VwGH 2001/16/0471

VwGH2001/16/047121.3.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Höfinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Valenta, über die Beschwerde des D in S, vertreten durch Dr. Fritz Vierthaler, Rechtsanwalt in Gmunden, Marktplatz 16, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 31. Juli 2001, Zl. RV/16- 13/00, betreffend Finanzvergehen, zu Recht erkannt:

Normen

FinStrG §58 Abs1 lita;
FinStrG §58 Abs1 litb;
FinStrG §58 Abs1 lita;
FinStrG §58 Abs1 litb;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Anlässlich der Einreise von drei bulgarischen Staatsangehörigen am 19. Juli 1994 über das Zollamt Nickelsdorf in das österreichische Zollgebiet wurden u.a. 60.000 Stück Zigaretten beschlagnahmt. Bei den anschließenden Ermittlungen fanden Beamte des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz bei diesen Personen Adressen und Telefonnummern von in Österreich wohnhaften Personen und es bestand auf Grund der Aussagen der Einreisenden der Verdacht, dass solche Schmuggelfahrten schon vor dem 19. Juli 1994 stattgefunden haben könnten und das Schmuggelgut an die Personen mit den vorgefundenen Adressen und Telefonnummern weiterverkauft worden sei.

Bei den folgenden Ermittlungen der Beamten des Zollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz wurden bei dem in Steyrermühl wohnhaften Beschwerdeführer Aufzeichnungen vorgefunden, die nach seiner Einvernahme zur Einleitung des Finanzstrafverfahrens führten, weil der Verdacht bestand, der Beschwerdeführer hätte im Zeitraum Mai 1994 bis Juli 1994 Zigaretten, hinsichtlich welcher von unbekannten Tätern das Finanzvergehen des Schmuggels in Tateinheit mit dem vorsätzlichen Eingriff in die Rechte des Tabakmonopols begangen worden war, vorsätzlich gekauft oder an sich gebracht.

Mit Erkenntnis des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz vom 14. März 2000 wurde der Beschwerdeführer des Finanzvergehens der vorsätzlichen Abgabenhehlerei in Tateinheit mit dem Finanzvergehen der vorsätzlichen Monopolhehlerei gemäß § 37 Abs. 1 lit. a und § 46 Abs. 1 lit. a FinStrG schuldig erkannt und über ihn eine Geldstrafe von S 60.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 42 Tage) verhängt.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, das Zollamt Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz sei nicht zuständig gewesen, weil das Finanzvergehen in Laakirchen entdeckt worden sei, die ermittelte Zigarettenmenge sei unrichtig und der Tatzeitraum sei mit der Entscheidung unzulässig ausgeweitet worden.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung als unbegründet ab. Hinsichtlich der Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, durch das Auftauchen der Telefonnummer des Beschwerdeführers bei den aufgegriffenen Schmugglern sei der klare Hinweis auf eine Straftat gegeben gewesen, die das Hauptzollamt Wien berechtigt habe, aus dem Grund eines möglichen Tatzusammenhanges sofortige Erhebungsschritte beim Beschwerdeführer einzuleiten. Die Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz sei daher mit Rücksicht auf die Bestimmung des § 58 Abs. 1 lit. a FinStrG gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird. In der Beschwerde wird u.a. die Zuständigkeit des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz und damit auch die Zuständigkeit der belangten Behörde zur meritorischen Entscheidung in Abrede gestellt. In diesem Zusammenhang erachtet sich der Beschwerdeführer erkennbar in seinem Recht, nicht von einer unzuständigen Behörde bestraft zu werden, verletzt.

