VwGH 2001/07/0113

VwGH2001/07/011323.1.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fürnsinn und die Hofräte Dr. Bumberger und Dr. Hinterwirth als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Flendrovsky, über die Beschwerde des Z in H, vertreten durch Dr. Robert Müller, Rechtsanwalt in Hainfeld, Hauptstraße 35, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. Juli 2001, Zl. Senat-PM-00-045, betreffend Übertretung des Wasserrechtsgesetzes 1959 (weitere Partei: Bundesminister für Land- und Forstwirtschaft, Umwelt und Wasserwirtschaft), zu Recht erkannt:

Normen

WRG 1959 §137 Abs3 litg;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2;
WRG 1959 §137 Abs3 litg;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2;

 

Spruch:

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er trage als handelsrechtlicher Geschäftsführer einer näher bezeichneten Unternehmung die verwaltungsstrafrechtliche Verantwortung dafür, dass das Unternehmen im Zeitraum vom 9. September 1999 bis 16. September 1999 auf dem Grundstück 1548 der KG P einen Materialabbau (Erde, Humus, Schotter) bis in den Grundwasserschwankungsbereich (Größenordnung 50 m x 60 m, Tiefe ca. 2,5 m) vorgenommen und eine teilweise Wiederverfüllung mit Aushubmaterial (Erde, Humus) durchgeführt und somit eine bewilligungspflichtige Einwirkung auf Gewässer vorgenommen habe, ohne im Besitz der hiefür erforderlichen wasserrechtlichen Bewilligung zu sein.

Als Übertretungsnorm gibt die belangte Behörde in ihrem Bescheid § 32 Abs. 1 und 2 WRG 1959 in Verbindung mit § 137 Abs. 3 lit. g WRG 1959 an.

Über den Beschwerdeführer wurde ein Geldstrafe in Höhe von S 40.000,-- (Ersatzfreiheitsstrafe 130 Stunden) verhängt.

In der Begründung heißt es - soweit für das verwaltungsgerichtliche Verfahren von Bedeutung - die belangte Behörde habe am 18. Mai 2001 und am 29. Mai 2001 eine öffentliche mündliche Berufungsverhandlung durchgeführt, in der eine Beweisaufnahme durch Einvernahme des Beschwerdeführers, Stellungnahme des Vertreters des Beschwerdeführers, Gutachten der Amtssachverständigen für Geohydrologie und Deponietechnik und durch Einsicht in den gesamten erst- und zweitinstanzlichen Verwaltungsstrafakt erfolgt sei. Auf Grund dieser Beweisaufnahme sei von folgendem Sachverhalt auszugehen.

Das Unternehmen, dessen handelsrechtlicher Geschäftsführer der Beschwerdeführer sei, habe im Zeitraum vom 9. September 1999 bis 16. September 1999 auf dem Grundstück 1548 der KG P in einer Größenordnung von 50 m x 60 m und einer Tiefe von 2,5 m unter Geländeoberkante (GOK) Material (Humus, Erde, Schotter) abgebaut. Der Humus sei auf einer Fläche von ca. 120 m x 140 m abgeschoben worden. Noch vor dem 16. September 1999 sei auch damit begonnen worden, in dem durch den Materialabbau entstandenen Grubenbereich eine Wiederverfüllung mit Aushubmaterial vorzunehmen. Eine wasserrechtliche Bewilligung für den genannten Materialaustausch liege nicht vor. Der Untergrund des verfahrensgegenständlichen Bereiches bestehe unter der ursprünglichen Humusauflage aus einem Schotterkörper des Traisentales. Dieser Schotterkörper bestehe aus Sanden und Kiesen und weise eine gute bis sehr gute Durchlässigkeit für das Grundwasser auf. Der höchste Grundwasserspiegel liege beim verfahrensgegenständlichen Grundstück zwischen 2,27 und 2,54 m unter GOK. Diese Werte bezögen sich auf die bisher erreichten Grundwasserhöchststände laut amtlicher Messstelle, die im Frühjahr 1996 erreicht worden seien. Die gegenständliche Fläche liege innerhalb des weiteren Schutzgebietes für die Brunnenanlage der NÖSIWAG. Diese Brunnenanlage liege rund 750 m grundwasserstromabwärts vom verfahrensgegenständlichen Bereich. Vom letzt genannten Umstand habe der Beschwerdeführer nach eigenen Angaben keine Kenntnis gehabt.

