VwGH 2002/10/0155

VwGH2002/10/015516.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Jabloner und die Hofräte Dr. Mizner und Dr. Köhler als Richter, im Beisein des Schriftführers MMag. Zavadil, über die Beschwerde des B in Molln, vertreten durch Dr. Kurt Waneck und Dr. Michael Kunze, Rechtsanwälte in 1010 Wien, Schellinggasse 5, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Oberösterreich vom 30. Juli 2002, Zl. VwSen-240439/2/Gf/Stu, betreffend Übertretung des Lebensmittelgesetzes, zu Recht erkannt:

Normen

VStG §51e idF 2002/I/065;
VStG §51e idF 2002/I/065;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Kirchdorf vom 17. Juni 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe es als Geschäftsführer einer GmbH zu vertreten, dass von dieser im Zeitraum zwischen dem 21. März 2001 und dem 7. Februar 2002 in insgesamt 32 Fällen hinsichtlich ihrer Verbrauchsfrist falsch bezeichnete Seefische und Seefischteile in Verkehr gebracht worden seien. Dadurch habe er eine Übertretung des § 19 in Verbindung mit § 74 Abs. 5 Z 2 des Lebensmittelgesetzes, BGBl. Nr. 86/1975, zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 98/201 in Verbindung mit § 4 Z 5 der Lebensmittelkennzeichnungsverordnung, BGBl. Nr. 72/1993, zuletzt geändert durch BGBl. II Nr. 462/1999, begangen.

Der Beschwerdeführer erhob Berufung, in der er die Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Verwaltungssenat beantragte. In der Sache verwies er insbesondere darauf, dass das Unternehmen, als dessen Geschäftführer er verantwortlich gemacht werde, eine Verpackungsmethode anwende, bei welcher die Haltbarkeit der Fische gegenüber der herkömmlichen Verpackung mit luftdurchlässiger Folie wesentlich verbessert sei. Die im Österreichischen Lebensmittelbuch enthaltene Bestimmung, auf welche sich das Straferkenntnis beziehe, sei zu einem Zeitpunkt aufgenommen worden, zu dem Seefischprodukte auf Styroportassen aufgelegt worden seien und mit einer dünnen, gasdurchlässigen Dehnfolie umgeben gewesen seien.

Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde (ohne eine mündliche Verhandlung durchzuführen) der Berufung insoweit statt, als die Geldstrafe mit EUR 1.000,-- und die Ersatzfreiheitsstrafe mit 93 1/3 Stunden festgesetzt und der Ausspruch über die Verpflichtung zur Leistung von Barauslagenersatz für Untersuchungskosten aufgehoben wurde. Der Kostenbeitrag zum Strafverfahren vor der Behörde erster Instanz wurde mit EUR 100,-- festgesetzt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Es wird u.a. die Unterlassung der Durchführung einer mündlichen Verhandlung als Verstoß gegen § 51e VStG gerügt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 51e Abs. 1 bis 5 VStG in der im Beschwerdefall

anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 65/2002 lauten:

"§ 51e. (1) Der unabhängige Verwaltungssenat hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn

1. der Antrag der Partei oder die Berufung

zurückzuweisen ist oder bereits auf Grund der Aktenlage feststeht,

dass der mit Berufung angefochtene Bescheid aufzuheben ist;

2. der Devolutionsantrag zurückzuweisen oder

abzuweisen ist.

(3) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von einer

Berufungsverhandlung absehen, wenn

1. in der Berufung nur eine unrichtige rechtliche

Beurteilung behauptet wird oder

2. sich die Berufung nur gegen die Höhe der Strafe

richtet oder

3. im angefochtenen Bescheid eine 500,-- EUR nicht

übersteigende Geldstrafe verhängt wurde oder

4. sich die Berufung gegen einen verfahrensrechtlichen

Bescheid richtet

und keine Partei die Durchführung einer Verhandlung beantragt

hat. Der Berufungswerber hat die Durchführung einer Verhandlung in

der Berufung zu beantragen. Etwaigen Berufungsgegnern ist

Gelegenheit zu geben, einen Antrag auf Durchführung einer

Verhandlung zu stellen. Ein Antrag auf Durchführung einer

Verhandlung kann nur mit Zustimmung der anderen Parteien

zurückgezogen werden.

(4) Der unabhängige Verwaltungssenat kann ungeachtet eines Parteiantrages von einer Verhandlung absehen, wenn er einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat, die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Sache nicht erwarten lässt, und dem nicht Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, entgegensteht.

(5) Der unabhängige Verwaltungssenat kann von der Durchführung (Fortsetzung) einer Verhandlung absehen, wenn die Parteien ausdrücklich darauf verzichten. Ein solcher Verzicht kann bis zum Beginn der (fortgesetzten) Verhandlung erklärt werden."

Der Beschwerdeführer hat in der Berufung die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragt. Die belangte Behörde begründete im angefochtenen Bescheid die Unterlassung der mündlichen Verhandlung damit, dass aus einem auf den §§ 53 und 54 LMG fußenden Gutachten des ständigen Hygieneausschusses der Kodex-Kommission (Hinweis auf den Erlass des Bundeskanzleramtes, Zl. 32.035/6-VI/B/1b/97) sich ergebe, dass für frische Seefische nur eine Verbrauchsfrist von einem Tag gelte. Der Beschwerdeführer hätte derartige Festsetzungen nicht mit bloßen Behauptungen konträren Inhalts in Frage stellen dürfen. Vielmehr hätte er diesen auf gleicher fachlicher Ebene, nämlich im Wege eines entsprechenden Gegengutachtens, entgegentreten müssen. Sein Antrag auf Durchführung einer öffentlichen Verhandlung zum Zweck der Aufnahme entsprechender Sachverständigenbeweise, zum Beleg für die Tauglichkeit seiner Verpackungstechnik laufe hingegen auf die Einholung unzulässiger Erkundungsbeweise hinaus.

Diesen Darlegungen ist zu erwidern, dass § 51e VStG entgegen der Annahme der belangten Behörde nicht darauf abstellt, ob und in welcher Form der Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung begründet ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2002/10/0147). Es kommt daher auch nicht darauf an, ob bestimmte Beweise, die der belangten Behörde von vornherein als nicht maßgeblich oder unzulässig erscheinen, beantragt werden. Die belangte Behörde vermengt in ihrer Begründung die Frage, ob noch auf Beweisanträge des Beschwerdeführers einzugehen gewesen wäre, mit der Frage, ob eine mündliche Verhandlung durchzuführen gewesen wäre. Ungeachtet der Frage, ob die Überlegungen der belangten Behörde hinsichtlich des Erkundungsbeweises zutreffend sind, sind diese Überlegungen bei der Beurteilung, ob die belangte Behörde von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung absehen konnte, nicht maßgeblich.

Die belangte Behörde hat sich auf keinen der Tatbestände der §§ 51e Abs. 3 und 4 VStG berufen (ein Fall des § 51e Abs. 2 VStG liegt ebenfalls nicht vor). Die Nichtdurchführung der beantragten mündlichen Verhandlung stellt daher einen Verfahrensmangel dar. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die belangte Behörde bei Vermeidung dieses Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, belastete sie ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 VwGG aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen (insbesondere zur Frage der Subsumtion des vorgeworfenen Verhaltens unter die im Bescheid genannten übertretenen Bestimmungen) einzugehen gewesen wäre.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 502/2001.

Wien, am 16. Dezember 2002

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