Normen
FrG 1997 §27;
LichtbildausweisV PrivImmun 1979 §2 Z3;
FrG 1997 §27;
LichtbildausweisV PrivImmun 1979 §2 Z3;
Spruch:
Die angefochtenen Bescheide werden wegen Rechtswidrigkeit ihres Inhalts aufgehoben.
Der Bund hat den Beschwerdeführern Aufwendungen in der Höhe von jeweils EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Zweitbeschwerdeführerin ist die Ehegattin des Erstbeschwerdeführers.
Die Beschwerdeführer verfügten jeweils über eine vom Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten am 3. August 1990 ausgestellte "blaue Legitimationskarte" als Angestellter bzw. Gattin eines Angestellten bei der Botschaft der islamischen Republik Iran in Österreich mit Geltungsdauer bis 5. April 1998, welche dem Bundesministerium für auswärtige Angelegenheiten am 17. April 1998 retourniert wurden.
Den Beschwerdeführern waren zuletzt von der Bundespolizeidirektion Wien gewöhnliche Sichtvermerke für den Zeitraum vom 24. April 1996 bis 1. April 1997 ausgestellt worden.
Am 26. März 1998 beantragten sie (anwaltlich vertreten) bei der Bundespolizeidirektion Wien jeweils die Erteilung einer "unbefristet wirksamen" Niederlassungsbewilligung und verwiesen darauf, ab dem 6. April 1998 nicht mehr im Besitz einer Legitimationskarte zu sein. Im Übrigen seien die "bisherigen positiven Voraussetzungen hinsichtlich Beruf, Familie, gesicherter Unterkunft, gesichertem Einkommen und Versicherungsschutz weiterhin aufrecht". Dieser Antrag wurde gemäß § 89 Abs. 1 FrG 1997 der erstinstanzlichen Niederlassungsbehörde übermittelt (Einlangen am 3. April 1998).
Der Landeshauptmann von Wien wies mit gleichlautenden Bescheiden vom 30. April 1998 die als solche auf Erteilung einer Erstniederlassungsbewilligung gewerteten Anträge im Hinblick auf §§ 84 und 27 FrG 1997 als unzulässig zurück und führte begründend aus, der Erstbeschwerdeführer sei nach wie vor bei der Botschaft der islamischen Republik Iran in Österreich tätig. Beide Beschwerdeführer hätten weiterhin Anspruch auf Ausstellung einer blauen Legitimationskarte. Sie benötigten für ihren Aufenthalt im Bundesgebiet keinen Aufenthaltstitel nach dem Fremdengesetz.
In ihren Berufungen brachten die Beschwerdeführer vor, mangels Antrages sei ihnen eine blaue Legitimationsurkunde nicht mehr neu ausgestellt worden. Zu einer derartigen Antragstellung seien sie auch nicht verpflichtet. Im Übrigen erfüllten sie die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung.
Im Zuge des Berufungsverfahrens forderte die belangte Behörde die Beschwerdeführer 1.) zur Bekanntgabe auf, ob der Erstbeschwerdeführer noch bei der Botschaft der islamischen Republik Iran tätig sei, 2.) zur Vorlage der blauen Legitimationskarte und 3.) zur Vorlage eines arbeitsmarktrechtlichen Dokumentes für den Erstbeschwerdeführer auf, soferne er - ohne im Besitz einer Legitimationskarte zu sein -
bei der genannten Botschaft tätig sei.
Die Beschwerdeführer gaben hierauf mit Schriftsatz vom 21. Oktober 1998 bekannt, dass sie die neuerliche Ausstellung einer blauen Legitimationskarte nicht mehr beantragt hätten. Der Erstbeschwerdeführer sei wie bereits bisher an der Botschaft der islamischen Republik Iran tätig, was sich auch aus der beigelegten Bestätigung ergebe. Auch seien beide Beschwerdeführer nach wie vor ordentliche Hörer an einer näher bezeichneten inländischen Universität.
