Normen
BAO §263 Abs2;
BAO §270 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z2;
BAO §263 Abs2;
BAO §270 Abs3;
VwGG §42 Abs2 Z2;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Gegen den im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde vor dem Verfassungsgerichtshof und machte darin ua eine Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter geltend, weil das dritte Mitglied des entscheidenden Berufungssenates aus dem Kreis der "entsendeten Mitglieder" nicht von der gesetzlichen Berufsvertretung der Beschwerdeführerin entsendet worden sei.
Mit Beschluss vom 27. Juni 2001, B 2184/00-6, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.
Vor dem Verwaltungsgerichtshof rügt die Beschwerdeführerin ua die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde. Einerseits bringt die Beschwerdeführerin - wie schon vor dem Verfassungsgerichtshof - vor, sie sei Steuerberaterin, also Wirtschaftstreuhänderin im Sinne des WTBG. Dem entscheidenden Berufungssenat habe aber kein Mitglied angehört, das von der Kammer der Wirtschaftstreuhänder entsendet worden wäre; das im Bescheid letztgenannte Mitglied des Senates stamme aus dem Kreis der Rechtsanwälte. Andererseits bringt die Beschwerdeführerin erstmals vor, dass an der Entscheidung über den angefochtenen Bescheid als entsendete Mitglieder des Berufungssenates drei Personen mitgewirkt hätten, bei denen es sich in allen drei Fällen nur um Stellvertreter gehandelt habe. Im angefochtenen Bescheid fehle dazu jede Begründung, warum diese Stellvertreter zum Einsatz gelangt seien und dass die "ordentlichen" Mitglieder des Senates im Beschwerdefall verhindert gewesen seien.
Die belangte Behörde räumte in einem Schriftsatz ein, dass an der Erlassung des angefochtenen Bescheides Stellvertreter von Senatsmitgliedern mitgewirkt hätten, ohne dass sämtliche Mitglieder vorher "kontaktiert" worden seien. Es bestünden somit "keine Bedenken der belangten Behörde, die in Beschwerde gezogenen Bescheide infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben".
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
Gemäß § 270 Abs. 3 BAO entscheidet über Berufungen gemäß § 260 Abs. 2 leg. cit. ein fünfgliedriger Berufungssenat, der sich aus dem Präsidenten der Finanzlandesdirektion oder einem von ihm bestimmten Finanzbeamten als Vorsitzenden und vier Beisitzern zusammensetzt. Von den Beisitzern haben einer der Gruppe der ernannten und drei der Gruppe der entsendeten Mitglieder der Berufungskommission anzugehören. Ein Mitglied muss von einer gesetzlichen Berufsvertretung selbstständiger Berufe, ein weiteres von einer gesetzlichen Berufsvertretung unselbstständiger Berufe entsendet sein, während das dritte Mitglied von der gesetzlichen Berufsvertretung des Berufungswerbers entsendet sein soll.
Nach § 263 Abs. 2 BAO besteht die Berufungskommission aus zwei Gruppen von Mitgliedern, welche in je einer Liste zu vereinigen sind. Die erste Gruppe setzt sich aus den von den gesetzlichen Berufsvertretungen entsendeten, im jeweiligen Bundesland wohnhaften Mitgliedern zusammen, wobei das Bundesministerium für Finanzen die Zahl der von den einzelnen Berufsvertretungen zu entsendenden Mitglieder unter Berücksichtigung der Bedeutung der Berufsgruppen für die Steuerleistung im Bundesland bestimmt. Die Mitglieder der zweiten Gruppe werden in der erforderlichen Anzahl vom Bundesministerium für Finanzen ernannt. Abs. 3 des § 263 BAO bestimmt, dass neben den Mitgliedern der Berufungskommission nach den Grundsätzen des Abs. 2 leg. cit. die gleiche Anzahl von Stellvertretern zu bestellen und gleichfalls in je einer Liste zu vereinigen ist.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, sind Stellvertreter zur Mitwirkung in Berufungssenaten nach § 270 Abs. 3 BAO erst dann heranzuziehen, wenn alle Mitglieder an der Mitwirkung verhindert sind. Die Verhinderung aller Mitglieder ist von der belangten Behörde (zumindest aktenintern eindeutig und nachvollziehbar) darzutun (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, 98/13/0153, und jüngst das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2001, 2000/15/0049).
Im Beschwerdefall ist unbestritten, dass aus der Gruppe der entsendeten Mitglieder nur als Stellvertreter bestellte Mitglieder im erkennenden Berufungssenat mitgewirkt haben. Dass die entsendeten Mitglieder tatsächlich an der Mitwirkung verhindert gewesen wären, behauptet die belangte Behörde nicht.
Da der Berufungssenat somit angesichts der aufgezeigten Rechtsprechung nicht dem Gesetz entsprechend zusammengesetzt war, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 2 VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben.
Soweit die Beschwerdeführerin darüber hinaus eine Unzuständigkeit der belangten Behörde sieht, weil das dritte Mitglied aus dem Kreis der entsendeten Mitglieder des Berufungssenates nicht von der gesetzlichen Berufsvertretung der Beschwerdeführerin entsendet war, ist sie auf die bei Ritz, Bundesabgabenordnung2, Rz 7 zu § 270, wiedergegebene hg. Rechtsprechung zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. April 2002
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