Diese Niederlassungsbewilligung sei auf Grund eines Antrages vom 6. Dezember 1999 bis zum 6. Dezember 2002 verlängert worden.

Mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 15. Februar 2001 sei der Beschwerdeführer wegen des teils versuchten, teils vollendeten Verbrechens nach § 28 Abs. 2 und 3 SMG, § 15 StGB sowie wegen des Vergehens nach § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, davon 12 Monate bedingt, verurteilt worden. Der Beschwerdeführer habe im Zeitraum von Dezember 1999 bis zum 18. November 2000 gewerbsmäßig eine große Menge an Suchtgift, nämlich eine nicht mehr näher feststellbare Menge an Haschisch bzw. Marihuana in der Gesamtmenge von zumindest 7 Kilogramm durch Verkauf an Unbekannte bzw. an seine damalige Lebensgefährtin E. und an eine weitere namentlich genannte Person verkauft. Anlässlich der Festnahme des Beschwerdeführers hätten in seiner Wohnung noch weitere 155 Gramm Marihuana sichergestellt werden können, welche für den Weiterverkauf bestimmt gewesen seien. Dazu komme, dass der Beschwerdeführer seit seiner Einreise bis zum 18. November 2000 wiederholt Suchtgifte erworben und besessen habe. Dem Beschwerdeführer sei zwecks Absolvierung einer Drogentherapie ein bis zum 15. Februar 2003 gültiger Strafaufschub gewährt worden.

Mit Beschluss des Bezirksgerichtes Favoriten vom 12. März 2001 sei die Ehe zwischen dem Beschwerdeführer und Frau Melanie S. gemäß § 55a Ehegesetz im Einvernehmen geschieden worden. Am 23. November 2001 habe der Beschwerdeführer während des Berufungsverfahrens die österreichische Staatsbürgerin Marina E. geheiratet. Einem aktuellen Versicherungsdatenauszug der österreichischen Sozialversicherung sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer seit 8. Jänner 2001 als Arbeiter in einem Restaurationsbetrieb beschäftigt sei.

In rechtlicher Hinsicht folgerte die belangte Behörde, dass der Beschwerdeführer gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 FrG als begünstigter Drittstaatsangehöriger anzusehen sei. Gemäß § 48 Abs. 1 leg. cit. sei die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes gegen solche Personen nur zulässig, wenn auf Grund ihres Verhaltens die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet sei. Der Beschwerdeführer habe den für § 48 Abs. 1 FrG als "Orientierungsmaßstab" heranzuziehenden Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht, zumal das in dieser Gesetzesstelle genannte Strafausmaß beträchtlich überschritten worden sei. Im Hinblick auf die der Suchtgiftkriminalität innewohnende Wiederholungsgefahr lägen die Voraussetzungen des § 36 Abs. 1 FrG und somit auch jene des § 48 Abs. 1 erster Satz FrG vor. Gegen den Beschwerdeführer könne daher - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37, 38 und 48 Abs. 1 letzter Satz FrG - ein Aufenthaltsverbot erlassen werden.

Unter Bedachtnahme auf den seit 1998 durchgehenden Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet werde durch das Aufenthaltsverbot in dessen Privat- und Familienleben im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG eingegriffen. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (hier: zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen sowie zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten und daher im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die gewerbsmäßige Tatbegehung und der Umstand, dass der Beschwerdeführer eine besonders große Menge an Suchtgift in Verkehr gesetzt habe, ließen eine positive Verhaltensprognose nicht zu. Dass dem Beschwerdeführer gemäß § 39 Abs. 2 SMG Strafaufschub gewährt worden sei, um sich einer stationären Behandlung für gesundheitsbezogene Maßnahmen im Sinn des Suchtmittelgesetzes unterziehen zu können, und dass der Beschwerdeführer nach einem Therapieabschlussbericht des Vereins "Grüner Kreis" vom 4. Jänner 2002 nunmehr nachweislich drogenfrei sei, könne nicht entscheidend zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen, liege doch das im Zeitraum von 1998 bis zum 18. November 2000 gesetzte Fehlverhalten noch nicht so lange zurück, dass auf Grund des seither verstrichenen Zeitraumes eine (wesentliche) Verringerung der von ihm ausgehenden Gefahr für die im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen angenommen werden könne, zumal bei Suchtgiftdelikten erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr besonders groß sei.

Im Rahmen der nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf die Dauer des Aufenthalts des Beschwerdeführers im Bundesgebiet Bedacht zu nehmen. Die daraus und aus seiner Beschäftigung ableitbare Integration habe in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die vom Beschwerdeführer begangenen bzw. versuchten Straftaten eine ganz erhebliche Minderung erfahren. Die Ehe des Beschwerdeführers sei erst nach Erlassung des Aufenthaltsverbotes (durch die Bundespolizeidirektion Wien) geschlossen worden, sodass die Bindung des Beschwerdeführers zu seiner Ehegattin eine Relativierung erfahre. Den dadurch geminderten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stünde das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Die Auswirkungen der vorliegenden Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Im Hinblick auf die Art und Schwere der dem Beschwerdeführer zur Last liegenden Straftaten und die damit verbundene Wiederholungsgefahr könne von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes auch nicht im Rahmen des der Behörde zukommenden Ermessens Abstand genommen werden.