Bezüglich der zur Wiederverfüllung verwendeten Materialien (Fremdmaterial aus nahe gelegenen Baustellen und zusätzlich auch Fremdhumus) lägen zwei Gutachten vom 9. Mai 2000 (Dr. C), ein Gutachten vom 30. November 1999 (ebenfalls Dr. C) und eine Materialanalyse vom 17. März 2000 betreffend den eingebrachten Humus (Anfallstelle Traisenpark) vor. Die beiden Proben vom 9. Mai 2000 bezögen sich auf diesen Bereich des HGW und über diesen eingebrachte Materialien und wiesen die Eluatklasse Ic, Kategorie 0, auf. Gleiches gelte für die Analyse vom 30. November 1999, die sich auf rund 6.000 t zwischengelagerten Aushub beziehe. Der befundete Humus weise die Eluatklasse Ia, Kategorie 0, auf.

Bestritten werde lediglich die Abbautiefe. Der Beschwerdeführer selbst habe bei seiner Einvernahme die Abbautiefe mit 1 m angegeben; in einem Schriftsatz vom 6. Juli 2001 habe der Vertreter des Beschwerdeführers die Abbautiefe bereits mit 1,5 m angegeben. Durch die Amtssachverständige für Deponietechnik sei vor Ort im angelasteten Tatzeitraum der Abbauvorgang auf bis zu 2,5 m geschätzt worden. In der fortgesetzten Berufungsverhandlung vom 29. Mai 2001 habe die Amtssachverständige den letztgenannten Wert bestätigt und noch einen Durchschnittswert von 1,8 m unter GOK hinzugefügt. Es bestünden für die belangte Behörde nicht die geringsten Zweifel daran, dass diese Schätzungen der Realität entsprächen. Im Übrigen seien diese Ausmaße auch im rechtskräftig abgeschlossenen Verwaltungsstrafverfahren wegen Übertretung nach dem Mineralrohstoffgesetz (selber Sachverhalt) herangezogen worden. Die dagegen eingebrachte Beschwerde sei mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2001, 2001/04/0076, als unbegründet abgewiesen worden.

In rechtlicher Hinsicht führte die belangte Behörde aus, zur Frage des Vorliegens von mehr als geringfügigen Einwirkungen auf Gewässer sei im Zusammenhang mit Nassbaggerungen (solche lägen nicht nur dann vor, wenn tatsächlich in den Grundwasserkörper hineingebaggert werde, sondern auch wenn eine Materialentnahme im Grundwasserschwankungsbereich und bis ca. 2 m über HGW erfolge) auf die in diesem Zusammenhang ergangene Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes verwiesen. Eine Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 sei bereits dann gegeben, wenn nach dem natürlichen Lauf der Dinge mit mehr als geringfügigen Einwirkungen zu rechnen sei. Ob es dann im konkreten Einzelfall tatsächlich zu mehr als geringfügigen Einwirkungen gekommen sei, sei für die rechtliche Beurteilung nicht von Bedeutung. Diese Überlegungen seien sinngemäß auch für die Wiederverfüllung heranzuziehen, da alleine schon durch die Manipulation selbst mit mehr als geringfügigen Einwirkungen zu rechnen und somit die Bewilligungspflicht gegeben sei. Es sei somit - auch losgelöst von der Schutzgebietsproblematik - bei Nassbaggerungen generell von einer Bewilligungspflicht nach § 32 WRG 1959 auszugehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer in seinem Recht auf Durchführung des Verwaltungsstrafverfahrens durch die zuständige Behörde, in seinem Recht auf mangelfreie Durchführung eines Verfahrens, in seinem Recht, nicht entgegen den Bestimmungen des § 32 Abs. 1 und 2 und 137 WRG 1959 bestraft zu werden und in seinem Recht auf fehlerfreie Ausübung des der Behörde eingeräumten Ermessens bei der Strafbemessung verletzt erachtet.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsstrafverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer bringt vor, entgegen der Auffassung der belangten Behörde liege keine Nassbaggerung vor. Die Tiefe des Schotterabbaus sei im Verfahren strittig gewesen. Sie gehe auch aus dem angefochtenen Bescheid nicht wirklich hervor. Die im angefochtenen Bescheid angeführten Schätzungen durch die Amtssachverständige seien zu ungenau.

Schon mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Recht.