Die belangte Behörde erstattete eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 58 Abs. 1 lit. a FinStrG sind zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörde I. Instanz für Finanzvergehen, die bei oder im Zusammenhang mit der Ein- Aus- oder Durchfuhr von Waren begangen werden, und für Finanzvergehen durch welche sonst Abgaben- oder Monopolvorschriften, deren Handhabung der Zollverwaltung oder ihren Organen obliegt, verletzt werden, die Hauptzollämter Wien, Linz, Salzburg, Graz, Klagenfurt, Innsbruck und Feldkirch zuständig, wenn diese Finanzvergehen in ihrem Bereich begangen oder entdeckt worden sind.

Gemäß § 58 Abs. 1 lit. b FinStrG sind zur Durchführung des Finanzstrafverfahrens als Finanzstrafbehörde I. Instanz für Abgabenhehlerei und Monopolhehlerei die unter lit. a bezeichneten Zollämter zuständig, wenn diese Finanzvergehen in ihrem Bereich begangen oder entdeckt worden sind.

Entdeckt ist eine Tat erst dann, wenn sich ein Verdacht insoweit verdichtet hat, dass bei vorläufiger Tatbeurteilung der Nachweis der Verwirklichung des objektiven Tatbestandes eines Finanzvergehens wahrscheinlich ist (vgl. Tanzer, ÖStZ 1993, 303; Scheil, Die Selbstanzeige nach § 29 FinStrG, 449, 451; Leitner, Grundzüge des österreichischen Finanzstrafrechts, 83). Ein wenn auch begründeter Anfangsverdacht allein genügt nicht (Leitner, aaO, 84).

Solange ein objektiv erfassbares und tatsächlich wahrgenommenes Geschehen nicht zum Schluss auf ein im Finanzstrafgesetz vertyptes Vergehen nötigt, sondern noch andere Deutungsmöglichkeiten offen sind, ist die Tat noch nicht einmal teilweise entdeckt (vgl. Urteil des OGH vom 25. August 1998, 11 Os 41/98).

Nach den Feststellungen des angefochtenen Bescheides habe sich auf Grund des "Auftauchens der Telefonnummer" des Beschwerdeführers ein "klarer Hinweis auf eine Straftat" ergeben, die aus dem Grund eines "möglichen Tatzusammenhanges" sofortige Erhebungsschritte beim Beschwerdeführer einzuleiten gerechtfertigt habe.

Ein Tatzusammenhang mit bereits erfolgten Schmuggelfahrten der beim Zollamt Nickelsdorf am 19. Juli 1994 aufgegriffenen Einreisenden wurde im angefochtenen Bescheid letztlich nicht angenommen. Die belangte Behörde gab die Verantwortung des Beschwerdeführers wieder, nach der die Zigaretten von ihm im Zusammenhang mit Fahrten nach Serbien übernommen worden seien.

Hinweise auf Straftaten sind jedoch noch kein "Entdecken" eines Finanzvergehens. Ein wenn auch begründeter Anfangsverdacht, wie er sich aus den Aufzeichnungen der Einreisenden ergeben hat, allein genügt noch nicht. Die Entdeckung der Finanzvergehen fand erst anlässlich der im Bereich des Hauptzollamtes Linz durchgeführten Ermittlungen statt.

Die belangte Behörde stellte auch nicht fest, dass die Finanzvergehen im Bereich des Hauptzollamtes Wien begangen worden wären.

Demnach war das Hauptzollamt Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz für die Entscheidung über das in Rede stehende Finanzvergehen nach § 58 Abs. 1 FinStrG nicht zuständig, weil in diesem Bereich die Finanzvergehen weder begangen noch entdeckt wurden.

Da die belangte Behörde dies verkannte, die Unzuständigkeit des Hauptzollamtes Wien als Finanzstrafbehörde I. Instanz nicht wahrnahm und unzuständigerweise eine meritorische Entscheidung traf, belastete sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Auf das übrige Beschwerdevorbringen war nicht mehr einzugehen.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Die Abweisung des Mehrbegehrens betrifft die für den Schriftsatzaufwand geltend gemachte Umsatzsteuer, die im Pauschalbetrag bereits enthalten ist.

Wien, am 21. März 2002

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