Angesichts des aufgezeigten Gesamt(fehl)verhaltens des Beschwerdeführers könne ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes maßgeblichen Grundes nicht vor Verstreichen eines Zeitraumes von zehn Jahren erwartet werden, weshalb das Aufenthaltsverbot gemäß § 39 Abs. 2 FrG dementsprechend zu befristen gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Unbestritten ist, dass der Beschwerdeführer wegen Suchtgifthandels in Bezug auf eine Menge von zumindest 7 Kilogramm Haschisch bzw. Marihuana verurteilt wurde, und es sich bei der ihm zur Last gelegten Suchtgiftmenge insgesamt um eine große Menge im Sinn des § 28 SMG handelt. Nach § 28 Abs. 6 SMG ist eine "große Menge" eine solche, die geeignet ist, im großen Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen. Dabei ist er (ebenfalls unbestritten) in der Absicht, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, somit gewerbsmäßig (vgl. § 70 StGB) vorgegangen. Dieses Fehlverhalten zeigt, dass vom Beschwerdeführer eine große Gefahr für das gewichtige öffentliche Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität ausgeht. Dem Einwand, dass sich der Beschwerdeführer nach dem Abschlussbericht des "Grünen Kreises" vom 4. Jänner 2002 mit Erfolg einer gesundheitsbezogenen Maßnahme gemäß § 11 SMG unterzogen habe, dass er auf Grund dieser Bestätigung nunmehr nachweislich drogenfrei sei, ist entgegenzuhalten, dass angesichts der Schwere des von ihm begangenen Deliktes des Suchtgifthandels der seit der behaupteten Drogenfreiheit verstrichene Zeitraum von annähernd vier Monaten viel zu kurz ist, um die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefahr als nennenswert gemindert oder überhaupt als weggefallen anzusehen, ist doch gerade bei Suchtgiftdelikten die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 27. April 2001, Zl. 99/18/0454, mwH). Das Argument des Beschwerdeführers, es habe sich bei dem seiner Verurteilung zu Grunde liegenden Fehlverhalten um eine "einmalige Verfehlung" gehandelt, geht in Anbetracht der ihm zur Last liegenden gewerbsmäßigen Tatbegehung fehl. Ebenso bietet der Umstand, dass er - unbestritten nach Erlassung des erstinstanzlichen Bescheides - seine Lebensgefährtin, eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet habe, keine Gewähr dafür, dass die Begehung weiterer Straftaten durch ihn ausgeschlossen erscheine (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2001, Zl. 99/18/0432), zumal er - dem Urteil vom 15. Februar 2001 zufolge - an sie ebenfalls Suchtgifte verkaufte. Schließlich erweist sich die (unbekämpfte) Auffassung der belangten Behörde, das vorliegend der als "Orientierungsmaßstab" heranziehbare (vgl. etwa das Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 98/18/0278) Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, auf dem Boden der unstrittig feststehenden rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers als unbedenklich. Die Auffassung der belangten Behörde, die im § 48 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme sei gerechtfertigt, kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

2.1. Im Licht des § 37 FrG bringt der Beschwerdeführer vor, er sei seit 1998 durchgehend in Österreich aufhältig. Im Jänner 2000 sei er eine Lebensgemeinschaft mit Marina E. eingegangen, welche er am 23. November 2001 (während des Berufungsverfahrens) geheiratet habe. Seit 8. Jänner 2001 sei er in einem Cafe als Kellner beschäftigt. Eine Ermessensentscheidung nach § 37 FrG hätte zu seinen Gunsten ausfallen müssen. Die belangte Behörde habe die Problematik der unterschiedlichen Herkunft des Beschwerdeführers und seiner Ehegattin verkannt. Für die Ehegattin des Beschwerdeführers sei eine Begleitung in sein Heimatland Mauritius nicht ohne weiters und "nur im Rahmen der ausländischen Gesetze" möglich.

2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Dauer des inländischen Aufenthaltes (zwei Jahre und neun Monate), seine aufrechte Ehe sowie seine seit 8. Jänner 2001 ausgeübte Beschäftigung als Arbeiter in einem Restaurationsbetrieb zugute gehalten. Die soziale Komponente seiner - ohnehin nicht stark ausgeprägten - Integration ist durch die Straftaten des Beschwerdeführers aber erheblich gemindert. Dass die Ehefrau des Beschwerdeführers diesen möglicherweise nicht nach Mauritius begleiten könnte, muss im öffentlichen Interesse in Kauf genommen werden. Im Übrigen ist dem Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang entgegenzuhalten, dass mit einem Aufenthaltsverbot nicht darüber abgesprochen wird, dass der Fremde in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er (allenfalls) abgeschoben werde (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 6. November 2001, Zl. 98/18/0419).

Dem somit nur mäßigen persönlichen Interesse des Beschwerdeführers an einem Verbleib im Bundesgebiet steht die Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen durch seine Straftaten gegenüber. Auf Grund des gewerbsmäßigen Verkaufs einer großen Menge an Suchtgift und der dadurch bewirkten gewichtigen Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität stößt die Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele (Verhinderung strafbarer Handlungen, Schutz der Gesundheit) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), auf keine Bedenken.

3. Für die belangte Behörde bestand auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 48 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbotes zukommenden Ermessen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. Februar 2000, Zl. 99/18/0326) zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessensübung sprächen.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Wien, am 20. Juni 2002

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