VwGH 2002/04/0181

VwGH2002/04/018117.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über den Antrag 1.) des H H und 2.) der C H, beide in B, beide vertreten durch Dr. Markus Ch. Weinl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Kärntner Ring 3, auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Behebung von Mängeln der Beschwerde gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. September 2001, Zl. IIa-60.017/3-01, betreffend Zurückweisung einer Berufung, den Beschluss gefasst:

Normen

VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;
VwGG §33 Abs1;
VwGG §34 Abs2;
VwGG §46 Abs1;

 

Spruch:

Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wird abgewiesen.

Begründung

Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Tirol vom 3. September 2001 wurde die Berufung der Antragsteller in einer Angelegenheit betreffend Betriebsanlagengenehmigung zurückgewiesen. Der Verfassungsgerichtshof hat die dagegen erhobene Beschwerde nach Ablehnung ihrer Behandlung (Beschluss vom 26. Juni 2002, B 1498/01-8) dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten (Beschluss vom 23. Juli 2002, Zl. B 1498/01-10).

Im über diese Beschwerde zur Zl. 2002/04/0113 geführten Verfahren hat der Verwaltungsgerichtshof den Antragstellern am 8. August 2002 (zugestellt am 22. August 2002) den Auftrag erteilt, binnen vier Wochen verschiedene Mängel der Beschwerde zu beheben und drei weitere Ausfertigungen der ursprünglichen, an den Verfassungsgerichtshof gerichteten Beschwerde vorzulegen.

Da die Antragsteller innerhalb dieser Frist zwar einen ergänzenden Schriftsatz einbrachten, die geforderten weiteren Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde jedoch nicht vorlegten, wurde das Verfahren mit Beschluss vom 9. Oktober 2002, Zl. 2002/04/0113-5, gemäß §§ 34 Abs. 2 und 33 Abs. 1 VwGG eingestellt. Dieser Beschluss wurde den Antragstellern am 13. November 2002 zugestellt.

Mit dem gegenständlichen, am 16. November 2002 zur Post gegebenen Antrag begehren die Antragsteller die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Mängelbehebung und bringen dazu vor, dass ihr Rechtsvertreter am 12. September 2002 persönlich den ergänzenden Schriftsatz sowie die dazu gehörenden Beilagen einkuvertiert habe. Der Rechtsvertreter sei der Meinung gewesen, auch die drei Gleichschriften der ursprünglichen Beschwerde in das Kuvert gesteckt zu haben. Erst durch die Zustellung des hg. Beschlusses vom 9. Oktober 2002 habe der Rechtsvertreter der Antragsteller davon Kenntnis erlangt, dass die drei Gleichschriften der ursprünglichen Beschwerde dem ergänzenden Schriftsatz tatsächlich nicht angeschlossen gewesen seien. Nunmehr habe sich herausgestellt, dass diese Gleichschriften, welche sich in einem gesonderten Aktenumschlag befunden hätten, im Handakt verblieben seien. Der Rechtsvertreter habe diesen Umschlag bei der Einkuvertierung offensichtlich übersehen.

Am 12. September 2002 habe der Rechtsvertreter der Antragsteller einen "stressigen Arbeitstag" gehabt. Er habe an diesem Tag den ergänzenden Schriftsatz fertiggestellt sowie die diesem Schriftsatz angeschlossenen Farbkopien außerhalb der Kanzlei angefertigt. Zwischendurch habe er "andere dringende Arbeiten erledigt, Telefonate geführt usw.". Aus familiären Gründen sei er an diesem Arbeitstag bereits früher zu Hause erwartet worden. Infolge der nervlichen Belastung habe der Rechtsvertreter der Antragsteller bei der Einkuvertierung die drei Gleichschriften im Akt übersehen.

Es liege somit ein Fehler vor, welcher gelegentlich auch einem sorgfältigen Menschen unterlaufen könne und daher auf einem minderen Grad des Versehens beruhe.

