Spruch:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger der Bundesrepublik Jugoslawien, stammt aus Montenegro und ist moslemischen Glaubens. Im Jahre 1998 wurde er zum Militärdienst einberufen, desertierte am 9. Mai 1999 und flüchtete anschließend in das Bundesgebiet.
Im Rahmen seiner Einvernahme am 8. Juni 1999 vor dem Bundesasylamt gab er als Grund für seine Flucht und für sein Ansuchen um Asyl an:
"Der ausschlaggebende Grund für meine Flucht war jener, dass ich desertierte und somit nicht länger dort bleiben konnte. Ich desertierte, weil ich das nicht länger aushielt. Ich diente erstens schon länger als notwendig. Normalerweise dauert der Militärdienst 12 Monate und diente ich schon 13 1/2 Monate und außerdem wollte ich überhaupt nicht kämpfen.
...
Ich Fall meiner jetzigen Rückkehr hätte ich mit der Hinrichtung zu rechnen, weil ich desertierte.
Konkret befragt gebe ich an, dass wir ab April 1999 gezwungen waren, bzw. den Befehl erhielten, an den Kriegshandlungen aktiv teilzunehmen. Wir wurden in Kosare stationiert. Wir kämpften gegen die UCK.
Konkret befragt gebe ich an, dass sich aus meiner Einheit niemand an Greueltaten gegen Kosovo-Albaner beteiligte. Diese Greueltaten wurden nur von den paramilitärischen Einheiten begangen.
Konkret befragt gebe ich an, dass ich selbst für den Fall, dass es zu einer Amnestie für Deserteure käme und sich die politische Lage in meinem Heimatland ändern würde, nicht zurückkehren würde.
...
... Ich befürchte Racheakte von Seiten der serbischen
Bevölkerung, weil ich aus der Armee desertiert bin.
...
... Die Polizei und die Armee besteht aus Serben. Selbst für
den Fall, dass es eine Amnestie geben sollte, würde sich die
serbische Bevölkerung in Montenegro an mir rächen.
...
... Ich war auf Grund meiner Desertion gezwungen, mein
Heimatland zu verlassen. ..."
Mit Bescheid vom 5. April 2000 wies die Erstbehörde den Asylantrag gemäß § 7 AsylG ab und sprach gemäß § 8 AsylG aus, dass die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers in die Bundesrepublik Jugoslawien nicht zulässig sei. Die Abweisung des Asylantrages begründete die Erstbehörde zusammengefasst damit, auf Grund der allgemeinen Wehrpflicht komme es nicht zur zielgerichteten Auswahl von Personen mit bestimmten Eigenschaften oder Überzeugungen. Die Rekrutierung und damit auch die Bestrafung wegen Entziehung oder Verweigerung habe somit nicht erkennbar den Zweck, die Wehrpflichtigen in schutzwürdigen und persönlichen Merkmalen (Rasse, Religion, politische Überzeugung usw.) zu treffen. Staatliche Maßnahmen zur Einhaltung der Wehrpflicht seien ein Ausfluss des Rechtes eines jeden Staates und stellten als solche keine politische Verfolgung dar. Die "Flucht" eines Asylwerbers vor einem ihm drohenden Militärdienst sei ebenso wenig ein Grund für die Anerkennung als Flüchtling wie die Furcht vor einer wegen Desertion oder Wehrdienstverweigerung drohenden (unter Umständen) auch strengeren Bestrafung. Der Beschwerdeführer habe im Rahmen seiner niederschriftlichen Einvernahme keinerlei Umstände anführen können, die die Annahme rechtfertigen würden, dass er persönlich in seiner Heimat Verfolgungen im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, sohin aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung ausgesetzt gewesen sei. Betreffend die Feststellung nach § 8 AsylG gelangte die Behörde zur Ansicht, zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung bestünden Gründe für die Annahme, dass der Beschwerdeführer im Falle einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung Gefahr liefe, in der Bundesrepublik Jugoslawien einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen würde, womit festzustellen gewesen sei, dass seine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nicht zulässig sei.
