Normen
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
B-VG Art130 Abs2;
StbG 1985 §10 Abs1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §10 Abs1 Z1 idF 1998/I/124;
StbG 1985 §11 idF 1998/I/124;
Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 9. Juli 2001 wies die Steiermärkische Landesregierung (die belangte Behörde) den Antrag des Beschwerdeführers, eines seit 2. März 1989 in Österreich wohnhaften ägyptischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft gemäß § 10 Abs. 1, § 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 idgF (StbG) ab. Die belangte Behörde begründete ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer aufgrund seiner erstmaligen Anmeldung im Bundesgebiet am 2. März 1989 die zehnjährige Wohnsitzdauer nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfülle. Aus der Versicherungszeitenbestätigung des Beschwerdeführers sei zu entnehmen, dass er erst vom 17. Juli 1998 bis 30. November 1999 erstmals selbst versichert gewesen sei. Im Zeitraum vom 2. März 1989 bis 16. Juli 1998 sei der Einbürgerungswerber hingegen nicht versichert gewesen und sei keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen. Erst seit dem 29. Mai 2000 gehe der Einbürgerungswerber einer geregelten Beschäftigung nach.
Im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz
scheine der Beschwerdeführer mit nachstehend angeführten
Verwaltungsübertretungen auf
"1997: § 3/1 Meldegesetz ATS 500,--
§ 4/1 Meldegesetz ATS 500,--
§ 82/1 Z 1 i.V.m. § 15 Fr.Ges. ATS 1.000,--
§ 4/1 Meldegesetz ATS 500,--
§ 3/1 Meldegesetz ATS 500,--"
Unter Wahrung des Parteiengehörs sei dem Antragsteller mit Schreiben vom 7. Mai 2001 Gelegenheit gegeben worden, zum vorliegenden Sachverhalt eine Stellungnahme abzugeben. Er habe von dieser Möglichkeit jedoch keinen Gebrauch gemacht.
Die Ermessensübung gemäß § 11 StbG habe nicht zugunsten des Beschwerdeführers erfolgen können, weil dieser "aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes, insbesondere aufgrund der geringen Beschäftigungs- bzw. Versicherungszeiten" erkennen lasse, dass seine berufliche Integration noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen sei.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf die Verleihungsvoraussetzung nach § 10 Abs. 1 Z 1 StbG ausdrücklich Bezug genommen. Sie erachtete diese im Hinblick auf die seit mehr als zehn Jahren bestehende Meldung des Beschwerdeführers im Bundesgebiet als erfüllt. Sie ging überdies erkennbar davon aus, dass auch die Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 2 bis 8 leg. cit. gegeben seien. Sie vertrat jedoch die Auffassung, dass sie das ihr - bei Vorliegen aller Verleihungsvoraussetzungen - eingeräumte Ermessen im Grunde des § 11 StbG nicht zugunsten des Beschwerdeführers üben könne.
§ 11 StbG in der Fassung der Staatsbürgerschaftsgesetznovelle 1998, BGBl. I Nr. 124, lautet:
"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Nach den EB zur Regierungsvorlage, 1283 BlgNR 20. GP 9, hat die Berhöde bei der Ermessensübung nach § 11 StbG "vor allem die Integration des Fremden und deren Ausmaß zu beachten".
Die belangte Behörde hat ihre Ermessensentscheidung "insbesondere" mit der noch nicht ausreichenden "beruflichen Integration" des Beschwerdeführers begründet. Soweit die belangte Behörde eine ausreichende Integration im Sinne des § 11 StbG deshalb für ausgeschlossen erachtete, weil sie dem Beschwerdeführer anlastete, erst nach mehr als neun Jahren seines inländischen Hauptwohnsitzes erstmals einer versicherungspflichtigen geregelten Beschäftigung nachgegangen zu sein, übersieht sie, dass es bei der Beurteilung nach § 11 StbG auf den Stand des Integrationsprozesses im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides ankommt; eine Betrachtungsweise dergestalt, die Beschäftigungszeiten eines Fremden seiner Gesamtaufenthaltsdauer im Inland gegenüber zu stellen, erweist sich als verfehlt (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0258, und vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0510).
Der Beschwerdeführer hat zwar die ihm unter Wahrung des Parteiengehörs gegebene Gelegenheit zur Stellungnahme zu dem von der belangten Behörde angenommenen Fehlen der "beruflichen Integration" nicht genützt, und es stellt auch die erstmals in der Beschwerde aufgestellte Behauptung, der Beschwerdeführer sei vor 1998 "in seinem Heimatstaat privat versichert" gewesen, sodass die belangte Behörde aus dem Fehlen inländischer Versicherungszeiten nicht hätte ableiten dürfen, der Beschwerdeführer sei vor 1998 keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen, eine nach § 41 Abs. 1 VwGG unbeachtliche Neuerung dar. Die belangte Behörde hat jedoch übersehen, dass der Beschwerdeführer schon im Zuge des Verwaltungsverfahrens ausdrücklich angegeben hatte, "seit etwa zehn Jahren" als Zeitungskolporteur beschäftigt gewesen zu sein, und dass er diese Angaben für das Jahr 1998 durch das im Verwaltungsakt erliegende "Jahreskonto" der K Zeitungs- und Zeitschriftenservice GmbH belegt hatte; diese Urkunde weist eine durchgehende Berufstätigkeit als Zeitungskolporteur für das gesamte Jahr 1998 aus. Die belangte Behörde hat somit bei Beurteilung des Ermessensgesichtspunktes der Integration des Beschwerdeführers unberücksichtigt gelassen, dass dessen Beschäftigung als Zeitungskolporteur offenbar nicht erst seit Juli 1998, sondern zumindest seit Beginn des genannten Jahres gegeben war. Darüber hinaus hat die belangte Behörde außer Acht gelassen, dass für ihre Entscheidung die Zeit unmittelbar vor der Verleihung besonders maßgeblich ist und die kontinuierliche Dauer der letzten Beschäftigungsverhältnisse (über eine Unterbrechung der Berufstätigkeit des Beschwerdeführers seit Juli 1998 hat die belangte Behörde keine Feststellungen getroffen) dessen berufliche Integration indiziert (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. April 2002, Zl. 2000/01/0510).
Auch der Hinweis auf die Vormerkungen des Beschwerdeführers im Verwaltungsstrafregister der Bundespolizeidirektion Graz ist nicht geeignet, eine Ermessensübung im Grund des § 11 StbG zu tragen, weil hiezu nachvollziehbare Feststellungen über das der Verwaltungsstrafe zu Grunde liegende Verhalten des Beschwerdeführers notwendig wären.
Weiters hat es die belangte Behörde unterlassen, weitere, bei der Beurteilung des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers zu berücksichtigende Umstände in ihre Ermessensentscheidung einzubeziehen, wie den nach den vorgelegten Verwaltungsakten bis ca. ein halbes Jahr vor Bescheiderlassung bestehenden gemeinsamen Haushalt mit der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzenden (mittlerweile allerdings vom Beschwerdeführer geschiedenen) Ehegatten des Beschwerdeführers.
Da nach dem Gesagten die behördlichen Feststellungen eine auf mangelnde Integration des Beschwerdeführers gegründete Ermessensübung zu dessen Lasten nicht zu rechtfertigen vermögen, war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 17. September 2002
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