Vorauszuschicken ist, dass nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Beschluss eines verstärkten Senats vom 21. Juni 1988, Zl. 87/07/0049) die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand auch gegen die unvollständige Erfüllung eines verwaltungsgerichtlichen Verbesserungsauftrages zulässig ist.

Gemäß § 46 Abs. 1 VwGG ist einer Partei auf Antrag die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu bewilligen, wenn sie durch ein unvorhergesehenes oder unabwendbares Ereignis eine Frist versäumt und dadurch einen Rechtsnachteil erleidet. Dass der Partei ein Verschulden an der Versäumung zur Last liegt, hindert die Bewilligung der Wiedereinsetzung nicht, wenn es sich nur um einen minderen Grad des Versehens handelt.

Nach der hg. Rechtsprechung trifft das Verschulden des Parteienvertreters die von diesem vertretene Partei. Dabei stellt ein einem Rechtsanwalt widerfahrenes Ereignis einen Wiedereinsetzungsgrund für die Partei nur dann dar, wenn dieses Ereignis für den Rechtsanwalt selbst unvorhergesehen oder unabwendbar war und dem Rechtsanwalt höchstens ein Versehen minderen Grades vorzuwerfen ist. Ein Verschulden, das über den minderen Grad des Versehens hinausgeht, schließt die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Der Begriff des minderen Grades des Versehens ist als leichte Fahrlässigkeit im Sinn des § 1332 ABGB zu verstehen. Der Wiedereinsetzungswerber bzw. sein Vertreter darf also nicht auffallend sorglos gehandelt, somit die im Verkehr mit Gerichten und für die Einhaltung von Terminen und Fristen erforderliche und ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten zumutbare Sorgfalt außer Acht gelassen haben. Dabei ist an berufliche rechtskundige Parteienvertreter ein strengerer Maßstab anzulegen als an rechtsunkundige Personen (vgl. aus der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes etwa das zu § 71 Abs. 1 AVG ergangene, jedoch auch hier maßgebliche Erkenntnis vom 3. August 2000, Zl. 2000/18/0032).

Die Antragsteller gestehen zu, dass ihrem Rechtsvertreter, der bei der Einkuvertierung die drei Gleichschriften der ursprünglichen Beschwerde übersehen hat, ein Verschulden trifft, meinen aber, dass es sich hiebei um einen minderen Grad des Versehens handle.

Dem pflichtet der Verwaltungsgerichtshof jedoch nicht bei:

Dem Antragstellervertreter als Rechtsanwalt musste bewusst sein, dass die nicht ordnungsgemäße Erfüllung des Verbesserungsauftrages zur Einstellung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens führt. Er wäre daher jedenfalls verpflichtet gewesen, anlässlich der selbst durchgeführten Einkuvertierung genau darauf zu achten, dass alle vom Verwaltungsgerichtshof nachgeforderten Schriftstücke auch tatsächlich beigeschlossen werden.

Dass der Vertreter nach seinem Vorbringen an diesem Tag den ergänzenden Schriftsatz fertiggestellt, Farbkopien außerhalb der Kanzlei angefertigt und "andere dringende Arbeiten erledigt" sowie "Telefonate geführt" hat, ist in einer Rechtsanwaltskanzlei nichts Außergewöhnliches. Diese Umstände sind auch unter Berücksichtigung des Vorbringens, der Antragstellervertreter sei an diesem Tag "aus familiären Gründen" früher zu Hause erwartet worden, nicht geeignet, die Unterlassung des Anschließens der abgeforderten Ausfertigungen der ursprünglichen Beschwerde als bloßen minderen Grad des Versehens zu qualifizieren.

Da das Vorbringen der Antragsteller somit nicht geeignet ist, einen Wiedereinsetzungsgrund darzutun, war der Wiedereinsetzungsantrag abzuweisen.

Wien, am 17. Dezember 2002

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