Gegen den den Asylantrag abweisenden Teil dieses Bescheides erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er unter anderem vorbrachte, für den Fall seiner Rückkehr in seine Heimat sicher zu sein, von der serbischen Armee umgebracht zu werden. Eine Spezialeinheit dieser Armee kontrolliere die gesamte Ortschaft, aus der er stamme. Seine Mutter habe ihm telefonisch mitgeteilt, diese Spezialeinheit sei bei ihr gewesen und hätte ihr erklärt, dass sie den Beschwerdeführer schon finden und umbringen würde. Die Spezialeinheit käme vier bis fünf Mal pro Monat zu seinen Eltern und kontrolliere, ob der Beschwerdeführer zu Hause sei. Bei ihrem letzten Besuch hätten sie den Bruder des Beschwerdeführers geschlagen, weil der Beschwerdeführer desertiert sei. Weiters hätten sie erklärt, wenn sie das nächste Mal kämen, würden sie das Haus anzünden. Es gebe eine (serbische) Polizei, diese könne und wolle sie jedoch nicht beschützen.
In der mündlichen Verhandlung vor dem unabhängigen Bundesasylsenat (der belangten Behörde) am 28. November 2000 gab der Beschwerdeführer ("BW") gegenüber dem Verhandlungsleiter ("VL") an:
"VL: Sie haben jetzt Angst, bei einer eventuellen Rückkehr in Ihr Heimatland wegen Ihrer Desertion bestraft zu werden?
BW: Ja, ich habe Angst und diese Angst ist 100 % berechtigt. Ich bin sicher, dass ich bei einer Rückkehr liquidiert werde. Sie werden mich nicht verurteilen sondern umbringen. Sie haben zu meiner Mutter gesagt, ich kann mich nicht einmal in Amerika verstecken. Das waren Paramilitärs. Das Militärgericht hat mich bereits angeklagt. Mein Bruder schläft seit 1 Jahr nicht mehr in unserem Haus, er muss sich verstecken. Wegen meiner Desertion wird er bedroht. Bei uns ist es so, dass Paramilitärs und Truppen, bewaffnete Soldaten durch die Dörfer ziehen und Deserteure suchen. Bei den Militärbehörden ist mein Name bekannt. Als ich nach Österreich kam, erlebte ich meine Wiedergeburt.
VL: Sie wissen aber, dass es üblich ist, dass man für Wehrdienstverweigerung und für Desertion bestraft wird. Das ist in ganz Europa so.
BW: Ich habe meinen Militärdienst absolviert, sogar länger als notwendig. Ich wurde die ganze Zeit malträtiert. Es wurde mir gedroht, dass ich bevor ich entlassen werde eine Spritze bekommen werde. Für was diese Spritzen gut waren, weiß ich nicht. Alle Truppen haben diese Spritzen erhalten, wir Moslems haben aber glaube ich andere Injektionen bekommen. Nach dem Nato-Bombardement hätten wir Gegenmittel erhalten sollen. Das habe ich nie erhalten. Ich glaube, dass ich immer noch Beschwerden wegen dieser Spritze habe. Ich habe Kopfschmerzen, mir tun die Augen weh und ich habe erhöhte Temperatur.
Während der Dienstzeit war es nicht möglich, dass sich Moslems alleine unterhalten. Wenn sich Moslems alleine unterhalten, wurden sie angeschrien ob sie wieder Verrat oder Diversion planen.
Ein Verwandter von mir, der auch M. heißt, wurde von Albanern gefangen genommen. Ich weiß nicht, ob er sich freiwillig den Albanern gestellt hat. Auf Grund dieses Vorfalles wurde ich von meinem Vorgesetzten in die Kanzlei geholt, wurde beschimpft und angeschrien und es wurde mir mitgeteilt, dass wenn ich dasselbe versuche, umgebracht werde. Ich konnte mich mehrere Monate nicht zu Hause melden und es wurde meiner Mutter immer wieder mitgeteilt, dass ich gefallen bin.
Vorgehalten werden Berichte zur derzeitigen Lage bzgl. Desertion und Refraktion in der BRJ.