Im angefochtenen Bescheid findet sich zur Abbautiefe lediglich die Aussage, dass die Amtssachverständige vor Ort den Abbauvorgang auf bis zu 2,5 m geschätzt und dass sie in der fortgesetzten Berufungsverhandlung vom 29. Mai 2001 diesen Wert bestätigt und noch einen Durchschnittswert von 1,8 m unter GOK hinzugefügt habe.

Um welche "Schätzung vor Ort" es sich dabei handelt, erläutert die belangte Behörde nicht. Es trifft auch nicht zu, dass die Amtssachverständige in der mündlichen Verhandlung die Abbautiefe von 2,5 m bestätigt habe. Vielmehr ist dort von einer Tiefe "von bis zu 2,4 m, im Durchschnitt jedoch 1,8 m", die Rede. Es wurde mit der Amtssachverständigen auch nie die Problematik der Abbautiefe erörtert, war doch Gegenstand des Gutachtens der Amtssachverständigen in erster Linie eine Aussage zu deponietechnischen Fragen, insbesondere zur Frage des abgelagerten Materials. Für die Amtssachverständige spielte daher die Frage der Abbautiefe nur eine untergeordnete Rolle. Es wäre daher jedenfalls erforderlich gewesen, die Amtssachverständige auf die Problematik hinzuweisen, dass die Abbautiefe vom Beschwerdeführer bestritten wird und sie zu befragen, welche Schwankungsbreite dieser offenbar geschätzten Abbautiefe zugrunde liegt.

Dass es mit dem bloßen Hinweis auf die Angaben der Amtssachverständigen im Beschwerdefall nicht getan ist, zeigt sich auch aus folgenden Überlegungen:

Sowohl die Abbautiefe als auch der höchste Grundwasserstand weisen auf dem Abbaugrundstück unterschiedliche Ausmaße auf. Nach den Angaben im angefochtenen Bescheid beträgt der höchste Grundwasserspiegel zwischen 2,54 m unter GOK und 2,27 m unter GOK; die Abbautiefe erreicht nach den Angaben im angefochtenen Bescheid maximal 2,5 m. Der Durchschnittswert beträgt 1,8 m.

Selbst wenn man annehmen wollte, der Abbau habe dort seine maximale Tiefe von 2,5 m erreicht, wo der Grundwasserspiegel seinen höchsten Wert von 2,27 m erreicht, bliebe ein Bereich von lediglich 23 cm, in welchem der Abbau in den Grundwasserschwankungsbereich vorgedrungen wäre. Legt man die Angaben der Amtssachverständigen in der mündlichen Verhandlung (2,4 m) zugrunde, ergibt sich ein Vordringen in den Grundwasserschwankungsbereich von 13 cm. Dass eine bloße Schätzung ausreicht, angesichts dieser Dimensionen mit ausreichender Sicherheit ein Vordringen des Abbaues in den Grundwasserschwankungsbereich nachzuweisen, kann fast ausgeschlossen werden, sind doch Schätzungen üblicherweise nur Annäherungswerte, die Schwankungsbreiten aufweisen. Es bedürfte jedenfalls einer näheren Begründung, dass angesichts des geschilderten Sachverhaltes eine von der Amtssachverständigen lediglich erwähnte, von ihr selbst offenbar mit unterschiedlichen Werten (2,5 m; 2,4 m) angegebene und mit ihr nicht erörterte Schätzung eine ausreichende Sachverhaltsfeststellung darstellt.

Nun steht aber nicht einmal fest, dass die tiefsten Abbaustellen im Bereich der höchsten Grundwasserstände zu liegen kamen. Es ist daher nicht auszuschließen, dass selbst bei Zutreffen einer höchsten Abbautiefe von 2,5 m der Grundwasserschwankungsbereich nicht erreicht wurde.

Auf das im angefochtenen Bescheid angeführte Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. Juni 2001, 2001/04/0076, kann sich die belangte Behörde nicht berufen. In diesem Erkenntnis ging es um eine Bestrafung des Beschwerdeführers nach dem Mineralrohstoffgesetz wegen des im vorliegenden Beschwerdefall in Rede stehenden Sachverhaltes. In diesem Erkenntnis war aber die Abbautiefe kein Thema.

Der Sachverhalt ist also hinsichtlich der Frage, ob - wie dem Beschwerdeführer im angefochtenen Bescheid vorgeworfen wird - ein Materialabbau bis in den Grundwasserschwankungsbereich hinein erfolgte, nicht ordnungsgemäß ermittelt worden.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als rechtswidrig infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b und c VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 23. Jänner 2002

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