Mit dem erstangefochtenen Bescheid vom 4. November 1998 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung des Erstbeschwerdeführers gemäß § 19 Abs. 3 und § 13 Abs. 1 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verfahrensganges und der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen aus, da der Erstbeschwerdeführer trotz Aufforderung kein arbeitsmarktrechtliches Dokument im Sinne des § 19 Abs. 3 FrG 1997 vorgelegt habe, müsse die Behörde die Möglichkeit auf Zugang zu legaler Beschäftigung - einer ordnungsgemäßen, erlaubten Arbeitsaufnahme - verneinen und habe von einer "positiven Finalisierung" Abstand genommen werden müssen, weil der vom Erstbeschwerdeführer angestrebte Aufenthaltszweck der Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit auf Grund der nicht beigebrachten erforderlichen arbeitsmarktrechtlichen Papiere nicht habe erfüllt werden können.
Die Bekämpfung der "illegalen" Arbeit von Fremden sei nicht nur im Interesse der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens sowie im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung relevant. Die Ausübung einer Erwerbstätigkeit ohne die erforderliche arbeitsrechtliche Bewilligung gefährde nicht nur die "öffentlichen Interessen an der Möglichkeit der behördlichen Steuerung des Fremdenwesens", sondern würde auch zu einer gravierenden Beeinträchtigung dieser führen.
Es sei daher im speziellen Fall des Erstbeschwerdeführers den öffentlichen Interessen gegenüber den privaten Interessen Priorität einzuräumen gewesen, weil er trotz angestrebter unselbstständiger Erwerbstätigkeit auf Grund der fehlenden arbeitsmarktrechtlichen Bewilligung nicht in der Lage sei, im österreichischen Bundesgebiet einer legalen Beschäftigung nachzugehen.
Mit dem zweitangefochtenen Bescheid vom 4. November 1998 wies der Bundesminister für Inneres die Berufung der Zweitbeschwerdeführerin gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 ab. Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens aus, auf Grund der auf den eigenen Angaben der Beschwerdeführerin beruhenden Aktenlage sei davon auszugehen, dass sie eine Niederlassungsbewilligung für den Aufenthaltszweck "Familiengemeinschaft" begehre. Gemäß § 20 Abs. 1 FrG 1997 sei Ehegatten und minderjährigen unverheirateten Kindern solcher Fremder, die rechtmäßig in Österreich auf Dauer niedergelassen seien, auf deren Antrag eine Erstniederlassungsbewilligung zu erteilen, sofern sie ein gültiges Reisedokument besitzen und kein Versagungsgrund wirksam werde (§§ 10 bis 12). Das Recht, weiterhin niedergelassen zu sein, bleibe Ehegatten erhalten, wenn die Voraussetzungen für den Familiennachzug später als vier Jahre nach der Erteilung der Erstniederlassungsbewilligung wegfallen. Auf Grund der Tatsache, dass der Antrag des Gatten der Zweitbeschwerdeführerin auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung mit näher bezeichnetem Bescheid der belangten Behörde vom 4. November 1998 gemäß § 19 Abs. 3 FrG 1997 abgewiesen worden sei, erfülle sie nicht die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der Familiengemeinschaft und könne demnach keinen Rechtsanspruch im Sinn des § 20 Abs. 1 FrG 1997 ableiten.
Nach Wiedergabe des § 8 FrG 1997 führte die belangte Behörde weiter aus, infolge Abweisung seines Antrages auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung sei der Gatte der Zweitbeschwerdeführerin nicht zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Die Zweitbeschwerdeführerin erfülle daher die Voraussetzungen für die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zwecke der Familiengemeinschaft nicht. Nach der ständigen Judikatur beider Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts und des EuGH bestehe kein Rechtsanspruch auf Familienzusammenführung im Hinblick auf Art. 8 MRK für die nationalen Behörden, wenn dies nicht unbedingt (auf Grund einer gesetzlichen Verpflichtung) erforderlich scheine.