BW: Ich bekomme Vorladungen zum Militärgericht, das ist aber nicht das Hauptproblem. Ich habe Angst vor Paramilitärs, speziell vor einem Nachbarn, der mich töten wird, wenn ich zurückkomme. Vor 10 Tagen sind die Leute in unser Haus eingefallen, haben es durchsucht haben mich gesucht und meinen Bruder niedergeschlagen.
VL: Wie alt ist ihr Bruder?
BW: Ca. 18 oder 19 Jahre, ich weiß es nicht genau, ich habe 2 Brüder. Ich habe die Mutter kontaktiert und kontaktiere sie noch immer. Wenn ich zurückkehre, dann wird sie nicht mehr wissen wo ich bin. Diese Berichte von internationalen Organisationen haben in unserer Gegend keine Geltung. Wenn meine Mutter zum Arzt geht oder ein Verwandter Hilfe benötigt, werden sie angeschrien und darauf hingewiesen, dass ich Deserteur bin. Meine Familie hat Hilfe von den montenegrischen Behörden verlangt, es wurde aber jede Hilfe verweigert, mein Vater wurde sogar vom Dienst suspendiert. Er hat als Tischler in einer Fabrik gearbeitet.
Vor ca. 20 Tagen ist ein Mann in Zivil gekommen. Dieser hat nach mir und nach Waffen gesucht. Meiner Mutter wurde gesagt, dass ich ein Gewehr nach Hause gebracht hätte und haben die Leute das Gewehr verlangt. Sie haben meiner Mutter mitgeteilt, dass, wenn sie das nächste Mal kommen würden, das Gewehr übergeben werden müsse. Sie sagten auch, dass sie mich finden würden.
Ich weiß nur, dass meine Kameraden, die auch desertiert haben, und vom Militär erwischt wurden, spurlos verschwunden sind. Es wurde von den Behörden mitgeteilt, dass unbekannte Täter diese Menschen umgebracht haben. Man weiß aber, wie das gemacht wurde.
Mein Vater hat mir einen Vorfall im Nachbardorf erzählt, wonach ein Moslem, der in einer islamischen Gruppe tätig ist, von Serben entführt wurde und 4 Tage verschollen war. Er wurde mit einer heißen Eisenstange gequält und wurde ihm sein Name und "Moslem" in seinem Rücken eingebrannt.
Meine Familie hat in Montenegro überhaupt keinen Schutz, weder von Behörden noch von anderer Seite. Sie dürfen sich nicht aus ihrem Dorf hinausbewegen, die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt.
..."
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 7 AsylG ab. Nach kurzer Darstellung des Verfahrensganges traf sie folgende Feststellungen:
"Der Beschwerdeführer ist jugoslawischer Staatsangehöriger, der am 30.7.1979 in Rozaie (Montenegro) geboren wurde und ist moslemischen Glaubens. Er wurde am 18.7.1998 zum Militärdienst eingezogen und diente bis zu seiner Desertion am 9.5.1999 bei der Infantrie. Zu Beginn seines Militärdienstes war er in Valjevo bis 7.6.1998 stationiert. Dann wurde er nach Mitrovica versetzt. Zunächst beschützte ihre Truppe serbische Dörfer und war er ab April 1999 gezwungen, an Kampfhandlungen aktiv teilzunehmen. Ihre Truppe war in Kosovo stationiert und kämpfte gegen die Truppen der UCK. Er diente (bis zur Desertion) eineinhalb Monate länger als vorgesehen und hielt es beim Heer nicht mehr aus, da er auf Grund seines Glaubens während des Dienstes als Person zweiter Klasse behandelt wurde. Die wegen seiner Desertion erhaltene Vorladung zu einem Militärgericht ist nicht das Hauptproblem. Bei einer Rückkehr hat er vielmehr Angst, von Paramilitärs, die nach Deserteuren suchen oder privaten (speziell von einem Nachbarn) liquidiert zu werden. Ab 9.5.1999 desertierte er von der Jugoslawischen Armee und ab diesem Zeitpunkt war die Desertion den Behörden bekannt. Trotzdem wurde ihm - von einem Beamten, gegen Geld und zu Hause - am 17.5.1999 ein Personalausweis ausgestellt. Wegen seiner Desertion hat seine Familie Probleme in ihrem Heimatdorf.
