VwGH 2002/11/0010

VwGH2002/11/001026.2.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, in der Beschwerdesache des H in W, vertreten durch Dr. Herwig Hammerer und Dr. Alois Autherith, Rechtsanwälte in 3500 Krems, Utzstraße 13, gegen die Erledigung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001, Zl. RU6- St-H-0113/0, betreffend Aussetzung eines Berufungsverfahrens in einer Angelegenheit betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung, die Beschlüsse gefasst:

Normen

VwGG §46;
VwGG §46;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Einbringung der Beschwerde gegen die Erledigung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001, Zl. RU6-St-H-0113/0, sowie die dagegen erhobene Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde werden zurückgewiesen.

Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist dar (vgl. hiezu den hg. Beschluss vom 4. September 1996, Zl. 96/21/0552, u.v.a.).

Wien, am 26. Februar 2002

Begründung

In seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 46 VwGG wegen Versäumung der Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichthofbeschwerde gegen die Erledigung des Landeshauptmannes für Niederösterreich vom 18. April 2001 führt der Beschwerdeführer aus, ihm sei mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya vom 22. März 2001 die Lenkberechtigung für Kraftfahrzeuge der Klassen A, B, C 1, C, E, F und G gemäß § 24 Abs. 1 FSG für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab Bescheidzustellung, entzogen worden. Gegen diesen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen an der Thaya habe er Berufung erhoben. Der Landeshauptmann von Niederösterreich als Berufungsbehörde habe hierauf dem Beschwerdevertreter mit dem Schreiben vom 18. April 2001 mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren gemäß § 38 AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung über das gegen den Beschwerdeführer wegen des dem Führerscheinentzugsverfahren zugrunde liegenden Vorfalles beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Lande Niederösterreich anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens ausgesetzt werde. Die Mitteilung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001 sei weder als Bescheid bezeichnet, noch enthalte sie eine Rechtsmittelbelehrung. Mit Bescheid des Bundesministers für Verkehr, Innovation und Technologie vom 21. Dezember 2001 sei die Berufung des Beschwerdeführers gegen das vorbezeichnete Schreiben des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001 als unzulässig zurückgewiesen worden, weil in Angelegenheiten betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung dem Bundesminister keine Zuständigkeit zur Erlassung von Berufungsbescheiden zukomme (Hinweis auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 24. August 1999, Zl. 99/11/0092). Gemäß § 46 Abs. 2 VwGG sei Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdefrist auch dann zu bewilligen, wenn die Beschwerdefrist versäumt worden sei, weil der anzufechtende Bescheid fälschlich ein Rechtsmittel eingeräumt und die Partei das Rechtsmittel ergriffen habe. Gleiches habe aber auch zu gelten, wenn in einem Bescheid der Hinweis darauf fehle, dass gegen diesen Bescheid kein ordentliches Rechtsmittel wohl aber eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde zulässig sei. Es handle sich jedenfalls um einen minderen Grad des Versehens, wenn die Frist zur Erhebung einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde deshalb versäumt werde, weil gegen einen Bescheid statt einer Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde eine Berufung deshalb erhoben werde, weil in einem Bescheid der Hinweis darauf fehle, dass eine Berufung gegen den Bescheid ausgeschlossen und nur mehr eine Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde möglich sei.

Gleichzeitig mit seinem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Beschwerdeführer die Verwaltungsgerichtshofsbeschwerde gegen das Schreiben des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001 nachgeholt.

Die Erledigung des Amtes der Niederösterreichische Landesregierung Gruppe Raumordnung und Umwelt - Abteilung für Verkehrsrecht vom 18. April 2001 hat folgenden Wortlaut:

"Wir teilen Ihnen mit, dass das Berufungsverfahren hinsichtlich des Bescheides der Bezirkshauptmannschaft Waidhofen/Thaya vom 22. März 2001, 10-E-2000105, betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung gemäß § 38 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG bis zur rechtskräftigen Entscheidung des wegen des Vorfalls vom 19. Juni 2000 beim Unabhängigen Verwaltungssenat im Land NÖ zur Zl. WT-01-3001 anhängigen Verwaltungsstrafverfahrens ausgesetzt wird,(...)."

Gezeichnet ist das Schreiben wie folgt:

"Mit freundlichen Grüßen

Für den Landeshauptmann

Mag. Sch(...)"

Bei diesem Schreiben der belangten Behörde vom 18. April 2001 handelt es sich um keine Erledigung mit Bescheidcharakter. Damit wurde dem Beschwerdeführer vielmehr formlos mitgeteilt, dass das Berufungsverfahren wegen Entziehung der Lenkberechtigung bis zum rechtskräftigen Abschluss eines näher bezeichneten Strafverfahrens ausgesetzt werde. Angesichts dieses Inhaltes der Erledigung, der jedenfalls Zweifel über ihren Bescheidcharakter entstehen lässt, hätte es der ausdrücklichen Bezeichnung als Bescheid bedurft, um die Erledigung als Bescheid werten zu können (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 17. Oktober 1989, Zl. 88/11/0237, und vom 1. Oktober 1996, Zl. 96/11/0120). Mangelt es - wie im vorliegenden Fall - an der für einen Bescheid vorgesehenen Form, muss deutlich erkennbar sein, dass die Behörde dennoch den - objektiv erkennbaren - Willen hatte, mit der Erledigung gegenüber einer individuell bestimmten Person die normative Erledigung einer konkreten Verwaltungsangelegenheit zu treffen. Bringt die sprachliche Gestaltung einen normativen Inhalt nicht zweifelsfrei zum Ausdruck, so liegt kein Bescheid vor (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 13. Dezember 2001, Zl. 99/11/0269, m. w. N.).

Eine auf Art. 131 Abs. 1 Z. 1 B-VG gestützte Beschwerde setzt das Vorliegen eines Bescheides voraus. Da es im Beschwerdefall aber am Gegenstand des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens mangelt, war die Beschwerde gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen. Die Bewilligung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gemäß § 46 VwGG setzt begrifflich die Versäumung dieser Frist voraus. Mangels Vorliegens eines anfechtbaren Bescheides konnte mit der Zustellung der Erledigung des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 18. April 2001 an den Beschwerdeführer auch die Beschwerdefrist des § 26 Abs. 1 Z. 1 VwGG, die hätte versäumt werden können, nicht ihren Anfang nehmen. Existiert keine Frist, die hätte versäumt werden können, so scheidet die Möglichkeit einer Wiedereinsetzung in den vorigen Stand begriffsnotwendig aus. Der Wiedereinsetzungsantrag ist in einem solchen Falle unzulässig und zurückzuweisen (vgl. VfSlg. 2521, und den hg. Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes vom 30. August 1994, Zl. 94/10/0114). Hinzuweisen ist auch darauf, dass der Wiedereinsetzungsgrund des § 46 Abs. 2 VwGG im Beschwerdefall - die Existenz eines angefochtenen Bescheides vorausgesetzt - nicht vorliegen würde, weil die angefochtene Erledigung des Landeshauptmannes von Niederösterreich keine Rechtsmittelbelehrung enthält. Das Fehlen des Hinweises auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof oder an den Verfassungsgerichtshof gemäß § 61a AVG in einem letztinstanzlichen Bescheid stellt aber keinen Grund für die Bewilligung einer

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