Somit liege es im Ermessen der belangten Behörde, den Antrag der Zweitbeschwerdeführerin nach den Kriterien des § 8 FrG 1997 zu beurteilen. Danach sei der von ihr angeführte Zweck für einen Aufenthaltstitel ohne gesetzliche Grundlage und somit nicht zu erteilen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat die Beschwerden wegen ihres persönlichen, sachlichen und rechtlichen Zusammenhanges zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung verbunden und hierüber in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Die belangte Behörde hat im Spruch der angefochtenen Bescheide die Berufungen der Beschwerdeführer abgewiesen. Die Abweisung einer Berufung als unbegründet ist so zu werten, als ob die Berufungsbehörde einen mit dem erstinstanzlichen Bescheid übereinstimmenden neuen Bescheid erlassen hätte (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, unter E 311 ff zu § 66 AVG angeführte Rechtsprechung). Die belangte Behörde hat demnach durch den insoweit eindeutigen Spruch der angefochtenen Bescheide im Instanzenzug die Anträge der Beschwerdeführer auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zurückgewiesen. Die (hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers auf den Abweisungsgrund des § 19 Abs. 3 FrG 1997 und hinsichtlich der Zweitbeschwerdeführerin auf jenen des § 20 Abs. 1 FrG 1997 gestützte) Begründung der belangten Behörde vermag jedoch ebenso wenig wie jene (auf §§ 27 und 84 FrG 1997 gestützte) der erstinstanzlichen Behörde in den Bescheiden vom 30. April 1998 die Zurückweisung der Anträge zu tragen: der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 2. Juni 2000, Zl. 99/19/0045, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG verwiesen wird, die Zulässigkeit der Antragstellung zum "Umstieg" von einem nicht ständigen Aufenthalt auf Grund einer Berechtigung gemäß § 27 FrG 1997 iVm § 2 Z. 3 der Legitimationskartenverordnung auf eine dauernde Niederlassung auf Grund einer Niederlassungsbewilligung bejaht. Wie der Verwaltungsgerichtshof in diesem Erkenntnis weiter ausgeführt hat, steht selbst eine ausgestellte - und im Zeitpunkt der Bescheiderlassung noch in Geltung stehende - Legitimationskarte der Erteilung der Niederlassungsbewilligung, sofern die übrigen Voraussetzungen gegeben sind, nicht entgegen).
Indem die belangte Behörde in Verkennung der Rechtslage zu einer gleichlautenden Entscheidung wie die erstinstanzliche Behörde kam, belastete sie ihre Bescheide mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes. Sie waren daher aus diesem Grunde gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Im fortgesetzten Verfahren wird die belangte Behörde ihrerseits die erstinstanzlichen Bescheide wegen Nichtvorliegens der herangezogenen Zurückweisungsgründe ersatzlos aufzuheben haben. Es wird dann Sache der erstinstanzlichen Behörde sein, über die Anträge der Beschwerdeführer inhaltlich abzusprechen. Hinsichtlich des Erstbeschwerdeführers sei dazu im Zusammenhang mit dem von der belangten Behörde ins Treffen geführten § 19 Abs. 3 FrG 1997 noch angemerkt, dass im Hinblick auf seine Tätigkeit "wie bereits bisher" bei der Botschaft der islamischen Republik Iran aus dem Grunde des § 1 Abs. 2 lit. c AuslBG die Bestimmungen dieses Bundesgesetzes auf ihn nicht anzuwenden waren. Er benötigte demnach für diese Tätigkeit - bezogen auf den Zeitpunkt der Erlassung des erstangefochtenen Bescheides - keines der im § 19 Abs. 3 erster Halbsatz angeführten arbeitsmarktrechtlichen Dokumente, dessen zweiter Halbsatz im Übrigen ausdrücklich normiert, dass die Verpflichtung zur Vorlage der angeführten arbeitsmarktrechtlichen Dokumente für Drittstaatsangehörige gemäß Abs. 2 nur insoweit gilt, als das AuslBG auf sie anzuwenden ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH- Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die vom den Beschwerdeführern in der Höhe von jeweils S 2.500,-- entrichtete Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war jeweils mit EUR 181,68 zuzusprechen.
Von der Durchführung der beantragten Verhandlung war aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 4 VwGG Abstand zu nehmen.
Wien, am 25. September 2002
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