2. Desertion und Refraktion werden gemäß dem Jugoslawischen Strafgesetz wie folgt behandelt:
...
Wehrstraftaten unterliegen ausschließlich dem Strafgesetzbuch der Bundesrepublik Jugoslawien, weil Wehrstrafrecht Bundesrecht ist und nicht Recht der jugoslawischen Teilrepubliken Serbien und Montenegro (Auswärtiges Amt Bonn 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der BR Jugoslawien', 18.11.1998).
Die Todesstrafe wurde abgeschafft (UNHCR, 'Deserters and Persons avoiding Military Service originating form the Federal Republic of Yugoslavia in Countries of Asylum: Relevant Considerations', 01.10.1999).
...
Wehrpflichtig sind in der BR Jugoslawien alle männlichen Staatsbürger; sie können vom 18. bis zum 27. Lebensjahr, in begründeten Ausnahmefällen auch später, zum Grundwehrdienst einberufen werden. Der größte Teil der Einberufenen folgte den Stellungsbefehlen in den vergangenen Jahren nicht (70 % der in Serbien, 93 % der in Montenegro Einberufenen). Es ist bekannt, dass Angehörige der albanischen Minderheit, die ohnehin nur gelegentlich einberufen werden, ein großer Prozentsatz der Muslime und der ethnischen Ungarn einer Einberufung generell nicht Folge leisten. Von der Möglichkeit des waffenfreien Dienstes machen in der Regel nur Angehörige fundamentalistischer christlicher Sekten Gebrauch. Alle übrigen Wehrpflichtigen, die den Wehrdienst zumeist aus nichtreligiösen Gründen ablehnen, halten sich versteckt, täuschen eine Krankheit vor, oder flüchten ins Ausland, statt ihr Recht in einem entsprechenden Verfahren geltend zu machen (Auswärtiges Amt Bonn 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der BR Jugoslawien', 18.11.1998).
...
Deserteure aus der jugoslawischen Armee werden von der lokalen Bevölkerung im Kosovo und den montenegrinischen Behörden vor Verfolgungsmaßnahmen der serbisch-jugoslawischen Militärbehörden geschützt (Bundesamt für Flüchtlinge, 'Amnestiegesetz der BRJ vom 22. Juni 1996', 09.09.1998). Trotz des politischen Widerstandes von Montenegro wurden dort durch die Militärpolizei der jugoslawischen Armee Rekrutierungen durchgeführt, da die Kontrolle der Dienstpflichtigen in Montenegro seit einem Jahr in den Händen Belgrads liegt (Schweizerische Flüchtlingshilfe, 'Bundesrepublik Jugoslawien, Desertion und Refraktion', 21.05.1999).
Hinsichtlich der Praxis jugoslawischer Militärgerichte wurde von UNHCR mitgeteilt, dass ... (UNHCR vom 06.08.1999, AUS/MSC/HCR/241; NZZ 02.06.1999). ... Seit dem 25. Juni 1999 kam es nach Wissen von UNHCR zu keinen weiteren Anklagen mehr. Weiters verfügt UNHCR über keine Informationen bezüglich der Zahl der Fälle, in denen Militärgerichte Haftstrafen ausgesprochen haben (UNHCR vom 30.09.1999, AUS/MSC/HCR 285). Schätzungen zufolge liegt die Zahl von vor Militärgerichten der Bundesrepublik Jugoslawien anhängigen Fällen von Wehrdienstverweigerung und Desertion zwischen 4.000 und 30.000. Das montenegrinische Helsinki-Komitee schätzte die Zahl der Verfahren allein in der Teilrepublik Montenegro auf 14.000. Laut einem Pressebericht vom Juli ... (Amnesty International Report EUR 70/111/99, 'Federal Republic of Yugoslavia. the Forgotten Resisters: the Plight of Conscientious Objectors to Military Service After the Conflict in Kosovo'. Oktober 1999).
