Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von 1.089,68 EUR binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 15. November 1999 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1 Z. 1 und § 25 Abs. 3 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von zwei Jahren ab Zustellung des Bescheides entzogen. Gemäß § 29 Abs. 3 FSG wurde der Beschwerdeführer aufgefordert, den Führerschein binnen drei Tagen ab Zustellung des Bescheides abzugeben. Einer allfälligen Berufung gegen diesen Bescheid wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer am 22. November 1999 zugestellt.
Mit Schriftsatz vom 30. November 1999 erhob der Beschwerdeführer dagegen Berufung.
Mit Schreiben vom 9. Dezember 1999 drohte die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG die Verhängung einer Zwangsstrafe in der Höhe von S 5.000,-- an, wenn er der Pflicht zur Abgabe des Führerscheines laut Bescheid vom 15. November 1999 nicht innerhalb von drei Tagen, gerechnet ab Zustellung dieses Schreibens, nachkomme.
Mit Bescheid vom 23. Februar 2000 wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid vom 15. November 1999 keine Folge gegeben.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 2000 wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 5 VVG die im Schreiben vom 9. Dezember 1999 angedrohte Zwangsstrafe von S 5.000,-- verhängt. Weiters wurde ihm eine weitere Zwangsstrafe in der Höhe von S 10.000,-- angedroht, wenn auch die neue Frist zur Erbringung der Leistung ergebnislos verstreiche. Welche neue Frist für die Erbringung der Leistung gesetzt wird, ist nicht erkennbar, weil der entsprechende Vordruck im verwendeten Formular ("Für die Erbringung der Leistung wird Ihnen eine neue Frist bis ...
gesetzt") unausgefüllt blieb.
Mit Bescheid vom 10. Mai 2001 wurde über den Beschwerdeführer
gemäß § 5 VVG die angedrohte Zwangsstrafe von S 10.000,-- verhängt.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom
18. Mai 2001 Berufung.
Mit Vollstreckungsverfügung vom 23. Mai 2001 ordnete die
Bundespolizeidirektion Wien die zwangsweise Abnahme des Führerscheines an.
Am 7. Juni 2001 wurde dem Beschwerdeführer diese Vollstreckungsverfügung übergeben. Er händigte den einschreitenden Sicherheitswachebeamten den Führerschein aus.
Mit dem angefochtenen Bescheid gab die belangte Behörde der Berufung gegen den Bescheid vom 10. Mai 2001 keine Folge und bestätigte diesen Bescheid. In der Begründung führte die belangte Behörde aus, das Vorbringen in der Berufung betreffend die schlechte Einkommens- und Vermögenslage des Beschwerdeführers sei unbeachtlich, weil gemäß § 2 Abs. 2 VVG Geldleistungen nur insoweit zwangsweise eingebracht werden dürfen, als dadurch der notdürftige Unterhalt des Verpflichteten und der Personen, für die er nach dem Gesetz zu sorgen habe, nicht gefährdet werde. Diese Bestimmung sei aber bei der Bemessung der Zwangsstrafe nach § 5 VVG nicht anzuwenden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des § 5 Abs. 1
bis 3 VVG lauten wie folgt:
"Zwangsstrafen
§ 5. (1) Die Verpflichtung zu einer Duldung oder Unterlassung oder zu einer Handlung, die sich wegen ihrer eigentümlichen Beschaffenheit nicht durch einen Dritten bewerkstelligen lässt, wird dadurch vollstreckt, dass der Verpflichtete von der Vollstreckungsbehörde durch Geldstrafen oder durch Haft zur Erfüllung seiner Pflicht angehalten wird.
(2) Die Vollstreckung hat mit der Androhung des für den Fall des Zuwiderhandelns oder der Säumnis zur Anwendung kommenden Nachteiles zu beginnen. Das angedrohte Zwangsmittel ist beim ersten Zuwiderhandeln oder nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Gleichzeitig ist für den Fall der Wiederholung oder des weiteren Verzuges ein stets schärferes Zwangsmittel anzudrohen. Ein angedrohtes Zwangsmittel ist nicht mehr zu vollziehen, sobald der Verpflichtung entsprochen ist.
(3) Die Zwangsmittel dürfen in jedem einzelnen Fall an Geld den Betrag von 10.000 S, an Haft die Dauer von vier Wochen nicht übersteigen."
Nach § 5 Abs. 2 zweiter Satz VVG ist bei der Vollstreckung einer Verpflichtung zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung das angedrohte Zwangsmittel nach fruchtlosem Ablauf der für die Vornahme der Handlung gesetzten Frist sofort zu vollziehen. Aus dieser Bestimmung folgt, dass mit jeder Androhung einer Zwangsstrafe dem Verpflichteten eine angemessene Frist zur Erfüllung der Verpflichtung einzuräumen ist (Paritionsfrist). Die Einräumung dieser Frist zielt darauf ab, dem Verpflichteten die Möglichkeit zu geben, durch Nachholung der versäumten Handlung der Vollstreckung zu entgehen. Das Fehlen einer solchen Fristsetzung zieht die Rechtswidrigkeit der Vollstreckungsakte nach sich (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 6. März 1973, Slg. Nr. 8.378/A). Dies gilt auch für die gleichzeitig mit der Verhängung der Zwangsstrafe gemäß § 5 Abs. 2 dritter Satz VVG erfolgende Androhung einer weiteren Zwangsstrafe (siehe dazu Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze II2 (2000), Anm. 9 zu § 5 VVG). Da eine solche Fristsetzung anlässlich der Androhung der weiteren Zwangsstrafe von S 10.000,-- nicht erfolgt ist, war die Verhängung der Zwangsstrafe rechtswidrig.
Der angefochtene Bescheid ist aber auch deshalb rechtswidrig, weil im Zeitpunkt seiner Erlassung der Beschwerdeführer den Führerschein bereits herausgegeben hatte und dieser bereits im Besitz der Führerscheinbehörde erster Instanz war. Damit war die Vollstreckung (in Form der Verhängung einer weiteren Zwangsstrafe) unzulässig, weil eine Zwangsstrafe zur Bewirkung einer unvertretbaren Handlung im Sinne des § 5 VVG nur dazu dient, den Verpflichteten zur Erfüllung dieser Verpflichtung zu bewegen, jedoch keine Strafe für in der Vergangenheit gelegenen Ungehorsam des Verpflichteten darstellt. Wurde die unvertretbare Handlung bereits (wenn auch nach Verzug) bewirkt, besteht kein Grund mehr für die Verhängung von Zwangsstrafen. Soweit die belangte Behörde dazu in der Gegenschrift vorbringt, sie habe erst im vorliegenden Beschwerdeverfahren davon Kenntnis erlangt, dass der mit der Vollstreckung angestrebte Zweck bereits vor Erlassung des angefochtenen Bescheides erreicht war, ist ihr einzuräumen, dass ihr mangels Verständigung durch die Erstbehörde von der Ablieferung des Führerscheines kein Verschulden anzulasten ist, doch ändert dies nichts an der objektiven Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides, mit dem eine Zwangsstrafe zur Erzwingung einer Handlung verhängt wurde, die bereits erbracht war.
Aus den dargelegten Erwägungen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 26. Februar 2002
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