Normen
BAO §303 Abs4;
GrEStG 1987 §5 Abs2 Z2;
BAO §303 Abs4;
GrEStG 1987 §5 Abs2 Z2;
Spruch:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in Höhe von 332 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit einer am 23. Mai 1997 beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern in Wien angezeigten Vereinbarung vom 17. April 1997 räumte Dr. S. seiner Ehefrau Mag. S. für sich und seine Rechtsnachfolger das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht an dem auf der Liegenschaft EZ 1706 KG P. befindlichen Wohnhaus im
18. Wiener Gemeindebezirk ein. In der über diesen Vorgang am 24. Juni 1997 eingereichten Schenkungssteuererklärung wurde der Wert der Wohnung mit monatlich S 2.500,-- erklärt, einem Betrag, der in diesem Bezirk gewöhnlich für eine Untermietwohnung verlangt werde.
Mit dem am 25. April 1997 beim genannten Finanzamt angezeigten Kaufvertrag vom 22. April 1997 verkaufte Dr. S diese Liegenschaft - die einen Einheitswert in Höhe von S 648.000,-- aufweist - an die beschwerdeführende GmbH um den Kaufpreis von S 700.000,--.
Mit einer Vereinbarung vom 29. April 1997 (angezeigt beim Finanzamt am 23. Mai 1997) räumte die Beschwerdeführerin Dr. S. das lebenslängliche und unentgeltliche Wohnrecht an der bezeichneten Liegenschaft ein.
Mit Bescheid vom 24. Juni 1997 schrieb das Finanzamt für den Erwerbsvorgang vom 25. April 1997 Grunderwerbsteuer von einer Bemessungsgrundlage in Höhe von S 700.000,-- vor.
Mit Bescheid vom 31. Oktober 1997 verfügte das Finanzamt die Wiederaufnahme des Grunderwerbsteuerverfahrens und rechnete bei der berichtigten Vorschreibung der Grunderwerbsteuer den Wert des Dr. S. und Mag. S. eingeräumten Wohnrechts der Gegenleistung hinzu. Die Abgabenbehörde ging dabei von dem in der Schenkungssteuererklärung angegebenen Wohnungswert von monatlich je S 2.500,-- und den Kapitalisierungsfaktoren 7 bzw 13 aus.
In der Berufung gegen diesen Bescheid wurde geltend gemacht, der Abgabenbehörde seien die Tatsachen, auf die sie die Wiederaufnahme des Verfahrens gestützt habe, bei Erlassung des Bescheides vom 24. Juni 1997 bekannt gewesen. Überdies wurde die Auffassung vertreten, das Wohnrecht für Mag. S. könne deswegen nicht in die Gegenleistung einbezogen werden, da es bereits vor Abschluss des Kaufvertrages begründet worden sei. Das Wohnrecht für Dr. S sei nicht von diesem als Verkäufer zurückbehalten, sondern erst nach Abschluss des Kaufvertrages begründet worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Berufung betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet abgewiesen. Hinsichtlich Grunderwerbsteuer wurde der Berufung teilweise stattgegeben. In den Entscheidungsgründen wurde insbesondere ausgeführt, es habe in den drei rechtzeitig angezeigten Verträgen jeder Hinweis auf deren Zusammengehörigkeit gefehlt. Insofern sei auch die von der Beschwerdeführerin eingereichte Abgabenerklärung nicht vollständig gewesen. Bei einer Erledigung der Akten in der Reihenfolge ihrer Anzeige habe das Wohnrecht nicht erkannt werden können. Zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer wurde von der belangten Behörde darauf verwiesen, dass persönliche Dienstbarkeiten, die auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, zur Gegenleistung gehören. In der Einräumung des Wohnrechtes für beide Ehegatten sei, auch wenn sie in getrennten Verträgen erfolgten, ein einheitliches Rechtsgeschäft zu sehen. Unter Bezugnahme auf § 16 Abs 4 BewG wurde die Einräumung des Wohnungsrechtes für beide Ehegatten nur einmal, berechnet nach dem Lebensalter von Mag. S., als Gegenleistung der Bemessungsgrundlage hinzugerechnet.
Nach dem Inhalt der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich die Beschwerdeführerin durch die Verfügung der Wiederaufnahme des Verfahrens und die Einbeziehung des Wertes der von dieser an der gegenständlichen Liegenschaft eingeräumten Wohnrechte in ihren Rechten verletzt.
Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift und legte die Akten des Verfahrens vor.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
1. Wiederaufnahme des Verfahrens
Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen ist gemäß § 303 Abs 4 BAO unter anderem dann zulässig, wenn Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.
Die Beschwerdeführerin vertritt die Auffassung, bei Prüfung der Frage "ob eine Tatsache der Abgabenbehörde bereits im Erstverfahren bekannt war", sei die Behörde als Einheit aufzufassen. Im Beschwerdefall sei die Tatsache, die im angefochtenen Bescheid für die Berechtigung zur Wiederaufnahme des Verfahrens herangezogen worden sei, jener Abteilung der Abgabenbehörde, welche den Bescheid vom 24. Juni 1997 erlassen hat, in allen Einzelheiten bekannt gewesen.