In der Praxis hat sich gezeigt, dass die Polizei der Republik Montenegro bei der Suche der in Frage stehenden Personen eher zurückhaltend ist. In allen UNHCR bekannten Fällen ... UNHCR liegen keine Informationen vor, die darauf hinweisen, dass Angehörige verschiedener ethnischer Gruppen bei der Anwendung der rechtlichen Bestimmungen hinsichtlich Wehrdienstverweigerung und Desertion unterschiedlich behandelt werden. Weiters verfügt UNHCR über keine Berichte, wonach montenegrinische Staatsbürger bei einer Rückkehr nach Montenegro verhaftet wurden bzw. es zu Verfahren gegen diese gekommen ist. Vielmehr scheint seit dem Abzug der jugoslawischen Armee von den Grenzübergängen nach Bosnien und Herzegowina sowie nach Kroatien eine uneingeschränkte Rückkehr nach Montenegro möglich zu sein. Auch wenn das Risiko einer strafrechtlichen Verfolgung nach wie vor besteht, ist die Gefahr einer Verurteilung auf Grund der großen Anzahl von Anklagen eher gering (UNHCR vom 30.09.1999, AUS/MSC/HCR 285). Das montenegrinische Parlament beschloss am 12.11.1999 ein Amnestiegesetz für alle diejenigen Personen, die in der Zeit von 01.06.1998 bis zum 30.06.1999 den Einberufungen in die jugoslawische Bundesarmee nicht gefolgt sind. Dieses Gesetz rief großes Medienecho hervor, weil dessen Verfassungskonformität heftig umstritten ist ('Das Amnestiegesetz der Republik Montenegro im Spiegel montenegrinischer Medien', Wittek, 29.11.1999).
Nach Auskunft von lokalen Menschenrechtsorganisationen erhalten jene Personen, deren Fälle vor Gericht verhandelt werden, nicht immer ein faires Verfahren; bis heute gibt es allerdings keine Hinweise darauf, dass es bei der Anwendung der relevanten strafrechtlichen Bestimmungen zu Diskriminierungen auf Grund der Rasse, Religion, ethnischen Herkunft etc. kommt. Jugoslawische Behörden haben über Wehrdienstverweigerer oder Deserteure, die direkt in die Provinz Kosovo zurückkehren, keine Autorität mehr, da die Provinz Kosovo unter der Verwaltung von UNMIK steht. Nach Montenegro zurückkehrende Personen könnten hingegen grundsätzlich von jugoslawischen Behörden festgenommen werden, was aber angesichts der derzeit vorherrschenden politischen Situation in der Praxis nicht sehr wahrscheinlich ist (UNHCR vom 22.11.1999, AUS/MSC/HCR 334).
Auch generell (nicht auf Militärstrafverfahren bezogen) konnte eine Strafverschärfung in Urteilen auf Grund einer Minderheitenvolkszugehörigkeit bislang nicht beobachtet werden. Eine Ausnahme hierzu bilden politische Prozesse, die jedoch ausschließlich ethnische Albaner betrafen (Auswärtiges Amt Bonn, 'Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien', 18.11.1998).
Amnesty International ist ein Fall bekannt, ... (Amnesty International Report 1999, Bundesrepublik Jugoslawien).
In allen Gefängnissen in Jugoslawien werden Fälle der Misshandlung der Inhaftierten unter Verletzung ihrer Menschenrechte registriert. Menschenrechtsverletzungen sind im jugoslawischen Strafvollzug zahlreich, aber in der Regel nicht von hoher Intensität. Am häufigsten kommen Schläge durch das Gefängnispersonal vor. ... Dagegen waren wesentliche Unterschiede in der Behandlung der Angehörigen verschiedener Volksgruppen bislang nicht feststellbar (Auswärtiges Amt Bonn, 'Bericht über asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Bundesrepublik Jugoslawien', 18.11.1998). Die Gefängnisbedingungen erfüllen minimale internationale Standards. Es gab keine Berichte von Missbräuchen von Inhaftierten, die bereits verurteilt wurden und in den Gefängnissen ihre Zeit absitzen. Die Regierung erlaubt Gefängnisbesuche durch Menschenrechtsbeobachter (Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, 'Serbia-Montenegro', 30.01.1997).
