VwGH 2000/21/0183

VwGH2000/21/018313.12.2002

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Grünstäudl, im Beisein des Schriftführers Mag. Bauernfeind, über die Beschwerde des DA, geboren am 18. August 1976, vertreten durch Dr. Hannes Hirtzberger, Rechtsanwalt in 3500 Krems, Ringstraße 50, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Niederösterreich vom 28. April 2000, Zl. Fr 171/2000, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Normen

FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §37 Abs1;
MRK Art8 Abs2;

 

Spruch:

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 28. April 2000 wurde gegen den Beschwerdeführer, nach seinen Angaben ein liberianischer Staatsangehöriger, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Zur Begründung verwies die belangte Behörde auf zwei strafgerichtliche Verurteilungen des Anfang November 1995 illegal nach Österreich eingereisten Beschwerdeführers. Zunächst sei er mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 27. Oktober 1997 wegen des Vergehens nach § 16 Abs. 1 und 2 Z 2 Suchtgiftgesetz zu einer teilbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von neun Monaten (davon sechs Monate bedingt) verurteilt worden. Dem liege zu Grunde, der Beschwerdeführer habe in der Zeit von Mai bis Mitte Juni 1997 in Wien gewerbsmäßig den bestehenden Vorschriften zuwider wiederholt jeweils geringe Mengen Heroin und Kokain Unbekannten verkauft und einer namentlich genannten Person als "Vermittlungsprovision" überlassen.

In der Folge sei der Beschwerdeführer mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 20. September 1999 wegen des Vergehens nach § 27 Abs. 1 Suchtmittelgesetz, wegen des Vergehens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB und wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 4 StGB zu einer (unbedingten) Freiheitsstrafe in der Dauer von zehn Monaten verurteilt worden. Unter einem sei die bedingte Nachsicht in Ansehung der ersten Verurteilung und der bedingten Entlassung (aus dem Vollzug des unbedingten Strafteiles) widerrufen worden. Nach den Urteilsfeststellungen habe der Beschwerdeführer,

1. von Anfang 1999 bis Mitte Juli 1999 in Wien wiederholt Kokain und Cannabisharz erworben und besessen,

2. am 19. Juli 1999 mit gezielten Faustschlägen gegen den Brust- und Kopfbereich der einschreitenden Sicherheitsbeamten seine Festnahne zu verhindern versucht und

3. dadurch Beamte während der Vollziehung ihrer Aufgaben vorsätzlich näher beschriebene Verletzungen zugefügt.

Ausgehend von diesem (unbestrittenen) strafbaren Verhalten des Beschwerdeführers erachtete die belangte Behörde die Annahme nach § 36 Abs. 1 FrG für gerechtfertigt. Durch seine Straftaten habe er eine "nicht unwesentliche kriminelle Energie bewiesen" und es sei deshalb zu befürchten, der Beschwerdeführer werde "wiederum versuchen, auf dieselbe kriminelle Art und Weise Barmittel zu erlangen". Im Hinblick auf den Handel mit besonders gefährlichen Drogen wie Heroin und Kokain und die erwähnte Wiederholungsgefahr sei die Annahme der Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sowie der Gesundheit Anderer durchaus gerechtfertigt.

Die ausführliche Begründung der belangten Behörde zu der Ermessensübung nach § 36 Abs. 1 FrG lässt sich dahin zusammenfassen, dass dem Gesetz die Absicht zu entnehmen sei, gegen gerichtliche Straftäter müsse in fremdenrechtlicher Hinsicht "vehement" vorgegangen werden. Ein Absehen von der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes in diesen Fällen sei daher nur bei Vorliegen besonderer Umstände gerechtfertigt. Solche relevanten Umstände, die für eine Ermessensübung zu Gunsten des Beschwerdeführers sprechen würden, habe er den wichtigen öffentlichen Interessen an der Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen nach dem Suchtmittelgesetz "nicht entgegenbringen" können. Vielmehr sei der Beschwerdeführer nach kurzer Zeit rückfällig geworden. Da er über keine Beschäftigungsbewilligung verfüge, sei damit zu rechnen, dass er wiederum "durch andere Machinationen" seinen Lebensunterhalt verdienen werde.