Der Beschwerdeführerin ist zwar zuzugestehen, dass in der Literatur und in der älteren Rechtsprechung die Auffassung vertreten worden ist, maßgeblich seien Neuerungen gegenüber dem Wissensstand der zuständigen Abgabenbehörde; davon abweichend wurde das "Neuhervorkommen" auch aus dem Gesichtswinkel des entscheidenden Organes der Behörde, nicht aus dem der Behörde selbst beurteilt (vgl insbesondere Stoll, BAO-Kommentar, 2935 f; Schobesberger, Die "Einheit der Behörde", ÖStZ 1988, 310, jeweils mit weiteren Hinweisen). Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung ist demgegenüber das Hervorkommen von Tatsachen und Beweismitteln aus der Sicht des jeweiligen Verfahrens zu beurteilen (vgl Ritz, BAO-Kommentar2, § 303, Rz 14, und die dort wiedergegebene hg Rechtsprechung). Zuletzt hat der Verwaltungsgerichtshof etwa in den Erkenntnissen vom 22. März 2000, 99/13/0253, vom 27. April 2000, 97/15/0207, und vom 31. Oktober 2000, 95/15/0114, ausgesprochen, dass es - aus dem Gesichtswinkel von periodisch zu veranlagenden Abgaben - auf den Wissensstand des jeweiligen Veranlagungsjahres ankommt. Diese Grundsätze bedeuten für den Bereich der Verkehrsteuern, bei denen regelmäßig ein einzelner Rechtsvorgang die Entstehung des Abgabenanspruches nach sich zieht, dass die Frage des Hervorkommen neuer Tatsachen und Beweismittel nach dem Wissensstand im jeweiligen, hinsichtlich eines bestimmten Rechtsvorgangs - wenn auch innerhalb derselben Abgabenbehörde bzw innerhalb derselben Organisationseinheit der Abgabenbehörde - durchgeführten Abgabenverfahren zu beurteilen ist.
Im Beschwerdefall wurden ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Kaufvertrag über eine Liegenschaft sowie zwei Vorgänge, denen die unentgeltliche - an sich nach dem Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz steuerbare - Einräumung der Dienstbarkeiten des Wohnrechtes zugrunde liegt, dem für die Erhebung der Gebühren und Verkehrsteuern zuständigen Finanzamt an verschiedenen Tagen angezeigt. Derartige Rechtsvorgänge unterliegen jeweils für sich einer der in Betracht kommenden Verkehrsteuer. Diese Abgaben werden daher auch grundsätzlich in getrennten Verfahren bemessen.
Weder in der von der Beschwerdeführerin nach § 10 GrEStG eingebrachten Abgabenerklärung über den Erwerbsvorgang vom 22. April 1997 noch in der angeschlossenen Kaufvertragsurkunde war ein Hinweis auf die Einräumung dieser Dienstbarkeiten enthalten. Daraus folgt aber, dass der Behörde im Verfahren zur Erlassung des Erstbescheides vom 24. Juni 1997 die Einräumung von Dienstbarkeiten verborgen geblieben ist. Unter dem Gesichtspunkt des in diesem Grunderwerbsteuerverfahren bestehenden Wissensstandes der Abgabenbehörde ist somit die Tatsache der Einräumung dieser Dienstbarkeiten als neu hervorgekommen iSd § 303 Abs 4 BAO zu beurteilen. Die Beschwerde erweist sich damit aber hinsichtlich der bekämpften Wiederaufnahme des Verfahrens als unbegründet.
2. Grunderwerbsteuer
Gemäß § 5 Abs 2 Z 2 GrEStG 1987 gehören zur Gegenleistung Belastungen, die auf dem Grundstück ruhen, soweit sie auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen, ausgenommen dauernde Lasten. Auch persönliche Dienstbarkeiten gehören grundsätzlich als auf dem Grundstück ruhende Belastungen nach dieser Gesetzesstelle zur Gegenleistung, da sie als absolute Rechte gegen den jeweiligen Eigentümer der belasteten Sache wirken und damit auf den Erwerber kraft Gesetzes übergehen (vgl das hg Erkenntnis vom 21. März 1985, 84/16/0226).
Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen die Einbeziehung des Wertes der auf dem Grundstück ruhenden Belastung des eingeräumten Wohnungsrechtes sind nicht verständlich. Die Auffassung, ein Wohnungsrecht habe keinen "Vermögenswert", wurde nicht näher begründet. Der von der Beschwerdeführerin angestellte Vergleich mit "Mieteinkünften" erscheint nicht zielführend, da - wie die Beschwerdeführerin grundsätzlich verkennt - nicht die Frage des Wertes eines Vermögensgegenstandes, sondern die Höhe der vom Erwerber zu übernehmenden Belastungen entscheidend ist.
Zur Klarstellung ist dabei darauf zu verweisen, dass die belangte Behörde im Ergebnis allein den Wert des Mag. S. eingeräumten Wohnungsrechtes als Belastung iSd § 5 Abs 2 Z 2 GrEStG bei der Ermittlung der Gegenleistung berücksichtigt hat. Ob es sich bei den drei Verträgen um ein einheitliches Rechtsgeschäft gehandelt hat, wie die belangte Behörde grundsätzlich angenommen hat, konnte dahin stehen, weil der Wert des Dr. S. eingeräumten Wohnrechts im angefochtenen Bescheid nicht (mehr) der Bemessungsgrundlage zugerechnet worden ist. Die Beschwerdeführerin hat gegen die Folgerung der Behörde, es liege ein einheitliches Rechtsgeschäft vor, im Übrigen keine Einwendungen erhoben.
Die Beschwerde erweist sich daher auch hinsichtlich der Sachentscheidung als unbegründet, sodass sie gemäß § 42 Abs 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl II Nr 501/2001.
Wien, am 16. Mai 2002
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