In der Bundesrepublik Jugoslawien fanden zahlreiche ernsthafte Missbräuche inklusive extralegaler Tötungen, Folter, brutaler Prügelei und willkürlichem Arrest statt. Polizeiliche Repressalien richteten sich verstärkt gegen ethnische Minderheiten, insbesondere Kosovo-Albaner und Muslime aus dem Sandzak; zudem verstärkten sich Übergriffe gegen Personen, die gegen die Regierung protestierten Bureau of Democracy, Human Rights, and Labor, 'Serbia-Montenegro', 30.01.1997)."
Beweiswürdigend führte die belangte Behörde aus, die die Person des Beschwerdeführers betreffenden Feststellungen stützten sich auf seinen Personalausweis, sein Wehrdienstbuch und seine glaubwürdigen Angaben anlässlich der Einvernahme vor den Asylbehörden. Weiters sei dem Verwaltungsakt eine Vorladung zum Militärgericht zu entnehmen. Die Ausführungen des Beschwerdeführers seien auch vor dem Hintergrund der der belangten Behörde vorliegenden Länderdokumentationen, die in den obigen Feststellungen ihren Niederschlag gefunden hätten, plausibel. Die übrigen Feststellungen stützten sich auf die zitierten Quellen. Da die Berichte auf einer Mehrzahl verschiedener, von einander unabhängiger Quellen beruhten und demnach ein in den Kernaussagen übereinstimmendes Gesamtbild ergäben, bestehe kein Grund, an der Richtigkeit der Schilderung zu zweifeln. Dass Organisationen, die größtenteils vor Ort aktiv seien bzw. Auskünfte über vor Ort tätige Büros einholten, nicht hinreichend Zugang zu Informationen besäßen, könne nicht nachvollzogen werden, zumal auch die dieser Entscheidung zu Grunde gelegten Berichte und Auskünfte detailliert und konkret gestaltet seien. Darüber hinaus sei die Situation des Beschwerdeführers zum Entscheidungszeitpunkt zu beurteilen und festzuhalten, dass nunmehr von einer serbischen Offensive im Kosovo nicht mehr die Rede sein könne und sich die Frage nach einem Kampfeinsatz dort nicht mehr stelle. In rechtlicher Hinsicht gelangte die belangte Behörde zur Schlussfolgerung, eine wegen der Verweigerung der Ableistung des Militärdienstes bzw. wegen Desertion drohende, auch strenge Bestrafung werde in diesem Sinne grundsätzlich nicht als Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention angesehen. Die Flucht wegen Einberufung zum Militärdienst könnte nur dann asylrechtlich relevant sein, wenn die Einberufung aus einem der in der Flüchtlingskonvention genannten Gründe erfolgt wäre oder aus solchen Gründen die Behandlung während der Militärdienstleistung nachteiliger bzw. eine drohende allfällige Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung strenger als gegenüber anderen Staatsangehörigen gewesen wäre. Unter Zugrundelegung dessen habe der Beschwerdeführer keine asylrechtlich relevante Verfolgung glaubhaft machen können. Den zitierten Berichten sei nicht zu entnehmen, dass die Einberufungspraxis oder die Behandlung während der Militärdienstzeit oder die Bestrafung wegen Wehrdienstverweigerung nach asylrechtlich relevanten Merkmalen unterschiedlich gehandhabt werde. Es könne dahingestellt bleiben, ob die Desertion des Beschwerdeführers aus Gewissensgründen erfolgt sei, weil subjektive Gründe, aus denen er dem Dienst nicht weiter nachgekommen sei, dann keine Rolle spielten, wenn aus der Desertion keine Gefahr einer asylrechtlich relevanten Verfolgung erwachse. Es sei der belangten Behörde zwar bekannt, dass die Militärpolizei auch in Montenegro Wehrdienstverweigerer und Deserteure festnehmen könne und solche Aktionen auch bereits durchgeführt worden seien "(vgl. Die Presse, 29.3.2000)", doch dürften vor dem Hintergrund der mangelnden Kooperation der montenegrinischen Behörden deren Suchen nicht gleichermaßen erfolgreich sein