Der Beschwerdeführer, der sich seit Anfang November 1995 in Österreich befinde, verfüge über keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem Asylgesetz - das Asylverfahren sei "im Stande der Berufung" - und er habe sich daher niemals rechtmäßig in Österreich aufgehalten. Er habe hier keine familiären Beziehungen. Folglich erübrige sich auch die Prüfung, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gemäß § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten sei, und es sei auch keine Abwägung nach § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmen. Angesichts der Schwere der begangenen Delikte sei ein unbefristete Aufenthaltsverbot auf jeden Fall gerechtfertigt.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen die Annahme gerechtfertigt ist, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährdet (Z 1) oder anderen im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwider läuft (Z 2). Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder von einem inländischen Gericht zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten, zu einer teilbedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe, zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von mehr als sechs Monaten oder mehr als einmal wegen auf der gleichen schädlichen Neigung beruhender strafbarer Handlungen rechtskräftig verurteilt worden ist (§ 36 Abs. 2 Z 1 FrG).

Die Beschwerde bestreitet nicht, dass im Hinblick auf die erwähnten rechtskräftigen strafgerichtlichen Verurteilungen der erste, zweite und letzte Fall des zitierten Tatbestandes des § 36 Abs. 2 FrG erfüllt ist. Auch gegen die von der belangten Behörde vertretene Auffassung, es sei die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt, hegt der Verwaltungsgerichtshof im Hinblick auf das den erwähnten Verurteilungen zu Grunde liegende, in kurzer Zeit wiederholte und einschlägige Fehlverhalten des Beschwerdeführers unter Bedachtnahme auf das große öffentliche Interesse an der Verhinderung strafbarer Handlungen, insbesondere im Bereich der Drogenkriminalität, keine Bedenken.

Das gegen diese Prognosebeurteilung in der Beschwerde vorgetragene Argument überzeugt nicht. Ausgehend vom Strafzweck des § 20 StVG, den Verurteilten zu einer rechtschaffenen und den Erfordernissen des Gemeinschaftslebens angepassten Lebenseinstellung zu verhelfen und ihn abzuhalten, schädlichen Neigungen nachzugehen, meint die Beschwerde, man könne davon ausgehen, dass dem Beschwerdeführer der Vollzug der nunmehr doch annähernd eineinhalbjährigen Freiheitsstrafe "ausreichend Lehre sein" werde, um sich in Hinkunft wohl zu verhalten.

Diese Auffassung ist schon vom Ansatz verfehlt, weil dann ein Aufenthaltsverbot im Hinblick auf den Vollzug einer (noch so strengen) Freiheitsstrafe nicht in Betracht käme. Das widerspricht aber dem erwähnten Tatbestand des § 36 Abs. 1 FrG, wonach das Vorliegen der dort angeführten, ein Mindeststrafmaß überschreitenden Verurteilungen - wobei bei unbedingten Verurteilungen bereits eine Freiheitsstrafe von mehr als drei Monaten genügt - als bestimmte Tatsache gilt, die eine Gefährdungsprognose im Sinne des § 36 Abs. 1 FrG rechtfertigt. Der Hinweis auf den (bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht beendeten) Vollzug der Freiheitsstrafe ist daher für sich genommen nicht geeignet, die von der Behörde bei einem weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers angenommene Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen in Frage zu stellen. Dies gilt im vorliegenden Fall umso mehr, weil bei der Suchtgiftkriminalität - wie sich auch beim Beschwerdeführer schon zeigte - die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß sehr groß ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 9. Oktober 2001, Zl. 2001/21/0132).

Entgegen der Beschwerdemeinung kann aber auch die Ermessensübung durch die belangte Behörde nicht als fehlerhaft angesehen werden. Auf den in diesem Zusammenhang relevierten Umstand, den Beschwerdeführer erwarte in Liberia die Todesstrafe, ist bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nicht Bedacht zu nehmen. Wie bei einer Ausweisung wird auch mit einem Aufenthaltsverbot nicht ausgesprochen, dass der Beschwerdeführer in ein bestimmtes Land auszureisen habe oder dass er etwa (dorthin) abgeschoben werde (vgl. z.B. das Erkenntnis vom 5. September 2002, Zl. 2002/21/0113, uva).

Weitere Einwände enthält die Beschwerde nicht. Insbesondere wird die Auffassung der belangten Behörde, durch das Aufenthaltsverbot werde in das Privat- oder Familienleben des Fremden nicht in relevanter Weise eingegriffen, nicht in Frage gestellt. Es wird auch nicht behauptet, dass ein solcher Eingriff im Hinblick auf das erwähnte überragende Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität und anderer damit im Zusammenhang stehender Straftaten im Grunde des § 37 Abs. 1 FrG zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten wäre oder dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers schwerer wiegen würden als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung. Beides kann nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes im vorliegenden Fall auch nicht gesagt werden.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Kostenzuspruch gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 13. Dezember 2002

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