wie in anderen Landesteilen. Somit fehle es auch an einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit einer ernsthaften Verfolgungshandlung. Dafür spreche auch, dass der Beschwerdeführer am 17. Mai 1999 (wenn auch nicht legal) durch einen Beamten einen Personalausweis ausgestellt erhalten habe und erst am 6. Juni 1999 sein Heimatland verlassen habe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Der Beschwerdeführer bringt vor, er habe in seiner Ungleichbehandlung im Vergleich zu serbischen Staatsbürgern auf Grund seiner Volks- und Religionszugehörigkeit eine asylrelevante Schlechterstellung dargelegt. Die belangte Behörde gelange - gestützt auf diverse Berichte - zur Ansicht, eine asylrechtlich relevante Verfolgung hätte nicht glaubhaft gemacht werden können. Die von der belangten Behörde herangezogenen Berichte stammten durchgehend aus den Jahren 1997 bis 1999 und könnten nicht als Stütze der Begründung des Bescheides dienen, zumal die gegenständliche Desertion ja erst im Mai 1999 erfolgt sei. Die Verfolgungsgefahr müsse zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung vorliegen. Veraltete Berichte über vergangene Gegebenheiten könnten zur diesbezüglichen Abklärung nicht herangezogen werden.
Damit zeigt die Beschwerde Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. März 2002, Zl. 99/20/0401 (mwN), grundlegend ausführte, kann auch die Gefahr einer allen Wehrdienstverweigerern bzw. Deserteuren im Herkunftsstaat gleichermaßen drohenden Bestrafung u. a. dann zur Asylgewährung führen, wenn das Verhalten des Betroffenen im Einzelfall auf politischen oder religiösen Überzeugungen beruht und den Sanktionen - wie etwa bei der Anwendung von Folter - jede Verhältnismäßigkeit fehlt. Ist Letzteres der Fall, kann dies aber auch auf der - generellen - Unterstellung einer oppositionellen Gesinnung beruhen, womit unabhängig von einer der Wehrdienstverweigerung bzw. Desertion im konkreten Fall wirklich zu Grunde liegenden religiösen oder politischen Überzeugung der erforderliche Zusammenhang zu einem Konventionsgrund gegeben wäre.
Da die belangte Behörde ausgehend von einer unzutreffenden Rechtsansicht diese Kriterien nicht beachtet hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
Darüber hinaus ist die belangte Behörde als Spezialbehörde verpflichtet, sich laufend über asylrechtlich maßgebliche Entwicklungen insbesondere in jenen Ländern, aus denen viele Asylwerber nach Österreich kommen, auf dem neuersten Stand zu halten. Sie hat daher ihren Bescheiden die zum Entscheidungszeitpunkt aktuellen Beweismittel zu Grunde zu legen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 4. April 2001, Zl. 2000/01/0348, mwN).
Diesen Anforderungen werden die von der belangten Behörde im vorliegenden Fall herangezogenen Berichte, die im Zeitpunkt der Bescheiderlassung durchwegs älter als ein Jahr waren, jedenfalls nicht gerecht, sodass der von der belangten Behörde im Rahmen ihrer Beweiswürdigung gezogenen Schlussfolgerung, diesen Quellen gegenüber den - im Übrigen als glaubwürdig erachteten - Angaben des Beschwerdeführers den Vorzug zu geben, schon aus diesem Grund nicht gefolgt werden kann.
Schließlich erweist sich der Sachverhalt insofern in einem wesentlichen Punkt als ergänzungsbedürftig, als die belangte Behörde zu der vom Beschwerdeführer relevierten Gefahr mangelnden staatlichen Schutzes vor ethnisch ausgerichteter Verfolgung durch Paramilitärs keine Feststellungen traf.
Wegen der Prävalierung der inhaltlichen Rechtswidrigkeit war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Pauschalierungsverordnung 2001.
Wien, am 22. Oktober 2002
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